„Frl. Ursula“ ist das letzte posthum herausgegebe Buch, des 2002 bei einem Motorradunfall verstorbenen Heiner Link, der 1960 geboren wurde, wie ich glaube, in München lebte, weshalb er auch mit Achternbusch und Karl Valentin verglichen wurde und unter anderen den Roman „Hungerleider“ und das Internet Tagebuch „Mein Jahrtausend“ herausgegeben hat. Das, glaube ich, wurde auch als print veröffentlicht und ich habe es bei einer der Literatur im März-Veranstaltungen bekommen. Beim Bachmannpreis hat er, glaube ich, auch einmal gelesen und 2001 mit Arno Geiger ein Hörspiel herausgebracht, das in der „Alten Schmiede“ vorgestellt wurde.
„Nichts für zimperliche Gemüter. Es geht nämlich immer nur um das Eine“, schreibt Elke Heidenreich auf die Buchrückseite. Oder um einen Mann, der in München oder sonstwo in einem Reihenhaus lebt, eine Freundin und einen Golfclub hat, wo er sich mit den Zahnärzten, Steuerberatern, Anwälten des Ortes trifft und dort über das Leben, das heißt die Begegnung mit den Frauen resumiert. Aufmerksame Leser könnten nun denken, daß ich mich an Elke Heidenreichs Ratschlag halte und an dem Buch nicht viel Gefallen finde, denn ein fortwährender Aufriß und die Phantasie des vierzigjärigen Mannes darüber, kann die Frau ja nerven. Heiner Link tut es aber auf eine sehr charmante, sich darüber lächerlich machende Art und so wird dieses Buch auch für sein bestes gehalten.
Es beginnt mit „Scherers erster Verkehr“, hat das Buch ja einen Ich Erzähler, der mit Scherer im Nachbarhaus lebt und der erzählt von den Freuden des Mannes an der Frau oder auch an seinen Mißerfolgen, denn er scheint ein richtiger Tolpatsch zu sein oder das, was er beschreibt, vielleicht nicht wirklich zu wollen.
Es beginnt, nachdem er von Scherers erster Frau, einer Gabi Oberpollinger, erzählt hat, mit seiner ersten Begegnung mit Fr. Ursula, einer Brotverkäuferin, die er als Student im Supermarkt trifft, seither ist er ihr verfallen und versucht sie bekommen und scheitert daran bis zum Schluß, was Heiner Link lustvoll zu beschreiben weiß.
Da gibt es die Szene, wo er eingeklemmt zwischen zwei Pensionisten an der Supermarktkasse steht, die umständlich ihr Geld zählen, um zu Frl Ursula zu gelangen und die, wo er mit ihr und mit fünfzig Mark in ein italienisches Restaurant geht und Frl Ursula ißt und ißt und der Kellner scheint sie auch noch zu verführen.
Es gibt dann einen Ausflug mit dem Auto seiner Mutter, der in einem Kornfeld landet, dann studiert der Held zu Ende, heiratet, zieht mit seiner Frau in ein Reihenhaus, kommt in den Golfclub Scherers, wo er die Toilette mit Sprüchen aus Peter Handkes „Am Felsfenster Morgens“ beschmiert und seine Frau auch mal mit den Frauen der Herren aus dem Golfclub betrügt.
Frl. Ursula hat inzwischen einen anderen. Es gibt auch eine Fanatsie, wo sie als Sexy Brotverkäuferin zuerst den Vertriebsleiter von Südschwaben zur Entlassung bringt, dann selbst trotz Volkshochschulbildung zur Betriebsleiterin wird, Scherer aber davon geht, so daß sich dieser schließlich erschißt.
Das Buch hat drei Teile. Im dritten geht es um den „Havanna Club“, da ist Scherer dann schon tot und der Ich-Erzähler will mit Frl Ursula Urlaub machen. Sie will in die Dominikanische Rebuplik, aber das kann er seiner Frau nicht erklären. So entscheiden sie sich für Cuba, er gründet den Havanna-Club. Was heißt, daß der Erzähler mit Frl. Urusla und den Golf-Honoratoren dort hin fliegt, wo er Frl. Ursula zuächst verliert, denn Cuba ist ja das Land, wo die Damen vor den Hotels stehen und die Herren locken und der Sicherheitschef hat Frl. Ursula entführt, so wankt der Held von einer Panne zur anderen, leert einige Rumflaschen dabei und wird zuletzt in sein Hotel begleitet, wo er Frl Ursula im blauen Bikini im Bett vorfindet.
„Wir haben dann mit einander geschlafen. Es war unheimlich schön.“, lauten die letzten Sätze.
Dann kommt noch eine editorische Notiz, „daß das Manuskript von Heiner Link selbst abgeschlossen wurde. Helmut Krausser und Georg M. Oswald haben es in Abstimmung mit der Witwe, Claudia Link, und dem Verlag für die Veröffentlichung behutsam lektoriert.“
Ein Nachwort von Norbert Niemann, auch ein Bachmannpreisträger, gibt es in fünf Teilen ebenfalls.
2011-10-21
Frl. Ursula
2011-10-20
Grundbuch: Wand
Wieder einmal Grundbücher in der Alten Schmiede, die Reihe mit Klaus Kastberger, einem Autor und einem Literaturwissenschaftler die in Wien und in Linz im Stifterhaus, der Reihe nach alle wichtigen österreichischen Bücher seit 1945 vorstellt, die ich irgendwie sträflich vernachläßigt habe. Aber beim Fred Wander und beim Friedrich Torberg bin ich, glaube ich, gewesen, jetzt war Marlen Haushofer dran.
Ein wichtiger Roman, „Die Wand“, die 1963 erschienen ist und von dem Marlen Haushofer zu ihrem Förderer Hans Weigel laut Daniela Strigl gesagt haben soll, „Daran wirst keine Freude haben, denn das ist eine Katzengeschichte“.
„Eine Katze“ erklärte Daniela weiter, „kommt auch darin vor, aber nicht nur!“
Da gibt es noch viel anderes und die in Wien geborene und in der Steiermark lebende Autorin, Olga Flor, las auch gleich den Anfang des Berichtes vor, der am fünften November aufgeschrieben wurde. Obwohl sich die Ich-Erzählerin gar nicht sicher ist, ob es wirklich der fünfte November ist, sind ihr in dem Jagdhaus in das sie im April mit ihrer Cousine Luise und deren Mann Hugo gefahren ist, doch nicht nur die Uhr, sondern auch die Zeit abhanden gekommen. Sie schreibt jedenfalls ihren Bericht auf dem Briefpapier von Hugo Rüttlinger auf und erzählt, wie beide ins Dorf gegangen sind, während sie mit dem Hund Lux in der Hütte blieb, Reisfleisch zum Abend kochte und sich dann in ihr Zimmer einsperrte. Am Morgen waren die Beiden noch nicht zurück und als sie sie suchen wollte, stieß sich Lux an einer unsichtbaren Wand die Schnauze blutig, sie bekam eine Beule und die Menschen, die sie fand, als sie durch den Fluß watete, waren tot. So bleibt sie mit dem Hund in dem Waldhaus zurück, lebt von den Vorräten, die Hugo sorgfältig eingelagert hat, erklärt sich das Ganze durch eine Atomkatastrophe und findet irgendwo eine trächtige Kuh und eine Katze. So weit hat Olga Flor gelesen. Daniela Striegl hat dann noch erklärt, daß schließlich ein Mann in diese Idylle eindringt, um den Stier, der auch noch dazugekommen ist und den Hund zu töten, worauf die übergebliebene Frau ihn erschießt und zum Schreiben aufhört, als das Briefpapier endet.
Daran schließen sich viele Deutungen an. In den Sechzigerjahren ist das Buch kein Erfolg geworden, weil ja nicht so experimentell, wie die Wiener Gruppe, sondern hat von den Männern nur mittelmäßige Kritiken bekommen, die Daniela Strigl vorlas, dann kamen die Achtzigerjahre und die Frauenbewegung, die das Buch entdeckte. Daniela Striegl brachte noch eine Deutung Erika Dannebergs, die mit Marlen Haushofer befreundet war, wo die Wand als Schizophrenie erklärt wird und psychoanalytische Deutungen.
Ein Mann im Publikum wies auf den Einfluß Kafkas hin, dem sich Kurt Neumann anschloß und ich denke mir, es läßt sich auch mit dem Krieg und der Biografie erklären. Da ist in den Sechzigerjahren eine traumatisierte Frau mit einer schlechten Ehe und einem unehelichen Kind in einer oberösterreichischen Kleinstadt gesessen, hat vom kalten Krieg und der Atomangst gehört, eine Mauer durch die Stadt Berlin gab es auch und, wie Daniela Strigl erklärte, auch Schundhefte a la Perry Rhodan, die sie gern gelesen hat. Da brauche ich gar keine psychoanalytische Deutungen, um mir diese Ausweglosigkeit und das Weltuntergangszenario zu erklären. Ich kann mich auch erinnern, daß ich einmal, als ich vielleicht zehn Jahre war, das wäre dann 1963 gewesen oder auch ein bißchen jünger, bei meiner Tante Grete saß und die sprach mit meiner Mutter vom nächsten Atomkrieg, wo die Menschen sterben und die Natur überbleibt.
So erklärt sich auch die Ich-Erzählerin die „Wand“, aber ich habe das Buch nicht gelesen und auch von der Vereinnahmung durch die Frauenbewegung in den Achtzigerjahren nicht viel mitbekommen. In den Siebzigerjahren, als ich gerade in die Otto Bauergasse zog, war aber „Die Tapetentür“ im Radio und dieses Buch habe ich mir in dieser Zeit, auch in der legendären Buchhandlung „Herzog“ auf der Mariahilferstraße gekauft und gelesen. Sonst nicht sehr viel. Als Daniela Strigl 2000 die Haushofer Biografie, die jetzt „Wahrscheinlich bin ich doch verrückt“ heißt, im Radio Kultur Cafe vorstellte, gab es einen Quiz und einen Herrn, der mir beim Ausfüllen der Fragen ein wenig half, so daß ich die gleiche Punktezahl mit ihm hatte und er war noch so lieb und hat mir das Buch geschenkt und die Frauen lesen Frauengruppe hat Marlen Haushofer auch ein paar Mal im „Siebenstern“ aufgeführt.
Judith Gruber-Rizy hat mir die „Wand“ auch einmal geborgt, die ich ein paar Monate zu Hause hatte, aber nicht gelesen habe. Irgendein Vorurteil hat mich wohl abgehalten, aber die Stellen, die Olga Flor gelesen haben, haben durchaus interessant geklungen.
Ja und einen „Haushofer trifft Celan“-Abend hat es im Literaturhaus auch gegeben.
In der Alten Schmiede war es sehr voll. Ein paar Plätze waren für die Familie Haushofer reserviert und auch eine Schulklasse war da. Sonst habe ich außer einem Stammbesucher nur Elfriede Haslehner gekannt, die mir erzählte, daß sie auch einmal einen ähnlichen Text geschrieben hat.Ich kann mich auch erinnern, daß sie einmal daraus gelesen hat, als wir uns bei Valerie Szabo trafen.
2011-10-19
Drei Bücher
Gestern Morgen weckten mich die Kulturnachrichten im Morgenjournal, mit dem Hinweis, daß ein neues Buch des letzten Nobelpreisträgers Mario Vargas Llosa erschienen ist, was ich schon vom blauen extra Sofa wußte, weil ich ja eine eifrige Buchmessensurferin bin und, daß um zwölf Uhr Mittag in der Hauptbücherei das zehnte „Eine Stadt.Ein Buch“, nämlich Mario Vargas Llosas „Der Geschichtenerzähler“, verteilt wird. Was ich ebenfalls schon wußte und den zwölf Uhr Termin in meinen Kalender eingetragen hatte. Vorher erwartete ich noch eine Klientin, die nicht kam und hatte eine Befundbesprechung, die etwas länger dauerte, so daß die Eröffnungszeremonien schon vorüber waren, als ich um halb eins die Hauptbücherei erreichte und mir die Menschen entgegen kamen, die ein, zwei oder vielleicht sogar mehr Exemplare ergattert hatten. Ein junger Mann mit wahrscheinlichen Migrantenhintergrund, lief sogar darin lesend an mir vorbei und unser Bürgermeister kann sich freuen, daß es ihm gelungen ist, die Wiener Bevölkerung zum Lesen zu bringen.
Ich stehe dieser Aktion ja etwas skeptisch gegenüber, obwohl ich mir alle Bücher geholt habe und mich einmal auf der Buchwoche mit den Veranstaltern gestritten habe, weil sie es nicht vorher hergaben, sondern man auf den Bürgermeister warten mußte. Der Bürgermeister hält ja viel von dem pädagogischen Aspekt eine Stadt mit einem Buch zu beschenken und es ist auch ein erhebender Gedanke sich vorzustellen, daß jetzt eine Weile lang die Wiener und Wienerinnen Varga Llosas lesend in den U- und Straßenbahnen sitzen.
In der Realität spielt es das wahrscheinlich nicht so und es gibt auch einen Film der Werkstatt für Kunstberufe, wo sie den Weg von Nick Hornby „Fever Pitsch“ bis zu den Flohmärkten bzw. zu den E-bay Verkäufen verfolgten. Da bin ich auch wieder skeptisch und denke, daß das Buch für die nächsten Jahre wahrscheinlich unverkäuflich ist, sehe die bisherigen Bücher aber regelmäßig im Bücherschrank und fand sie auch schon in so mancher Flohmarktkiste.
Ob die Wiener dadurch mehr lesen, weiß ich nicht. Ich denke, das Lesen geht ohnehin zurück und wenn ich an die zwanzig Prozent sekundären Analphabeten denken, die unsere Schulen so verlassen, ist diese Aktion sicher löblich. Allerdings könnte einem auch die Zumutung stören, daß die Wiener so arm oder kulturell uninteressiert sind, daß sie sich ohne „echomedia“ keine Bücher leisten können oder wollen.
Sei es wie es sei, ich habe mir jedes der Bücher geholt, auch Toni Morrisons „Sehr blaue Augen“, obwohl ich das schon gelesen hatte und habe alle gelesen, auch Nick Hornbys „Fever Pitsch“, das aber sehr ungenau, da ich Fußball ja nicht so mag. Also wieder ein neues Buch, von dem ich nicht weiß, in welche meiner Leselisten ich es stellen soll, die von 2011 ist ja schon ziemlich voll und 2012 auch schon zur Hälfte verplant. Lesen werde ich es bestimmt, denn ein Nobelpreisträger interessiert mich ja. Und der war vorige Woche in Frankfurt, weshalb das Buch wahrscheinlich jetzt und nicht erst zur Buch Wien verteilt wird und hielt am Abend eine Lesung in der Fernwärme, ein große Konkurrenz zu den anderen literarischen Veranstaltungen und dort wird es wahrscheinlich auch sehr voll gewesen sein, da man sich ja gleich ein Autogramm holen konnte. In den letzten beiden Büchern, habe ich eines, denn die wurden ja in der Buch-Wien vorgestellt und bei „Fever Pitch“ war ich zwar bei der Lesung im Rathaus, aber da bin ich ganz vorne, wieder neben Peter Henisch gesessen und hatte kein Buch dabei und hinauszugehen, um mir eines zu holen, konnte ich nicht, denn dann wäre nicht mehr hinein gekommen. Bei Frederic Morton war ich vor zehn Jahre in der Volkshochschule Brigittenau, ob ich mir das Buch unterschreiben habe lassen, müßte ich erst nachsehen, aber diesmal hatte ich nicht vor mich bei der Fernwärme, einem der Sponsoren, zu drängen, sondern wollte eigentlich ins Amerlinghaus, wo die Anthologie „Weg-Kreuzungen“ vorgestellt wurde, wo Emily Walton einen Text hat. Dann habe ich aber ins Programm der Gesellschaft für Literatur geschaut und umdisponiert, denn da wurden zwei Bücher aus dem Haymon Verlag nämlich Irene Pruggers „Letzte Ausfahrt vor der Grenze“ und Wolfgang Hermanns „Die Augenblicke des Herrrn Faustini“ vorgestellt. Wolfgang Hermann habe ich zwar schon bei „Rund um die Burg“ aus seinem dritten „Faustini“-Roman lesen hören. Irene Pruggers „Letzte Ausfahrt vor der Grenze“ interessiert mich aber sehr, so habe ich umdisponiert und bin in die Herrengasse gegangen. Da war es dann sehr tröstlich fünf Minuten vor sieben zu erscheinen und auch nur eine Handvoll Zuhörer zufinden. Insgesamt habe ich, glaube ich, zehn Personen gezählt. Christl Greller, die auch eine eifrige Veranstaltungsbesucherin ist, war da. Helmuth A. Niederle hat eingeleitet und Wolfgang Hermann entschuldigt. Für ihn hat eine Burgschauspielerin gelesen, aber zuerst kam die 1959 geborene Tiroler Autorin an die Reihe und stellte ihren Geschichtenband vor. Sechzehn Erzählungen, die wenn ich Helmut A. Niederle richtig verstanden haben, von der Liebe und vom Tod handeln, aber alle Erzählungen tun das ja und so lobte er besonders die Pruggerische Sprache und erwähnte, daß die Geschichten an besonderen Orten, wie in einer Therapiestunde, in einem Thermalbad ect spielen. Irene Prugger las drei Geschichten an, die erste heißt „Die Therapiestunde“, da geht ein Paar in Paartherapie, weil es mehr Zeit für einander haben will, aber sonst ist es eigentlich ohnehin sehr glücklich und verliebt, was die Therapeutin, die selbst nicht so eine gute Beziehung hat, ein bißchen verwirrt, so daß sie nach den Drops auf ihren Tisch greifen muß und am Ende stellt sich noch heraus, das Paar ist zwar verheiratet, aber nicht miteinander.
„Welche Ehe wollen Sie retten?“
„Alle drei!“
Die zweite Geschichte war die, die in Thermalbad handelte, da schwimmt ein Aal im Naturbasin und die Männer trennen sich von den Frauen, jagen ihn, während sich die Frauen mit einem Oberstudienrat vergnügen, eine sehr erotische Geschichte und so blieb es auch, denn die letzte Erzählung handelt von vier Morden und den Messern, die die Geliebte, dem Geliebten, sich selbst oder seiner Frau ins Herz sticht.
Dann folgte die Burgschauspielerin mit dem „Herrn Faustini“, die ja auch bei einer Therapeutin, nämlich Angela Nußbächle, beginnt. Herr Faustini entdeckt bei sich einen Riß, fährt nach Dornbirn ins Therapeutenhaus und erzählt der Therapeutin so lange davon, bis die auf Urlaub fährt, worauf sie beschließt, daß er sich selber helfen muß. Er fährt dann auch auf Urlaub. Bei „Rund um die Burg“ hat Wolfgang Hermann die Stelle gelesen, wo er sich von einer Telefonistin die beste Zugsverbindung nach Edenkoben, den Ort, den er mit dem Finger auf der Landkarte gefunden hat, erklären läßt und am Bahnhof eine Frau mit einem wunderschönen Gang trifft. Die Schauspielerin hat von einem kleinen Mann mit roter Jacke, den Faustini in einem Supermarkt trifft, gelesen, der dort unglücklich herumsteht, weil es nichts zu essen gibt, weil ja alles vakuumverpackt und tiefgekühlt und dann noch eine Stelle, wo beide Lottospielen.
Es ist schon der dritte „Faustini“-Roman, den Wolfgang Hermann geschrieben hat. Und weil ich mich viel im Literaturbetrieb herumtreibe und mich früher auch um den Siemens Literaturpreis beworben habe, habe ich auch den Vorläufer Faustini kennengelernt, mit dem Wolfgang Hermann 2002 bei Siemens gewonnen hat.Dann ist „Herr Faustini verreist“ und „Herr Faustini und der Mann im Hund“ erschienen. Alles schrullige Geschichte um einen schrulligen Mann, mit einer sprachlichen Genauigkeit und einer großen Naivität erzählt, die eine köstliche Satire auf dieses Leben geben. Bei ein paar Wolfgang Hermann Lesungen bin ich schon gewesen.
Nachher gabs ein Glas Wein und eine interessante Diskussion, weil man in der kleinen Runde schnell ins Gespräch gekommen ist. Irene Prugger hat Christl Greller und mich von den GAV- Sitzungen erkannt und eine andere schreibende Dame gab es auch, die erzählte, daß sie zwar mehr an der französischen Literatur interessiert ist, aber viel Intimes vom Literaturbetrieb zu berichten wußte.
2011-10-18
„Sophie Hungers“ fast allein
Die Lesung, die ich im Cafe Amadeus am Montagabend hatte, ist irgendwie unter einem schlechten Stern gestanden. Obwohl so lange vorher habe ich noch nie eine Lesung angekündigt, habe ich sie doch am 2. September vor einem Jahr bei der Lesetheaterfestveranstaltung mit Christian Schreibmüller gemeinsam mit Elisabeth Chovanec ausgemacht, ich sollte, glaube ich, am 5. September lesen, sie im Oktober. Christian Schreibmüller sagte uns noch wir sollten jeder zwanzig Leute mitbringen, aber das bringe ich nicht zusammen, habe die Lesung aber im Literaturgeflüster verlautbart und Christian Schreibmüller die erforderlichen Unterlagen geschickt.
Geplant wurde eine Lesung aus der „Sophie Hungers“, die „Heimsuchung“ war zu diesem Zeitpunkt zwar schon erschienen. Aber wahrscheinlich habe ich Christian Schreibmüller dieses Buch gezeigt und er sagte mir noch, ich solle fünfzig Minuten daraus lesen, was mich wunderte, weil das sehr lang ist.
Vom Cafe Amadeus hatte ich, glaube ich, durch Cornelia Travnicek gehört, die vor etwa zwei Jahren dort gelesen hat und in ihrem Blog schrieb, daß die Lesebedingungen eher schwierig waren. Inzwischen bin ich einige Male daran vorbeigegangen und habe am 3. Dezember bei der Lockstoff-Veranstaltung im Museumsquartier Christian Schreibmüller wieder getroffen, der mir sagte, daß er den 5. September inzwischen an jemanden anderen vergeben hat, ich könne aber am 17. Oktober lesen.
Inzwischen hatte ich schon einen anderen Lesetermin für die „Sophie Hungers“, habe ich sie ja am 6. Dezember in der Alten Schmiede vorgestellt und das war eine sehr beeindruckende Lesung, habe ich da ja einen jungen Mann kennengelernt, der eine Rezension darüber geschrieben hat, Marinko Stefanovic war da, Ilse Kilic und noch einige andere.
Ganz sicher, ob der Lesetermin im Cafe Amadeus halten wird, war ich dann nicht, habe aber Christian Schreibmüller bei der Poet Night darauf angesprochen, der mir es bestätigte und in der „Buchkultur“ den Termin angekündigt gefunden. Im Internet war es schwer zu finden, inzwischen schickte mir Elisabeth Chovanec eine Einladung, daß sie am 24. Oktober liest und sagte mir, daß ich die Veranstaltung über den Verein „Klopfzeichen“, finden kann. Ich habe es gefunden, war etwas sicherer und auch angefangen Leute einzuladen, weil es ja so eine Grundangst gibt, vor keinen Zuhörern zu lesen oder zum Veranstaltungsort zu kommen und es findet gar nichts statt.
Das hat sich inzwischen zwar ein bißchen desensibiliert, ein ungutes Gefühl ist aber trotzdem geblieben, als ich mich für die Lesung vorbereitete. In der Alten Schmiede habe ich zwanzig Minuten, also die ersten drei Szenen gelesen und das habe ich auch 2009, als mich Franz Blaha in die Augustin Schreibwerkstatt eingeladen hat. Da war das Buch noch nicht erschienen, ist es ja erst 2010 herausgekommen. Im vorigen November bei der Frauenlesung, die die Liebe zum Thema hatte, hatte ich ein Stück von weiter hinten, die Szene, wo sich Valerie Oswald und Felix Baum in Bratislava näher kommen, ausgesucht, habe dann aber, glaube ich, noch ein zweites Stück gelesen. Jetzt habe ich gedacht, daß ich ja auch auf die „Absturzgefahr“ hinweisen könnte und wenn ich wirklich fünfzig Minuten lesen soll, geht sich ja beides aus.
Die ersten drei Szenen aus der „Sophie Hungers“ und die beiden die im bei den „Mittleren V“ gelesen habe. Habe je fünf Bücher eingepackt und bin nach sechs losmarschiert. Irgendwer hat mich vor einer Woche im Amerlinghaus gefragt, ob ich im Keller lese? Keine Ahnung, denn ich war noch nie im Cafe Amadeus und als ich es nach sieben betreten habe, war es ziemlich leer. So bin ich wie das die letzten Male beim Cafe Anno machte, noch ein bißchen herumspaziert. Ja richtig, Emily Walton hat vor zwei Wochen auch im Cafe Amadeus gelesen. Als ich dann zurückkam, war der Alfred da und ein Herr im Extrazimmer, der sich mir als Enrico Kuscher vom „Klopfzeichen“ vorstellte und mir sagte, daß Christian Schreibmüller erkrankt sei. Er zeigte mir auch, wo die Lesung stattfinden würde und die neue Anthologie des „Klopfzeichens“ „Existenz und Renitenz“ und wir warteten auf Zuhörer, die nicht kamen. Emily Walton erzählte er mir, hätte ein volles Haus gehabt, sich aber vielleicht ihre Zuhörer mitgenommen, was ich auch immer versuche. So erzählte ich ihm, daß ich einmal in den Neunzigerjahren, eingeladen von den IG Autoren in Innsbruck in einer Buchhandlung gelesen habe, da waren außer Helmuth Schönauer und Helmut Schiestl, die mich eingeladen haben, nur die Buchhändler da und als ich mit Uwe Bolius in der Alten Schmiede gelesen habe, waren zwar eine Handvoll Zuhörer da, aber das waren alle meine Freunde.
Nun gut, diesmal hat es nicht geklappt und es muß auch nicht immer sein, daß man sich seine Freunde mitnimmt, um Lesepublikum zu haben. Es kommt auch nicht immer gut an, so ist zum Beispiel, die Beziehung mit meiner Freundin Elfi daran zerbrochen, daß sie das nicht wollte. So habe ich Herrn Kuscher und Alfred die ersten zwei Szenen aus der „Sophie Hungers“ vorgelesen und mit Herrn Kuscher über die Psychologie und den Literaturbetrieb diskutiert, der sich darin auszukennen schien und nicht nur Hilde Spiel und Friedrich Torberg, sondern auch Hans Strotzka zu seinen Freunden zählte.
Eine sonderbare Erfahrung vor dem Veranstalter und seinem Mann, der die Fotos für das Literaturgeflüster machte, zu lesen, die ein bißchen depressiv machen und auch zum Jammern bringen kann, hatte ich ja eine Diskussion mit JuSophie, die meinte, daß ich das nicht immer soll.
Das Leben einer erfolgsfreien Autorin ist nicht so lustig und vielleicht sollte man auch nur an Orten lesen, wo man sich seiner Zuhörer sicher ist, auch wenn man sie nicht hinschleppt, was soll ich aber machen, ich lese nun einmal gern?
2011-10-17
Buchmessen-Surfing
Schön langsam komme ich aus Frankfurt zurück, wo ich mich die letzten Tage sehr intensiv aufgehalten habe. Mit dem blauen oder auch andersfarbigen Bus bin ich nicht dorthin gefahren, habe nicht in einem Zelt geschlafen und auch nicht in einem Hotel in Mainz oder Wiesbaden, wie ich das 2000 oder 2002 so machte. Bin auch nicht durch die Hallen herumgelaufen und zu Mittag meine vollen Büchersäcke beim Stand der IG-Autoren abgestellt, sondern mich ganz einfach und bequem, das Netz machts möglich mit meinen beiden Computern ins Wohn-Schlaf- oder auch ins Praxiszimmer gesetzt, am Abend in die Alte Schmiede gegangen, zwei Bücher von meiner hundert Bücher Liste gelesen, das Vorwort und zwei Jurybegründungen für den „Ohrenschmaus“ abgeschickt und trotzdem sehr viel mitbekommen.
Was schon Montagabend begann, als ich von der Haderlap-Lesung aus der Alten Schmiede kam. Denn vorher hatte ich den Namen Eugen Ruge nicht sehr oft gehört und auch nicht gewußt, daß er auch den Aspekte-Literaturpreis, der ebenfalls auf der Frankfurter Buchmesse vergeben wird, bekommen hat.
Am Mittwoch wurde mit dem Preisträger das blaue Sofa eröffnet, das habe ich durch meine zehn Uhr Stunde zwar ein bißchen versäumt und die offizielle Eröffnung am Dienstag auch, daß das Gastland Island ist, wußte ich aber und darüber habe ich schon berichtet. Der Hauptverband des Buchhandels hat auf seiner Seite das Bild von der offiziellen Standeröffnung und ladet auch immer zu einem Empfang ein. Das Glas Wein muß ich alleine trinken, aber mit dem blauen Sofa kommt man sehr weit, auch wenn dort nur die Prominenten sitzen. Es ist aber auch sehr interessant, zu sehen, wer darunter fällt. Die Messestars sind aber gar nicht dort zu finden, die sieht man wahrscheinlich wirklich nur auf den kleinen Filmchen, die es diesmal auf ARD zu sehen gibt. Denn da gibt es ein Buch einer Daniela Katzenberger, die wirklich, wie die Barbie aussieht. Blonde Haare, stark gefärbte Lippen und Riesenwimpern, die dann noch freundlich sagt, daß sie sich über den Zustrom ihrer Fans sehr freut, obwohl sie sich nicht so viel Mühe mit dem Schreiben, wie die anderen Autoren gibt und den Nobelpreisträger von 2010, habe ich auch nur auf dem anderen blauen Sofa, dem mehr barock aussehenden mit den geschwungenen Holzbeinen gesehen, das Wolfgang Herles ins Hotel Steigenberger Hof transportieren ließ und sich mit Mario Vargas Llosa vor die Bar setzte. Denn da gab es Donnertagnacht eine Buchmessensondersendung, die ich mir Freitags ansah und die ich diesmal sehr gut fand. Da gab es auch einen Messerundgang und der war ebenfalls sehr interessant, denn ein Buchmessenthema ist ja der Kampf um das gedruckte Buch und da scheint sich jetzt wirklich was zu ändern. Zwar sagen die Besucher, wenn man sie fragt, noch immer, beim Lesen muß ich das Buch riechen und angreifen können, aber die Blogger steigen, wie man auch bei libromanie beobachten kann, langsam auf den Kindle um. Das Literaturcafe.de hat einen Ratgeber veröffentlicht, wie man seine Bücher selbst zu einem E-Buch machen kann und da wurde berichtet, daß das inzwischen wirklich immer mehr Leute selber tun, ganz egal, ob sie einen Verlag finden oder nicht und das war ein wenig Trost auf meine Mühlen, denn dann bin ich vielleicht gar nicht so abseitig. Ich habe das zwar schon 2010 mit meinen Lesern diskutiert, mich aber sehr allein gefühlt. In Frankfurt sieht man das aber offensichtlich schon etwas anders, als bei uns die IG-Autoren. Die wahren Bestseller sind auch in Frankfurt anders und die Bücher der Buchpreisträger werden wahrscheinlich auch nicht am meisten gelesen, sondern Comics und Fantasyliteratur und da strömen auch in Frankfurt, die Verkleideten am Wochenende auf die Messe, wo sie dort die normalen Besucher hineinlassen. Die beiden Male als wir dort waren, sind wir am Wochenende nach Backnang zu Alfreds Tante Edith gefahren, die inzwischen schon gestorben ist und es gibt auch in Frankfurt so etwas, wie eine Büchernacht und Lesungsveranstaltungen und da gab es einen kleinen Film, wo zwei Deutschlehrerinnen erklärten, daß sie nur dorthin und nicht auf die Buchmesse gehen, weil ihnen die zu kompliziert ist. Dafür konnte ich auf Andrea Stifts Blog erfahren, daß sie am Freitag mit Valerie Fritsch sehr früh aufgestanden und nach Frankfurt geflogen ist. Dorthin hat sie das Land Steiermark eingeladen, sie hat ihren Fanclub, darunter Andreas Unterweger und Linda Stift mitgenommen und um halb vier glesen. Vorher tat das Ruth Aspöck aus ihrer Blindschleiche. Andrea Stifts Geschichte habe ich leider fast versäumt, weil dazwischen Franz Joseph Huainigg angerufen hat und mit mir über „Mimis Bücher“ und den „Ohrenschmaus“ diskutierte. So kann es gehen. Auf der realen Messe wird man wahrscheinlich aber auch abgelenkt. Gibt es da ja die Messezelte im Hof und da stellte der über siebzigjährige Sänger Rene Kollo seinen Kriminalroman singend vor, was Wolfgang Herles sehr bedauerte. Aber der hat auch einen Roman geschrieben, der noch dazu „Die Dirigentin“ heißt und der wurde am blauen Sofa vorgestellt.
Der und die DDR-Literatur, denn es haben auch heuer wieder sehr viele ehemalige DDR Autoren ein Buch über die ehemalige DDR geschrieben und einge davon standen auch auf der langen oder kurzen Liste. Angelika Küssendorfs „Das Mädchen“ z.B, aber auch Judith Scharlanskys „Der Hals der Giraffe“ oder Antje Ravic Strubels „Sturz der Tage in die Nacht“.
Sie alle saßen auf dem blauen Sofa, wo auch der Stargast Charlotte Roche mit ihren „Schoßgebeten“ war und das Leben erklärte. Sie hatte, um wohl den medialen Auftritt zu unterstreichen, eine Art Ledergürtel über ihre Kleidung geschlungen, während Vera von Lehndorf, offenbar besser bekannt als „Veruschka“, die ihre Autobiografie vorstellte, eine Art Helm mit Gesichtsvisier trug, um sich vor der Öffentlichkeit zu schützen. Und die scheint nicht nur eine interessante Frau und ehemaliges Starmodel zu sein, sondern wuchs offenbar auch in dem Schloß in Steinort auf, wo wir im Sommer waren. Den Buch und Aspektepreisträger habe ich einige Mal gehört und mich auch ein bißchen über den arabischen Schwerpunkt informiert. Denn der arabische Frühling ist ja auch ein Schwerpunkt. Darüber wurden einige Bücher geschrieben und der Friedenspreis, auch ein berühmter Messepreis, der immer am Sonntag in der Paulskirche vergeben wird, ergeht heuer an den algerischen Autor Boualem Sansal, dessen erstes Erfolgsbuch „Postlagernd Algier“ von Ilija Trojanow vorgestellt wurde.
Österreicher gibt es auch auf der Messe. Wenn sie berühmt genugt sind, dürfen sie sich aufs blaue Sofa oder zu 3Sat setzen, wie Josef Haslinger, Marlene Streeruwitz, Thomas Glavinic, Sabine Gruber oder Ilija Trojanow. Maya Haderlap war am Samstag bei 3 Sat und Eva Rossmann, glaube ich, wieder bei den IG-Autoren. Etwas hat mir wieder nicht gefallen und zwar Sibylle Lewitscharoffs Bemerkung, deren preisgekrönter Roman „Blumenberg“ hochgelobt wird, daß sie für Selbstmörder nur Verachtung hat. Das sollte man vielleicht nicht so stehen lassen, denke ich. Auf der Buchmesse ist aber wahrscheinlich wenig Zeit zum Innehalten. Man hetzt von Veranstaltung zu Veranstaltung und hoffnungsvolle Autoren, die immer noch mit ihren Büchern dort herumlaufen, bekommen schon mal vorgedruckte Zetteln in die Hand, daß sie ein Expose einreichen sollen. Es gibt aber auch den Island-Pavillon über den ich schon berichtet habe, in dem man sich bei Kaffee und vielleicht auch Kuchen mit einem Buch hinsetzen kann und nächstes Jahr wird Neuseeland Gastland sein.
Und als ich mich als alles vorbei, am Sonntag schließt die Buchmesse um fünf und die letzten ARD Filmchen angsehen hatte, mit Alfred ins Chattanooga am Graben, dem ehemaligen Tanzlokal, das sich jetzt in ein Bierlokal umwandelte und daher an die Haushalte Gutscheine für gratis Spareribs und gratis Bier verschickte, ging, haben wir in dem Keller mit den schönen Wandmalereien, die so gar nicht zu einem Bierlokal passt, Ruth Aspöck mit ihrem Sohn und Enkeltochter, sowie Robert Eglhofer getroffen, die mir gleich noch etwas von Frankfurt erzählen konnte.
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2011-10-16
Die Nacht, die Lichter
Jetzt habe ich wieder einen Erzählband gelesen, obwohl ich Clemens Meyers „Die Nacht, die Lichter“, ein Buch aus dem Flohmarkt von Alfreds bibliophiler WU-Kollegin, für einen Roman gehalten habe. Stories steht aber schon am Einband und sie sind auch sehr zu empfehlen, stark und ungewöhnlich realistisch und auch der Lebenslauf des 1977 in Halle an der Saale geborenen Clemens Meyer, der in Leipzig lebt und mit „Die Nacht, die Lichter“,, 2008 den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen hat, ist ungewöhnlich, ist er doch der Sohn eines Krankenpflegers und stieß durch die Bibliothek seines Vaters auf Bücher, nach dem Abitur jobbte er als Bauarbeiter, von 1998 bis 2003 studierte er am deutschen Literaturinstiut in Leipzig und finanzierte sich sein Studium als Wachmann, Möbelpacker und Gabelstaplerfahrer, es gab einen Aufenthalt in der Jugendarrestanstalt Zaithain und das sind auch die Milieus in denen die Stories spielen.
Handeln sie doch von Arbeitslosen, alten Männern in einsamen Dörfern und anderen Heruntergekommenen , aber auch vom kleinen Glück der Ausgeschlossenen und Übergebliebenen, von denen preisgekrönte Romane und Erzählungen sehr selten erzählen. Ich habe den Namen Meyer und eine Beschreibung des Buchs, glaube ich, nach der Verkündung des Buchmessenpreises gehört, da erschienen mir die Themen zu brutal und aggressiv. Jetzt hat mich die realistische Schilderung sehr beeindruckt und sprachlich genügend abgehoben sind sie natürlich auch, sonst hätte man ihm nicht im Leipziger Literatur Institut aufgenommen, den Buchpreis und noch einige andere Preise gegeben.
Noch etwas ist vielleicht ungewöhnlich, die Geschichten spielen in Leipzig oder sonst wo in Ostdeutschland und handeln nach der Wende, wo die übergebliebenen Arbeitslosen aufs Arbeitsamt gehen, ihre ebenfalls arbeitslosen Mütter besuchen und ihnen Geld in die Tasche stecken wollen und dann drei Briefe aus dem Postkasten nehmen, einem vom Arbeitsamt, eine Absage auf eine Bewerbung und einen aus Cuba, der vom alten Freund Wolfgang kommt, der in Cuba sein Glück machte und Frank davon schreibt.
In „Die Flinte, die Laterne und Mary Monroe“, rennt ein Mann mit einer Flinte in seiner Wohnung herum und spricht mit seiner Frau, die ihm Bett liegt und wie Mary Monroe ausschauen soll, nach und nach erkennt man, daß sie tot ist und er sie ermordet hat.
Sehr beeindruckend die Geschichte „Von Hunden und Pferden“, da ist auch ein Arbeitsloser, Geschiedener oder anderer Einsamer, der nichts hat als seinen Hund, den er zum Tierarzt bringt, weil er hinkt und den er durch eine Operationen retten kann, wenn er dafür dreitausend Mark aufbringt. Die borgt ihm niemand, so kommt er auf die Idee, sie sich durch Pferdewetten zu verdienen, er gewinnt auch, nur als er in seiner Freude mit dem Geld nach Hause will, bemerkt er nicht, daß ihm drei Gestalten folgen…
„Ich bin noch da“, hat mich vielleicht noch stärker beeindruckt und auch persönlich betroffen, obwohl sie von einem schwarzen Boxer handelt, der die Zahlen 18 – 32 -3 hat, das heißt achtzehn Siege, zweiunddreißig Niederlagen und drei Unentschieden, weil er, obwohl er sich sehr bemüht, immer nur für Kämpfe engagiert wird, wo klar ist, daß er verlieren wird. Er stammt aus Rotterdam hat dort eine Frau und ein Kind und will ein kleines Boxstudio errichten, so kommt er nach Deutschland und gewinnt, obwohl er das offenbar nicht soll, mit dem Geld muß er sich dann vor einigen Angreifern verteidigen, darunter sind auch ein paar Neo Nazis, denen seine Hautfarbe nicht gefällt, am Schluß schaut er noch ein bißchen lädierter aus, fährt aber mit 19 Siegen zum Bahnhof.
Eine Geschichte, die, „Die Nacht, die Lichter“ heißt, gibt es auch, aber die Lichter der Nacht spielen eigentlich in dem ganzen Buch eine Rolle, wie auch die jungen Männer, die wegen irgendetwas im Knast landen, dann ihre Begegnungen mit Schwulen und mit anderen Typen haben und ihren Töchtern das ersparte Geld in die Freiheit bringen.
„Das kurze und glückliche Leben des Johannes Vettermanns“, ist ebenfalls sehr beeindruckend, obwohl es in der letzten Etage eines Leipziger Luxushotels spielt, Johannes Vettermann ist der Sohn eines Gemüsehändlers der durch die Wende zuerst aufstieg, dann wieder abstürzte nachdem die Vietnamesen den Obst- und Gemüsehandel übernahmen, er hat auch als Maler und Kunsthändler Karriere gemacht, dann ist er dem Rauschgift verfallen und sich zwei schicke Damen in seine Hotelsuite bestellt, damit sie ihm den letzten Schuß setzen.
Ebenso beeindruckend die Geschichte des Weinvertreters, der sich plötzlich mit billigen Fusel in einem Zug wiederfindet, nicht weiß, wie er dorthin gekommen ist, dort die Bekanntschaft eines Zeugen Jehovas macht, der ihn zu Gott bekehren will und nach und nach erkennt er, daß er offenbar Fahrerflucht begangen hat.
Starke Worte, ungewöhnliche Themen , schräge Geschichten, es wird schon viel geschlagen, gesoffen und gekifft dabei, es kommt aber immer auch immer wieder zu den starken Momenten des kleines Glücks, etwa in der Boxergeschichte, obwohl die „Des alten Mannes der seine Tiere begräbt“, mit der das Buch endet, nur beeindruckend depressiv ist, ist dem alten Mann doch seine Frau schon vor Jahren weggestorben, jetzt ist er der einzige Gast der Wirtin und Friseurin des Dorfes, die Geschäfte haben schon längst geschlossen, er hat nur mehr einen Hund, seine Hühner hat er schon begraben, als er sich mit Schnaps betrinkt und sich vom letzten Freund die Pistole ausborgt, um den alten Hund zu erschießen. Man ahnt, daß er dabei zwei Kugeln brauchen wird und hat sehr viel von der Tristesse des ostdeutschen Lebens und der Einsamkeit seiner alten und auch jungen Menschen gelernt.
„Meyer weiß wovon er schreibt“, schreibt die Welt am Sonntag und ich habe in Wikipedia gelesen, daß die „Die Nacht, die Lichter“ 2010 szenisch uraufgeführt wurden.
2010 habe ich ihn, glaube ich, auch auf der Leipziger Buchmesse erlebt, als er da wahrscheinlich sein drittes Buch präsentierte, heuer habe ich seinen Leipziger Buchmessenblog in meinem Wohnzimmer sehr intensiv verfolgt.
2011-10-15
Sagenhaftes Island
Island ist das Gastland der heurigen Buchmesse in Frankfurt und soweit ich das beurteilen kann, wird das ein bißchen stärker präsentiert, als es vor einem Jahr Argentinien und vor zwei Jahren bei China war. Vielleicht hängt das mit dem Land zusammen, das ein bißchen exotisch ist und sowohl eine starke Naturgewalt, als auch seine Sagas und eine Sprache hat, die sich seit dem Mittelalter nicht sehr verändert hat.
„Wenn es das Wetter erlaubt, kommen wir wieder zusammen!“, sollen sie Isländer, habe ich gehört, sagen und sich über die Vulkanausbrüche nicht sehr aufregen und weil sie von der Natur so sehr abhängig sind, ziehen sie sich auf das Lesen und das Schreiben zurück. Ein kleines Land in dem es sehr viele Verlage gibt, wo die Leute viel lesen und auch selber schreiben, jeder Prominente hat seine eigene Biografie und außerdem sollen die Leute an Feen, Hexen und Trolle glauben, bzw. an Elfen und wo die wohnen, wird dann die Straße herumgebaut.
Das gehört vielleicht zum Klischee, ich weiß es nicht, war ich ja noch nicht in Island, weiß nur, daß Herr Lindner in seine kleine Galerie in der Schmalzofgasse vor Jahren ein paar isländische Künstler eingeladen hat, mit denen ich mich nach der Vernisage unterhielt und als ich mit dem Alfred vorigen Sonntag auf der Rudolfshöhe war, sind wir mit drei Leuten an einem Tisch gesessen, wo mir die Tochter, eine Bankerin, ihr Handy mit Aufnahmen aus Island und den Naturschönheiten, die es dort gibt, entgegengehalten hat und die waren tatsächlich sagenhaft.
Sonst weiß ich nicht viel über Island, seit ein paar Wochen hört man aber im Radio darüber, hatte Ö1 ja einen Island Schwerpunkt und im Literaturhaus bin ich vorige Woche auch gewesen, das war aber eine Veranstaltung der Exilbibliothek und als Viktor Urbanic mit seiner Frau und seinen Kindern nach Island kam, soll es dort noch kaum Straßen und keine Autos gegeben haben, inzwischen ist Island zu einem der reichsten Länder aufgestiegen und 2008 durch den Bankencrash wieder hinuntergefallen und heuer ist es Gastland in Frankfurt und dafür wurden zweihundert Bücher, glaube ich, übersetzt und es gibt auf der Messe einen Islandpavillon und dafür wurden die Isländer aufgerufen sich vor ihren Bibliotheken zu fotografieren und das Bild auf facebook zu stellen, dreißig Portraits wurden für die Messe ausgewählt und so kann man in dem Pavillon unter den Bildern von lesenden Menschen herumgehen, Kaffee trinken und wahrscheinlich auch mit isländischen Autoren sprechen.
Ich war ja zweimal auf der Frankfurter Buchmesse 2000 und 2002, da war einmal Polen und das andere Mal Litauen das Gastland, da kann ich mich noch sehr genau an die Pavillons erinnern. Ich glaube, es gab dort Gratiskaffee, den ich mir auch immer holte, von 2000 habe ich noch viele Portraithefte polnischer Autoren und ein T-Shirt mit einem wilden Kopf, wo ich mir übersetzten ließ, daß „Willkommen in Breslau“ oder so, darunter steht, im Litauen-Pavillon gab es Teesackerln zur freien Entnahme, heuer werden in Frankfurt die Bücher der isländischen Autoren zu finden sein und darüber weiß ich nicht sehr viel.
Gar nichts eigentlich, außer den Namen Halldor Laxness und der Tatsache, daß der 1955 den Nobelpreis bekommen hat und da konnte ich mir vorstellen, daß ich was von ihm mit der Bibliothek meiner Eltern erbte, was aber nicht zu stimmen scheint.
Ex Libris hat in den letzten Wochen ein bißchen Nachhilfeunterricht gegeben und so hatte ich ein paar der unaussprechlichen und schwer zu merkenden Namen gehört und ein Prospekt habe ich in einer Buchhandlung, als ich beim Tag der offenen Tür im Writersstudio war, auch gefunden, inzwischen aber wieder weggelegt und dann lagen auch im Literaturhaus vor einer Woche einige Bücher auf und da ich seit Mittwoch ziemlich intensiv das blaue Sofa in Frankfurt verfolge, das jeden Tag eine isländische Autorin oder einen Autor bringt, verfolge, hat sich mir der Name Kristof Magnusson eingeprägt. Das ist zwar ein deutscher Autor, er hat aber eine „Gebrauchsanweisung für Island“ geschrieben und die habe ich, glaube ich, im Literaturhaus durchblättert und, daß Island ein Land mit sehr bedeutenden Krimiautoren ist, habe ich inzwischen auch erfahren. Ich habe zwar noch keinen gelesen, gestern war aber Arnaldur Indriöason auf dem blauen Sofa und der hat mehrere solche geschrieben und dann gibt es Frau, nämlich Kristin Steinsdottir, die mit dem Roman „Im Schatten des Vogels“ ein Stück isländischer Geschichte aufdeckte, wo die Leute am Land ihre Verwandten mit psychischen Problemen einfach in Kisten steckten, weil ein Psychiater zu teuer war oder als Schande galt. Heute saß am Sofa Steinunn Siguröardottir, die in Frankreich und jetzt in Berlin lebt und mit „Der gute Liebhaber“, einen Roman von einem Muttersöhnchen geschrieben hat, der sich plötzlich im Bett mit einer Psychoanalytikerin befindet, die ihn aufblättert.
Der Bankencrash scheint bei den jüngeren Autoren auch eine Rolle zu spielen, so gibt es einen Roman, der „Eine Frau“ oder so ähnlich heißt und von einer solchen handelt, die von einem Banker in ein tolles Apartement eingeladen wird und dann entdeckt, daß sie von dort nicht mehr herauskann. Leider habe ich den Namen Autor vergessen, es gibt aber noch einen anderen Roman, der im Radio vorgestellt wurde, nämlich Hallgrimur Helgasons „Eine Frau bei 1000 Grad“, der von einer alten Kämpferin handelt, die sich mit einer Grantate in einer Garage eingeschlossen hat.
Ob ich das alles jemals lesen werde, weiß ich nicht, bin aber, als ich in meinem Bibliothekskatalog blätterte, darauf gekommen, daß ich doch einen Roman von Halldor Laxness habe, nämlich „Atomstrom“, wofür er, glaube ich, auch den Nobelpreis bekommen habe, in der schönen alten rororo Taschenbuchausgabe, die ich ja ein bißchen sammle und das ist ein Buch aus dem offenen Bücherschrank, bei dem es eine Neuerung gibt, nämlich einen Zettel, an die Benützer, daß sie sich, weils dort letzter Zeit öfter leer war, nicht so gierig bedienen, sondern überlegen, ob sie schon alle Bücher gelesen haben, die sie dort entnahmen. Das betrifft mich nun ein bißchen, habe ich ja noch einige Ungelesene auf meiner Leseliste stehen, aber vor „Atomstrom“ entweder 2011 oder im nächsten Jahr einzuplanen. Da hinke ich mit meinen Leselisten ja ein bißchen nach, habe ich mir ja vor drei Jahren, als die Türkei Gastland war und ich den Besitz von Yasar Kemals „Granatapfelbaum“ bei mir entdeckte, vorgenommen, das Buch zu lesen und es noch immer nicht getan und auch das Buch von Borges, das mir der Martin einmal zum Geburtstag schenkte, herausnahm, habe ich wieder in das Regal zurückgelegt. Jetzt liegt „Atomstrom“ auf der Falter Bücherherbst Beilage am Wohnzimmertisch, bei dem ich in den letzten Tagen öfter mit dem Laptop saß und nach Frankfurt surfte und stimmt mich optisch in das sagenhafte Island ein, in dem die Leute lesen, Bücher schreiben und eine wunderbare Landschaft haben, in die man vielleicht einmal fahren sollte, aber noch habe ich einen Tag zum Buchmessensurfen und da, habe ich gesehen, treten auch noch ein paar isländische Autoren auf.
2011-10-14
Leonardos Hände
„Wenn einer stirbt, heißt das hier, der kauft nicht mehr ein“, lautet der erste Satz von Alois Hotschnigs 1992, erschienenen Roman „Leonardos Hände“, der, wie auf der ersten Seite steht, von einem zweiunddreißigjährigen Techniker handelt, der einen tödlichen Unfall verursacht, Fahrerflucht begeht und daraufhin sein Leben ändert, Rettungsfahrer wird, um ohne aufzufallen in die Nähe seines Opfers, der Kunstgeschichtestudentin Anna Kainz zu gelangen, die seither im Koma liegt.
„Dafür eine eigene Sprache zu finden und mit diesen Motiven einen Roman zu gestalten, dessen Handlung nicht nur spannend, sondern dessen schwierige Figuren auch psychologisch überzeugend sind, das ist eine Leistung, mit der sich Alois Hotschnig in die vorderste Reihe der deutschsprachigen Autoren geschrieben hat“, meint Werner Fuld in der Frankfurter Zeitung.
Mit dieser Information wird man in den hundertzweiundsiebzig Seiten Roman gestoßen, der zuerst ganz anders beginnen. Da spielen sich auf den ersten Seiten die Gespräche und die Erlebnisse des Rettungsfahrers mit den alten Leuten ab, die er in die Spitäler und Ambulanzen bringen soll, ihre Erzählungen über den Krieg, ihre Beschwerden und auch die Erlebnisse mit den alten Damen, die ihm auf einmal an die Hose greifen und weil Alois Hotschnig einmal Medizin studierte, wird das auch sehr genau und präzis beschrieben, daß man glauben könnte, man befände sich in dem Stück „Sibirien“ von Felix Mitterer mit Fritz Muliar.
Nach und nach erfährt man, was schon auf der ersten Seite verraten wurde. Da war der Unfall, nach dem Kurt Weyrath sein Leben total änderte, den Beruf und seine Erfindung aufgab, die Freundin verließ, in ein Hotel zog, des Nachts an der Innbrücke, wo der Unfall passierte, herumspaziert, zum Spezialisten für Unfälle wird und auch einmal durch besonderes Bemühen ein Menschenleben rettet.
Er fühlt sich auch verfolgt, ist nicht sicher einen Mitwisser zu haben, entdeckt unter den anderen Rettungsfahrern auch Schicksalsgenossen, denen etwas Ähnliches passiert sein könnte und beginnt mit dem Unfallsopfer zu kommunizieren, bis er Anna in einem Heim entdeckt, wo die Komapatienten ausgelagert werden und in der Zeitung davon liest, daß es einem Professor gelungen ist, sie wieder ins Leben zurückzuholen. Kurt Weyrath wird an ihr Bett gerufen, das er nicht mehr verläßt, sondern trotz Konflikte mit den Schwestern, sich zu Anna setzt, ihr aus Büchern der Kunstgeschichte vorliest und sie so nach und nach wirklich ins Lebens zurückbringt.
In eindrucksvollen Monologen, Zwiegesprächen und einer sehr poetischen Sprache, wird diese Geschichte, vielleicht nicht immer ganz verständlich erzählt. Er bekommt Schwierigkeiten auf seinem Arbeitsplatz, läßt sich kündigen, um bei Anna zu sein, die inzwischen schon gehen kann, aber nicht sprechen will. Das hat natürlich auch eine psychologische Dimension, denn wie wird es Anna gehen, wenn sie erfährt, daß er der Mörder ihrer Eltern ist, eine interessante Frage, wie ein solcher Roman enden kann, ohne kitschig zu werden oder die Mißrauchsgrenzen zu verletzten?
Alois Hotschnig wählt einen anderen Weg, wechselt noch einmal die Romanstruktur und macht aus dem Liebesroman einen Drogenkrimi, denn für die, die sich fragen, wieso das Ganze „Leonardos Hände“ heißt?
Anna hat, bevor sie ins Koma gefahren wurde, in Rom und Venedig, die Werke von Michelangelo und Leonardo da Vinci studiert und ist dabei einem Pharmaziestudenten in die Hände gefallen, der sie süchtig machte. Also so Hotschnigs Schluß, bzw. das was Anna ihrem Kurt erzählt, ist Kurt nicht Schuld an ihrem Unfall.
Anna ist jedenfalls wieder gesund geworden und fühlt sich verfolgt, erzählt Kurt die Geschichte von Leonardos Hände und Peter Röhrler und balanziert mit ihm Nächtens auf der Innbrücke, wo es ein Gitter gibt, damit die Selbstmörder nicht springen können. Trotzdem wird der Drogenkurier dort tot aufgefunden, Anna ist verschwunden, Kurt wird des Mordes verdächtigt, was der Kriminalkommissar, in die Zeitung setzten läßt damit Anna zurückkommen kann, worauf sie auch verdächtigt wird, an der Geschichte beteiligt zu sein.
„Ich lasse mich nicht mehr begraben, wofür auch. Für dich? Ich hole mich hier wieder heraus. Ich hole uns hier wieder heraus. Und vielleicht, ich bin nicht sicher, sagen wir so, fängt es dadurch mit uns an.“, lauten die letzten Sätze. Der letzte heißt „Aber das stimmt nicht.“ Dem Buch ist noch als Motto „Es ist alles erfunden“, vorangestellt.
Alois Hotschnig wurden, wie schon beschrieben, von der FAZ große literarische Qualitäten bescheinigt, Andreas Breitenstein von der Neuen Zürcher Zeitung, nennt es Auferstehungs- und Erlösungsgeschichte, Milieustudie, Kritik pervertierter familiärer Machtverhältnisse, u.u.“
Vielleicht wurde in die hundertziebzig Seiten ein bißchen zuviel hineingepackt.
Mich hat der Sprung von der psychologisch realen Situation, was ist, wenn mir wirklich so etwas passiert, in die natürlich kitschige Rettungsgeschichte mit der Lösung dann noch einen Kriminalroman daraus zu machen, mit einem gewissen Unbehagen zurückgelassen. Aber vielleicht passiert das alles auch nur in seinem Kopf?
Alois Hotschnig wurde 1959 geboren, hat viele Preise gewonnen, seinen Namen kenne ich, durch den Preis des Landes Kärnten beim Bachmannpreis, den er 1992 gewonnen hat, vom Erich Fried Preis 2008 habe ich sicher geschrieben und während ich auf das Lesen des Buches, das schon lange auf meiner Liste stand, gewartet habe, ist er auch noch der erste Gert Jonke Preisträger geworden.
Den Erzählband „Die Kinder beruhigte das nicht“, habe ich einmal bei „Rund um die Burg“ gewonnen, als die „Buchkultur“ noch Gewinnspiele hatte, aber nicht gelesen, weil ich Erzählbände nicht so mag und auf diversen Lesungen, zum Beispiel auf der Buch-Wien 2009 aus „Im Sitzen läuft es sich besser davon“, habe ich ihn auch gehört.
2011-10-13
Alltag, Stimmung, Sphären
Wieder einmal Textvorstellungen moderiert von Angelika Reitzer in der Alten Schmiede, wo sie wieder drei starke jüngere Frauenstimmen, geboren 1967, 1980 und 1985 vorstellte. Ich verfolge die Angelika Reitzer Veranstaltungen schon von Anfang an und war auch bei fast allen, so daß ich Valerie Fritsch durch sie kennenlernte, Sandra Gugic weiterverfolgen konnte, etc.
Jetzt habe ich zwei neue Autorinnen kennengelernt, da ich Nadine Kegele schon beim letzten Volksstimmefest hörte und die Veranstaltung sozusagen als Abwechslung zum intensiven Buchmessensurfen, das ich dieser Tage intensiv betreibe, betrachtet.
Christl Greller habe ich gleich beim Eingang gesehen, ansonsten vorwiegend junge Leute, die glaube ich, hauptsächlich aus dem Bekanntenkreis Nadine Kegeles stammten, die ihnen die Stränge aus dem Romanprojekt, aus dem sie zu lesen plante, erklärte.
Angelika Reitzer begann mit einem Zitat von Wilhelm Genazino zu Kleidern und erklärte, daß das auch sehr gut zu den Texten der drei Frauen passen würden, die sie alle durch eine Publikation in der Rampe, die sie gemeinsam hatten, kennenlernte.
Begonnen hat die Älteste der drei, die 1967 in Linz geborene Wirtstochter Karin Peschka, mit drei Texten von denen der erste „Fräulein Luise oder der kleine Lärm“ von der Geruchsbelästigung durch eine Sandlerin handelte, die sich in einem aufgelassenen Ein Euro Shop auf Gratiszeitungen mit ihren Billasackerln ausbreitete und dabei den Tetrapack Wein verkonsumierte.
Sehr poetisch eine Sandlerin „Fräulein Luise“ zu nennen. Das war auch der ganze Text und der zweite mit dem Titel „Donauwalzer“, aus einem Zyklus, wo zwei Frauen miteinander tanzen, während sich ihre Männer über ihren Hintern unterhielten.
Der dritte war noch ungewöhnlicher in unserer Zeit, wo man konkret, poetisch oder höchstens realistisch aber auf gar keinen Fall „altmodisch“ schreiben darf. War doch die Familiengeschichte des Mariechens, das mit seinen Käfern spielt, bei der Mutter Bindfaden aus dem Mund kommen sieht und den Tod schließlich aus dem Zimmer der Großmutter vertreibt, sehr märchenhaft.
Oder war es doch die magische Phase des Kindes? Karin Peschka hat, wie sie sagte, auch als Sozialarbeiterin gearbeitet, daher sind ihr alle Schichten vertraut, die Großmutter, die sich zum Sterben aber ein Kreuz mit schwarzen Hühnerfedern wünscht, hat offenbar ihre magischen Gaben an die Enkeltochter weitergegeben, während sich die Mutter ausgeschlossen fühlt und zwar „Vater“ zum Großvater sagt, von diesem aber nur mit „Hey du!“ angesprochen wird.
Interessant und ungewöhnlich und sehr poetisch, dann kam die 1980 in Vorarlberg geborene Nadine Kegele, die ich wie schon beschrieben, beim letzten Volksstimmefest hörte, die im Literaturinstitut in Leipzig aufgenommen wurde und nun aus einem sehr neuen Romanprojekt las, das sie für ein Stipendium einreichte, das wie sie meinte, aber noch sehr unfertig sei und das war ein rasanter Reigen von Beziehungen, die durch das Leben rasten, ein Michael, ein Alex, ein Gregor, eine Caro und noch ein paar andere kamen vor.
Nachher wurde diskutiert, ob das als Episodenroman zu verstehen sei und es eine Handlung gibt? Angelika Reitzer erwähnte noch etwas von Sprichwörtern, die sie in den Texten gefunden hätte.
Die dritte Leserin, die 1985 ebenfalls in Linz geborene, Marianne Jungmaier, auch eine unter Dreißig, die Film studierte und die Leondinger Akademie des Schreibens absolvierte, überraschte ebenfalls mit einem sehr poetischen Text „Wintersonnenwende“, die Geschichte einer Frau, die sich plötzlich im Hause eines Jakobs und seiner Mutter befindet, von ihr gefragt wird, ob sie Kinder mit ihm haben will, danach die Mutter pflegt und schließlich Jakob, nachdem sie seine, ihre und die Wäsche der Mutter gewaschen hat, wieder verläßt.
Dann kam noch ein Reisetext, der sich mit Marianne Jungmaiers Träumen vermischte, zu dem sie Rückmeldung wünschte.
Träume haben auch in der ersten Geschichte eine Rolle gespielt, träumt doch die Ich-Erzählerin vom Tod ihrer Mutter.
Sehr poetisch die Alltagsphärengeschichten der drei jungen Frauen, poetisch und doch auch realistisch, zumindestens die Personen von Karin Peschka, die Knechte und die Sandlerinnen und keine Intellektuelle, wie Angelika Reitzer in der Diskussion anmerkte und dann wieder magisch märchenhaft.
Wieder bin ich sehr gespannt, was und wieviel ich von den Autorinnen noch hören werde und jetzt werde ich die junge Poesie der Alten Schmiede wieder verlassen und mich für den Rest der Woche zu den großen Stimmen, die sich in Frankfurt auf das blaue Sofa setzen oder sich von 3SAt bzw. ARD interviewen lassen, begeben.
2011-10-12
Schönheit und Vergänglichkeit
In der Sammlung Essl gibts gerade eine Ausstellung zu diesem Thema, wo Werke von Jörg Immendorff, Jannis Kounellis, Zoran Music, Marc Quinn, Daniel Spoerri und Antoni Tapies zu sehen sind.
„Schönheit und Vergänglichkeit, was ist das?“, könne man naiv fragen. Alles Schöne ist vergänglich, die Menschen werden alt und die schönen jungen Mädchen alte Frauen, die ihre Haare und Zähne verlieren, bzw. sie von einer Schönheits, Kosmetik und Gesundheitsindustrie ersetzt bekommen, aber das ist ein anderes Thema. Eva Rossmann, hat gerade einen Krimi darüber geschrieben. Die Sammlung Essl interessiert sich mehr für die moderne Kunst und interessant, daß sie Daniel Spoerri mit seinen Bildern, wo er die Reste eines wahrscheinlich schönen Essen zum Kunstwerk macht und es dadurch vor der Vergänglichkeit bewahrt, dazu zählt und wieder interessant, daß die Sammlung Essen, siebzehn vorwiegend junge Autoren, stimmt nicht ganz, Manfred Chobot ist auch dabei, aber der ist auch ein Galerlist und hat vielleicht seine besondere Beziehung zur Sammlung Essl und den erwähnten Künstlern, eingeladen hat, einen Text dazu zu schreiben und auch eine Lesereihe hat, wo man bei freien Eintritt, die Texte hören kann und EINKUNSTLESEBUCH, wo man die Texte lesen und ein wenig über die Werke erfahren kann, gibt es auch.
Das Vorwort stammt von KarlHeinz Essl, dann gibt Andreas Hoffer, der Kurater einige Betrachtungen zur Ausstellung, dann kommen schon die Texte der Autoren, von denen ich nicht alle kannte, obwohl mich einige der Namen dazugebracht haben, mich für das Buch zu interessieren, sind ja einige dabei, die zu meiner „Unter Dreißig“-Serie passen. Einige im Literaturbetrieb sehr Bekannte und dann wieder Uunbekanntere, die vielleicht auch eher aus dem Bereich der bildenden Kunst kommen. Und interessant, daß sich viele, nicht alle, in ihren Texten auf die ausgestellten Bilder beziehen und sie in ihre Geschichten verweben.
Erwin Uhrmann, der auch einen Text im Buch hat und seit 2010 in der Sammlung Essl arbeitet, scheint, wie Alexander Peer in seinem Text erwähnt, mit den Autoren durch die Ausstellung gegangen zu sein und ihnen vielleicht auch einige der Exponate ans Herz gelegt zu haben.
So schließe ich mich diesem Rundgang an, beginnt es ja nach den Grußworten mit der Geschichte „Anna und Maria im Doppelpack“, des 1947 geborenen GAV Kollegen, Manfred Chobot, der ja auch eine Galerie Chobot hat, die ich vor kurzem mit Gabriele Petricek und Maria Gornikiewicz, nach der Podium Schlußveranstaltung in der Alten Schmiede besuchte, in der es um zwei Zwillingsschwestern, höchstwahrscheinlich dem Synonym für Schönheit und Vergänglichkeit geht, die einander so ähnlich sind, daß sie ihre Eltern nicht erkennen und sie führen auch ein so gemeinsames Leben, daß zwar die eine Kunstgeschichte, die andere Theaterwissenschaft studiert, sie machen ihre Prüfungen aber trotzdem abwechselnd, dann heiraten sie auch noch gemeinsam den selben Mann, das heißt, zum Traualtar geht nur eine, die zweite erwartet, den Glücklichen aber schon im Ehebett, die ausgestellten Künstler, wie etwa Zoran Music, der im KZ Dachau heimlich einige seiner Kunstwerke malte, kommen immer wieder vor und am Schluß verschwindet der junge Ehemann, während Annamaria zusammen bleiben, eine interessante Darstellung des Themas.“
Die mir bisher unbekannte Rabea Eden, 1982 geboren und in Berlin und in Siena als freie Autorin und Übersetzerin arbeitend, verläßt dagegen mit „Nach Parlanam“, die Enge des Kunstmuseums und zeichnet eine Welt der schönen Vergänglichkeit, wo die Frauen Augenklappen und die Männer Mützen aus Hundefell tragen.
Es gibt auch theoretische Texte, wie den von Fabian Faltin, den ich nicht kannte und dessen Lebenslauf ich entnehme, daß er 1980 geboren wurde und einen Debutroman bei Milena hat.
Dann wird es mit Andrea Grill wieder literarischer. Sie greift in dem Drama „Schön und Schwarz“m wieder das Zwillingsmotiv auf, da treffen sich die Chefredakteurin Schön und die Malerin Schwarz bei einer Hochzeit, wo die in der Sammlung Essl ausgestellten Künstler auftreten.
Der Kubaner Ernesto Susana hat Gedichte zu den Werken Zoran Music und Jörg Immenhof gemacht, die von Erwin Uhrmann übersetzt wurden. Josef Kleindienst der voriges Jahr beim Bachmannpreis gelesen hat, hat einen Text, der sich auf Daniel Spoerris „Assemblage mit dem Kopf eines Pferdes“ bezieht, Mieze Medusa kommt vor und Lukas Meschik, auch ein Autor unter Dreißig, der glaube ich, bei Luftschacht verlegt, hat mit der „Entsalzung der Meere“, ein Assoziat geschrieben. Was ist ein Assoziat? Lukas Menschik gibt gleich Auskunft, daß es sich dabei um eine Textsorte handelt, die er „einführte und auf lange Sicht durchzusetzten gedenkt. Wo Essay das poetische Element ausspart, der Versuch zu kurz griffe und Novelle, Erzählung oder Roman zu weit hergeholt wären.“
Es geht um den Tod und um einen Gang vom Karlsplatz und den Karlsplatzsüchtlern durch die Opernpassage, wo sehr genau die „Wachheit und die Schönheit“ beschrieben wird.
„Eine Frau nippt am Erdbeersaft, verschluckt sich, blutbesprenkelte Hose“
Weiter gehts zum Parlament dem Bundeskanzler Furzmann und dem ehemaligen Vizekanzler Proll, dem Speichellecker nachfolgte, was dem Autor zu der Aussage kommen läßt „Daß das Innenleben der Politiker hässlich ist.“
Es geht dann weiter ins Museum der Geräusche bzw. dem der Stille, das Fernsehen berichtet über das Kunstgeschehen, während sich der Busfahrer in die Tonbandfrau verliebt, ein herrlich assoziativer Text, der mit „Die Entsalzung der Meere“ endet.
Von Alexander Peer, der 1971 in Salzburg geboren wurde, bei Limbus, Wieser und Art Science verlegte, habe ich schon geschrieben. Er berichtet von seinem den Rundgang durch die Sammlung Essl, erwähnt lobend das Honorar, das ihm für den Text geboten wurde und überlegt dabei nur, daß er damit nicht so reich, wie Immendorf werden wird, bzw. er sich davon keines seiner Werke kaufen kann.
Michael Stavaric hat über Marc Quinn und Alison Lapper ein fikitives Tagebuch geschrieben. Die Dramatikerin Gerhild Steibuch, die auch einmal beim Bachmannpreis gelesen und sehr jung den Reinhard Priessnitz Preis bekommen hat, hat einen Text und Magda Woitzuck, die am Schluß wieder etwas realistischer wird. Da geht es um einen Liebeskummer, den die Ich-Erzählerin veranlaßt mit einer von ihrem Vater gestohlenen „Blendung“ von Elias Canetti, sich in die Tropen zurückzuziehen, wo sie in der Nacht ihren unter Drogen stehenden Nachbarn in ihren Bungalow nehmen muß, der ihr von seinen Phantasien „Zurück nach Troja“ erzählt.
Ein interessantes Buch, das durch eine Ausstellung führt und hier vielleicht den bildenden Künstlern, die Literatur, den Literaten die bildende Kunst erklären soll. Ich würde mich der zweiten Gruppe zuzählen und habe sowohl einige Werke Zoran Music und Jörg Immendorff, etc kennengelernt, als auch einige Texte einiger interessanter Literaten gelesen, obwohl ich ja Kurzgeschichten und Anthologien, wie ich immer schreibe, gar nicht so mag.