„Katharina und Lisbeth sind Zwillingsschwestern, die mit 60 vor einer entscheidenden Veränderung stehen, nämlich am Beginn der Pension, die eine nach ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin; die andere als Bibliothekarin, die aufgrund des letzten Auftrags ihres vor kurzem verstorbenen Liebhabers die lange Liste ihrer noch ungelesenen Bücher ins Netz gestellt hat, über deren Lektüre sie laufend berichtet, wohl auch, um sich durch solche Lebenszeichen von ihren Depressionen abzulenken und sich öffentlich ans Leben zu binden.
Katharina, die beruflich den helfenden Umgang mit Menschen gewohnt ist, beginnt den neuen Lebensabschnitt mit einer Fahrt nach Linz zum Begräbnis ihrer Mutter. Eine Nachbarin hat sie von deren Tod informiert hat, nachdem sie 30 Jahre nichts von sich hören ließ.
Währenddessen hat sie genug Zeit, sich insistierend und detailgenau an Episoden aus den Fallberichten über zwei ehemalige Klientinnen – Martha und Lenka, die zu ihren Hauptfreundinnen geworden sind – zu erinnern. Obwohl sie aus desolaten Verhältnissen stammen und im Heim aufgewachsen sind, sind sie erfolgreiche Frauen geworden: die eine als Kinderärztin, die andere als Krimischriftstellerin, deren Einladung nach Sizilien Katharina nun folgt.
Die dreiteilige Erzählung endet in Linz, und zwar nicht so, als wäre sie tatsächlich vom Leben geschrieben worden, also mit einer Katastrophe, sondern macht deutlich, dass sich schlimme Familiengeschichten, angeschoben von einigen Zufällen, auch enträtseln und einen versöhnlichen Schluß finden können.“
E. A. Richter
So wird es ausschauen, das neue Buch, das zweite Kapitel „Friedhof der ungelesenen Bücher“, kann man auf meiner Homepage finden, der sehr interessante Entstehungsprozeß ist hier nachlesen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
„Es gibt nichts Schwierigeres als eine fiktive Figur zu erschaffen.“(Seite 93) und „Es bedarf speziellen Wissens, um eine Figur zu schaffen, die man nicht selber ist.“(Seite 114).Ausserdem wirft James Wood in „Die Kunst des Erzählens“ auf Seite 40 auch die Frage auf, ob die Worte der Figuren stimmig wirken oder eher nach dem Autor klingen.Auch über die ERLEBTE REDE ist dort viel und genau die Rede, jenen Gedanken der ProtagonisInnen die vom Autor als solche nicht gekennzeichnet werden. Kein „sagte er“ oder „dachte er sich “ oder „fragte sie sich“, was natürlich einen Gewinn an Flexibilität mit sich bringt.Wood begründet es damit, dass dadurch die Erzählung vom Autor wegzutreiben scheint und die Sprache die Eigenschaften der Figur annehmen kann. Bei den Zwillingsschwestern scheint viel von der Autorin selbst bereits in der Ankündigung durch: z-B. das Alter, z.B. Tätigkeiten wie soziale Dienstleistungen, Bücherlisten ins Netz stellen;-) u.a.
Beim Stöbern in Buchhandlungen fand ich Lesesessel Zeit und das Buch von James Wood, sehr einfach geschrieben, dennoch von einem der als Professsor für angewandte Literaturkritik an der Havard University arbeitet.
Kommentar von JuSophie — 2011-10-26 @ 07:37 |
Ich weiß nicht, ob sich das so verallgemeinern läßt. Manchen Autoren, denke ich, fällt es leicht, fiktive Figuren zu erschaffen, manchen schwerer und auch das mit dem Erkennen des Autors in den Figuren, ist nicht so einfach. Zumindest kenne ich einige sehr große, wie z.B. Philip Roth, die sich sehr wohl erkennen lassen und damit auch berühmt geworden sind und bei Gustav Ernst letzten Roman, ist mir aufgefallen, wie oft er „sagte er, sagte sie“, verwendet hat.
Erinnern Sie sich, daß ich ihn bei der Katja Langen-Müller Lesung darauf angesprochen habe und da waren Sie, glaube ich, der Meinung, daß man das sehr wohl kann.
Vielen Dank für den Hinweis auf das Buch, das mir unbekannt ist.
Was mich und die Autobiografie in den „Zwillingswelten“ betrifft, schließe ich mich dem Satz „Es ist alles Autobiografie und alles gleichzeitig nicht!“, an und da ich keine Gebrauchsliteratur schreibe, denke ich, daß schon Persönliches in meinen Texten sein kann.
Vielleicht noch ein paar Worte, wie der Text entstanden ist. Die erste Idee ist mir beim Lesen von Ulrich Bechers „Kurz nach 4“ gekommen. Da habe ich gedacht, daß ich ein Road-novel schreiben will, wo eine Person eine Reise macht und auf dem Weg dorthin ihr Leben reflektiert.
Wie es zu den Zwillingsschwestern gekommen ist, weiß ich nicht mehr, daß mich momentan die Frage, wie man es macht, seine ungelesenen Bücher aufzulesen, beschäftigt, gebe ich zu, während die Martha und die Lenka, Figuren sind, die ich mir einmal ausdachte, aber nicht aufgeschrieben habe, so daß mir die Idee kam, sie in die Geschichte von den Zwillingsschwestern zu verweben.
Sie sehen, daß das Erschaffen von Figuren seine Geschichte hat, in dem ich meine Schreibprozesse refelektiere, kann man es vielleicht ein bißchen nachvollziehen.
Kommentar von Eva Jancak — 2011-10-26 @ 21:38 |
„seine ungelesenen Bücher aufzulesen“….you made my day:-)
Es klingt nach: wie soll ich es anstellen vor einem stets überladenen Teller aufzuessen…
Ich glaube, Schreibkunst ist, sich in andere Personen und andere Erfahrungen hineinversetzen zu können. Natürlich ist es auch eine Kunst, die eigene Biographie oder Teile daraus literarisch aufzuarbeiten, sodass Leser daran Interesse haben. Nicht nur Schreibende sind Beobachter bisweilen Voyeure, sondern auch Leser.
Was Sie über Ihr „Erschaffen von Figuren“ schreiben, hat mehr mit Modellieren, Abwandeln zu tun. In solchen Texten ist natürlich alles Biografie oder auch nicht. Es gibt jedoch wirklich Texte, in denen biographische Elemente so verschwindend klein sind, dass das Thema, das Anliegen im Vordergrund ist, dass es auch einen offenen Schluss gibt, der dem Leser/der Leserin Freiräume einräumt und keine von der Autorin/vom Autor vorgegebene Meinung/Lösung. Leider habe ich all das in „Mimis Bücher“ nicht vorgefunden. Eine Rezension als Schreibanleitung (zum erfolgreich möglichen Buch in einem öffentlichen Verlag) möchte ich daher ungern verfassen;-)
Kommentar von JuSophie — 2011-10-30 @ 09:03 |
Tja, liebe JuSophie, ich schreibe so, wie ich es kann und reflektiere im Literaturgeflüster darüber, weil ich denke, daß das andere vielleicht interessiert, beziehungsweise das ist, was ich gerne lesen würde.
Daß Sie „Mimis Bücher“ für nicht literarisch halten, haben Sie schon geschrieben, das ist natürlich schade, ich kann es aber nicht verändern, sondern nur den Rat geben, dann halt die Bücher zu lesen, die Sie besser finden. Es gibt ja sehr viele.
Ansonsten kann ich nur wiederholen, daß ich, was Sie schreiben, für zu absolut und nicht für verallgemeinbar halte und auch nicht weiß, ob Schreibkunst wirklich nur Hineinversetzen in andere Personen ist. Ich glaube, sie ist viel mehr und ich habe auch immer großes Vergnügen beim Lesen, die Autobiografie des Autors in dem Buch zu entdecken, auch wenn der dann vielleicht sagt, daß das nicht so ist, finde ich oft viel, was sich deckt.
Aber natürlich gibt es auch Autoren, in deren Texten nichts biografisch ist, das sind dann meist die Experimentellen mit deren Texten ich mir schwer tue, vielleicht auch Richard Obermayr, aber mit den Sprachräuschen habe ich auch zu kämpfen.
So schreibt halt jeder so, wie er es kann und will und das finde ich nicht nur als Therapeutin gut und möchte auch jeden, der das will, ermutigen, es ebenfalls zu tun! Vielleicht muß man in manche Texte auch länger hineinlesen, um ihre Eigenart zu entdecken, die man nicht findet, wenn man sie gleich beim ersten sogenannten Fehler empört wegschmeißt.
Schade, daß Sie das stört, es hat aber jeder seinen eigenen Literaturbegriff und natürlich kann man immer jemanden „aufblättern“, weil man ihn für schlechter hält, ich weiß aber nicht, ob, das wirklich etwas bringt?
Daß Sie „Mimis Bücher“ rezensieren wollen, habe ich nicht mehr angenommen, obwohl wir im Jänner darüber gesprochen haben.
Es gibt ja auch schon neue Bücher. Also vielen Dank für die Beschäftigung damit, es hat Sie wenigstens zu vielen Kommentaren angeregt und Ihnen vielleicht Spaß gemacht.
Freuen Sie sich, wenn Sie es besser können und was, das mit den vollen Tellern und dem Jammern, daß man das alles essen muß, betrifft? Ein bißchen Ironie über die eigenen Unzulänglichkeiten ist wohl erlaubt. Zumindest nehme ich sie mir heraus und dann tut es mir wirklich leid, daß ich nicht alle Bücher, die es gibt, lesen kann, denn ich würde es sehr gerne tun! Von Büchern bekommt man auch kein Übergewicht, keinen Diabetes und keine Eßstörung, sondern sind, wie ich immer höre, sehr zu empfehlen und ein Bücherregal, wo alle schön geordnet sind, habe ich mir im letzten Jahr auch gekauft.
Aber natürlich tue ich das nicht, denn das Wichtigste ist ja immer noch das Schreiben!
Kommentar von jancak — 2011-10-30 @ 10:17 |
Ich dachte, Sie mögen Kommentare, regen Betrieb, damit Leser und Leserinnen kommen;-)
Wenn ich Sie „aufblättern möchte, würde ich anderes anführen- wie etwa die Frage nach den beiden ehemaligen Klientinnen, die in den „Zwillingswelten“ die Hauptfreundinnen geworden sind. Verantwortungsvoll im Sinne von therapeutischer Abstinenz ist so eine Fortführung von Abhängigkeit? Oder der Hinweis aus „Mimis Bücher“, dass ein Bestsellerautor niemals(!) zu einer Psychotherapeutin schleicht, der normale Bestsellerautor *schmunzel* ist www vernetzt, hat mindestens einen Freund, der erwähnenswert wäre in einer Erzählung und LektorInnen und Bekannte und FreundInnen und und und…egal.
Vom Lesen keine Essstörung. Hmm. Wenn jemand Bücher in sich hineinstopft und deren Inhalt wiedergibt, brech, könnte man das als Buchimie definieren (Bulimie natürlich;-)
Anbei die versprochene Rezension zum Abschluss unseres Dialoges hier. Ich bedanke mich für die Lernschritte, für die gewonnenen Erkenntnisse hier. Alles Gute…
Kommentar von JuSophie — 2011-10-31 @ 16:43 |
„Mimis Bücher“ ist die ungewöhnliche Darstellung eines Lebens mit Downsyndrom. Den Hauptanteil der Dialoge – oder eher der Monologe so wie es einen schon in der Einführung der Protagonistin Mimi Berger im ersten Kapitel gibt – beansprucht die junge Superheldin. Einfach und für jedermann verständlich spult sich die Erzählung ab. Eine junge Frau von 22 Jahren, die mit einem Chromosom zuviel auf die Welt gekommen ist, lebt bereits während der Woche betreut in einer eigenen Wohnung. Das Wochenende verbringt sie noch mit den Eltern und dem meist auf Besuch kommenden drei Jahre jüngeren Bruder. Die Kreativwerkstätte, in der Malen, Turnen und andere Beschäftigungen zur Entspannung, und Lebenserfahrung in der Auseinandersetzung mit den Betreuerinnen angesagt ist, ist ihr Lebensmittelpunkt, ihr zunehmender Ausgangspunkt bei der relativen Ablösung aus dem sozialen Primärverband. Die familiäre Abenteuergeschichte entspricht vom schematischen Spannungsaufbau, den schwarz-weiß Zeichnungen der Charaktere („behinderte Schwester – gesunder Bruder“, Besuch einer Integrationsklasse – Besuch der Sir Karl Popper Schule, Frau Tunichtgut und der Herr Bestsellerautor u.a.) und den eindeutigen moralischen Ansichten der Schemaliteratur einer Gebrauchsliteratur zur Unterhaltung in der eine heile Welt installiert ist (Downsyndromträgerin führt ganz normales doch besonderes Leben), mit wenigen Konflikten (welche Lieblingsspeise kocht die Mutter sonntags?) und gar keinen Hinterfragungen, bzw.tieferen Auseinandersetzungen (statt dessen z.B. Blumen als Trost gegen die Wut von der Therapeutin angeraten).
Der dreiteilige Erzählstrang der drei angesagten Hauptfiguren im Klappentext verläuft etwas gewollt über das Thema Literatur und einem subjektivem Ausschnitt aus dem Literaturbetrieb miteinander verflochten, teils auch sehr für sich. Die drei ProtagonistInnen, die abhängige schreibende Downsyndromträgerin, der als wenig sozial vernetzt geschilderte Bestsellerautor und die einsame frühpensionierte Lehrerin als Bücherwartin, machen einander, als vollwertige Figuren gesehen, Konkurrenz. Sie wären in je einem Roman untergebracht, besser aufgehoben. Dann allerdings müsste der Erzählstil verändert werden. Die Geschichte müsste vor allem an vielen Stellen verlangsamen und die Aufmerksamkeit der Schreiberin sich auf eine sprachlich ästhetisch formulierte und sich vertiefende Erzählung besinnen, um den Leser auf Beschaffenheiten und/oder Strukturen zu lenken, die es zu entdecken nötig hätte, um zur erwünschten Hochliteratur gezählt zu werden. Die Geschichte lebt vom Erzähltempo, in dem fast zu viele kleine Ereignisse hineingepackt, in der diese und die Figuren oberflächlich gestreift und zum Abschluss der Erzählidee geführt werden. Modernes realistisches Erzählen nach Flaubert favorisiert nicht nur das sprechende und brilliant formulierte Detail, sondern auch die Enthaltung überflüssiger Kommentare, was in Eva Jancaks Romanform noch aussteht.
Die idealistisch naive Erzählung berührt und verführt von der Idee her, das Leben eines Menschen, der mit einem Chromosom zuviel lebt so zu erzählen, also ob das Leben an sich das Wichtigste wäre, der Umgang mit kreativen Möglichkeiten und den leichten Lösungen.
Kommentar von JuSophie — 2011-10-31 @ 16:45 |
Vielen Dank, ist gar nicht so schlimm, wie erwartet. Für meine hineingestopften Buchbesprechungen, gibts sogar manchmal vom Autor ein Lob. Und in der Phantasie darf eine Sozialarbeiterin auch mit einer ehemaligen Klientin, bzw. der einer ihrer Freundinnen befreundet sein, die Autorin hat es für die Konstruktion der Handlung gebraucht und ist wahrscheinlich ein Versuch mit dem jetzt wieder so aktuellen Mißbrauchsthema ein wenig lockerer umzugehen. Um eine qualifizierte Beurteilung über die Abhängigkeiten abgeben zu können, müßten Sie das Buch erst lesen, es ist aber noch nicht erschienen.
Das was Sie über die sozialen Netze eines Bestsellerautors schreiben, habe ich nicht ganz verstanden. Die Figur des Johannes Staudingers ist zwar erfunden, erscheint mir aber durchaus realistisch, auch, daß er zu einer Therapeutin geht, eine Freundin und einen Verleger hat er ebenfalls.
Die „Buchimie“ ist ein Ausdruck, den ich mir vielleicht „ausborgen“ werde, obwohl die negative Formulierung des Hineinstopfen eigentlich nicht stimmt, aber manchmal, ganz ehrlich, kommt es vor, daß ich ein Buch nicht finde oder doppelt kaufe.
Die Mimi ist übrigens fünfundzwanzig, zweiundzwanzig ist ihr Bruder.
Kommentar von jancak — 2011-10-31 @ 19:23 |
Ach wie schlimm sind manche Hobbypsychologen. Noch schlimmer als die Hobbyautoren. Wehe, Sie borgen sich den Ausdruck „Buchimie“ meiner Freundin aus, klag ich Sie 🙂
Kommentar von ichmachmirgedanken — 2012-01-12 @ 13:58 |
Haben Sie ein Patent darauf?
Hobbypsychologin bin ich übrigens nicht, das ist schon ein sehr schöner Brotberuf. Über die Hobbyautorin könnten wir streiten, als mir das meine Tochter einmal sagte, war ich sehr empört, weil dieser Ausdruck ja ein bißchen etwas Diskriminierendes hat. Jetzt denke ich mir, wenn Sie es so nennen wollen, soll es so sein! Was ist schlecht an einem Hobby? Wahrscheinlich passt die „Lebensform“ aber besser und die Psychologin in mir hat einen sehr weiten Literaturbegriff und ist für die allgemeine Kreativität!
Alle, die es gerne wollen, sollen es, so gut, wie sie es können tun und wenn man dran bleibt, wird man besser! Schreiben wir in diesem Sinne also weiter und bekriegen wir uns nicht!
Kommentar von jancak — 2012-01-12 @ 17:36 |