Literaturgefluester

2011-11-26

Short-Cuts I und II

Filed under: Uncategorized — jancak @ 23:22

Weiter ging es mit der Kurzprosa am Freitag um sechzehn Uhr mit einem Roundtable zum Thema „Nicht jede kurze Geschichte ist eine Kurzgeschichte“, unter der Leitung von Zita Bereuter diskutierten Rebekka Göpfert, Klaus Nüchtern, Michael Stavaric, Helmut Kaplan und Edda Strobl über „Schreiben, Texten, Bloggen, Twittern und Veränderungen durch die modernen Technologien“, eigentlich über alles nur nicht über Kurzgeschichten, sondern begannen mit der Frage, wer am Podium bloggt oder twitter? Was nur sehr wenige taten und daher wieder bedauert wurde, daß die Auswahl und Selektion wegfällt, wenn jeder seine Texte in das Netz stellen kann. Rebekka Göpfert von der Literaturagentur Graf und Graf bedauerte, die Gratiskonsumkultur, Klaus Nüchtern beteuerte keinen Sinn am Twittern zu sehen. Die Frage, ob nun das E- Book kommen wird, wurde wieder diskutiert und mit den Erfahrungen aus der Musikindustrie verglichen.
Am Büchertisch lagen indessen viele Kurzgeschichtenbände auf, darunter Jagoda Marinics, die am Samstag lesen wird, Geschichten „Eigentlich ein Heiratsantrag“, den ich mir im Frühling bei der „Bücherlandung“ um einen Euro kaufte, aber noch nicht gelesen habe, weil ich Kurzgeschichten nicht so gerne lese, sie sind mir auch zu kurz, wie bei der Diskussion erläutert wurde, daß die Verlage, die Buchhändler etc, behaupten, daß das die Leser nicht lesen wollen, also muß auf allem Roman draufstehen. Bei mir stimmt es, daß die Kurzgeschichtenbände oft ungelesen bleiben, wenn ich mich nicht diszipliniere und sie auf meine Leselisten stelle, wie ich Margit Heumann mit der ich mich intensiv unterhalten habe, erzählte.
Dann kam ein Lesungsblock mit verschiedenen Kurzprosaformen, von Julia Franck moderiert, die ja auch einen berühmten Kurzgeschichtenband „Bauchlandung“ – Geschichten zum Anfassen, geschrieben hat und den habe ich auch bei „Buchlandung“ gekauft und in dem Jahr am Hochschwab gelesen, als die den deutschen Buchpreis hat. Und noch später die Romane „Lagerfeuer“ und „Die Mittagsfrau“ und da begann Brigitta Falkner mit Miniaturen aus „Populäre Panoramen“, einem Text, aus dem ich sie, glaube ich, schon beim Fest für Ernst Jandl im Jänner lesen hörte, wieder eine Falknersche Verbindung mit Bild, Ton und Musik und sie sitzt vor dem Computer und steuert das Geschehen, wo ihre Stimme von einer Zugsfahrt liest, dazu sah man Bilder von Minilandschaften, Zügen, Puppen und anderen Figuren. Das gilt für mich als experimentelle Prosa und kenne ich auch von einigen Alten Schmiede Lesungen, der Illustrator David Hughes der sein Graphic Novel „Walking the Dog“, auf Englisch moderierte war mit dagegen nicht bekannt, wie ich mich überhaupt in diesen Genre nicht sehr auskenne. Kolummen lese ich dagegen öfter, die aus Harald Martensteins „Ansichten eines Hausschweins“ wo es um Autoren, Verlassenwerden und einiges anderes ging, waren mir dagegen nicht bekannt und auch der 1970 in Ostberlin geborene Jochen Schmidt nicht, der aus seinem Buch, das vielleicht einmal ein Blog war „Schmidt liest Proust“ las und das ist ein interessantes Projekt. Da hat der Autor nämlich ein halbes Jahr lang je zwanzig Seiten aus dem berühmten Roman gelesen und das tagebuchartig dokumentiert. Zuerst das, was er an diesem Tag erlebte, dann seine Romanerfahrungen und noch die Erkenntnisse, die er daraus gewonnen hat.
Dann gab es eine Pause in der mir Robert Huez meine „Momentaufnahme“ zeigte, die ich in der Fülle der anderen Texte gestern offenbar übersah, aber irgendwie habe ich wahrscheinlich schon so eine Grundeinstellung „Mein Text ist sicher nicht dabei!“, was manchmal nicht stimmt.
Danach kam ein weiterer Meister des Erzählens, nämlich Christoph Ransmayr, der einen Stapel Bücher präsentierte und die Leute beruhigte, daß er die nicht alle lesen würde, sondern erzählte, daß er einmal nach Salzburg eingeladen wurde, um dort die Formen des Erzählens zu präsentieren, er sagte dann auch etwas davon, daß alle Leute Romane schreiben würden, obwohl das nur wenige wirklich könnten und las fünf abgeschlossene Erzählungen von seinen Reisen durch die Welt, von der Gewalt und den Kriegen, die es auf ihr leider gibt. Die von der Lastwagenfahrt durch Indonesien und der Völkerverständigung, die durch eine Zeitung entsteht, hat er, glaube ich, schon bei der Literatur im Herbst gelesen, danach folgte noch Thomas Ballhausen mit einer Kurzfilmnacht, aber die habe ich gespritzt, war ich ja schon müde und erschöpft von all der Prosagewalt und von Thomas Ballhausen, auch einem Priesnitzpreisträger und Bachmannleser, habe ich die „Unversöhnten“ einmal im Bücherschrank gefunden und das lag auch am Büchertisch.
Und jetzt habe ich noch erfahren, daß Gertrud Klemm den 8. Lise-Meitner-Preis gewonnen hat, der am Montag vergeben wird, El Awadalla hat mich davon verständigt, aber eigentlich hätte ich es wissen können, wurde danach doch im Literaturgeflüster in den letzten Tagen sehr gesucht.
Am Samstag gings weiter mit dem Roundtable bzw. der Romandiskussion. Wie sehen das die Verlage, die wollen alle einen Roman, weil sie glauben, daß die Leser das so wollen und so betreiben sie den Ettikettenschwindel. Klaus Zeyringer diskutierte das mit Josef Haslinger, Ulrike Draesner, Ales Steger aus Slowenien und Harald Martenstein und Josef Haslinger meinte, daß die Kurzform eigentlich für die Literaturzeitschriften gedacht wäre und, daß es in den USA Short-Stories-Bände gäbe, die die besten Texte enthalten, die vorher beispielsweise im New Yorker erschienen sind. Ulrike Draesner erzählte, daß sie ihr Verlag nach dem Erscheinen eines Buches zu einer Besprechung zitieren und ihr bekannt geben würde, daß sie nun nach zweimal novel fiction einmal nonnovel, sprich zum Beispiel ein Lyrik Bändchen machen dürfe und daß ihr das zu wenig sein, so daß sie vorschlagen würde, am nächsten Lyrik Band „Roman“ daraufzuschreiben. Das ist interessant, denn ich denke, die Kurzform eigenet sich für Lesungen und für Auschreibungen, beim Bachmannpreislesen braucht man zum Beispiel einen Text mit dreißig Minuten Leselänge und manche Geschichtenbände enthalten die Reste von dem was vom letzten Roman übergeblieben ist. Norbert Gstrein macht das glaube ich so, während die richtige Kurzgeschichte eigentlich etwas ist, was sehr viel Arbeit verlangt, weil man auf kurzem Raum den ganzen Inhalt verpacken, entsprechend verdichten und aussparen muß und also längst keine Vorübung für den Roman darstellt, während Ales Steger vermutete, daß die Leute lieber einen Roman kaufen würden, weil sie für ihr Geld mehr zu bekommen glauben und Geiz ist ja bekanntlich geil. Das trifft sich mit meinem Erleben, daß ich manchmal enttäuscht bin, wenn ich beispielsweise glaube, daß das Buch, das ich lese, ein Roman ist und dann ist die spannende Geschichte nach fünfzig Seiten auf einmal aus und ich muß mich auf ganz neue Welten einstellen. Daran ist schon was und um das zu erproben folgte ein Rundgang durch das gegenwärtige europaische Kurzgeschichtenschaffen, also ein bißchen Fräuleinwunder von dem was man beim Bachmannpreislesen hören kann, einen Isländer, einen Norweger und einen deutschen Rundfunkdirektor, der früher auch einmal Gerichtsreportagen geschrieben hat. Josef Haslinger moderierte souverän und die in Deutschland geborene Jagoda Marinic mit kroatischer Herkunft begann den Reigen. Sie hat auch 2007 die Bachmannpreislesung eröffnet und las nun einen Text mit dem schönen Namen „Der Tag an dem ich Niki Laudas Putzfrau traf“, eine spannend geschriebene Geschichte einer jungen in Deutschland lebenden Frau, die in ihre nicht Heimat Kroatien zurückkehrt, um dort eine Zeitlang zu leben.
„Verwechseln Sie das Ich nicht mit mir!“, warnte die Autorin am Anfang ihrer Lesung, trotzdem fragte Josef Haslinger sie danach, ob sie sich als Kind in Deutschland anders, als die Deutschen empfunden habe. Das habe ich ja einmal mit meiner Kritikerin JuSophie diskutiert, ob das Erzähl-Ich unbedingt das Autoren-Ich sein muß, auch Professoren für literarische Ästhetik fallen auf diese Fallen offenbar herein.
Dann kam Jochen Rausch, das ist der Programmdirektor, der einen Roman und einen Kurz-Story-Band geschrieben hat, mit dem er mit Ferdinand von Schirach verglichen wurde. Er las daraus zwei verkürzte Proben. Nämlich einen Text, wo ein Mann seine Traumfrau findet und als er sie verläßt, zündet sie das Haus mit seiner Frau und seinen zwei Kindern an, so daß er ihr schließlich Rache schwört. Da habe ich in der Schreibwerkstatt der Eveline Haas vor Jahren auch einmal einen Text mit dem Titel „Mein ist die Rache“ geschrieben, der im „Best of – Eva Jancak- Geschichtenband“ enthalten ist. Hier operiert der Arzt, der seinen besten Freund bei einem Motorradunfall verloren hat, weil ihn ein Gendarm irrtümlicherweise erschossen hat, dem den Blinddarm aber ordnungsgemäß heraus. Danach kam Bjarte Breiteig, das ist ein Norweger, der ein norwegisches Literaturinstitut besucht hat und sich in seinen Texten auf Raymond Carver bezieht, seine Texte werden nächstes Jahr auf Deutsch bei Luftschacht erscheinen. Er las auf Norwegisch, die deutsche Übersetzung wurde auf die Leinwand projeziert, was für mich sowohl schwer zu lesen als auch gleichzeitig zu verarbeiten war, ich kann den Text aber nachlesen. Als letzte vor der Pause kam Ulrike Draesner, die heuer in der Jury des dBP war, mit einer Erzählung namens „Josef rennt“ von der sie erzählte, daß sie einen zündenden Einfall hatte und dann zwei Jahre auf die Realisierung wartete. Entstanden ist eine spritzige Geschichte, der man das amerikanische Vorbild deutlich anmerken konnte, viele Aussparungen, mehrere Perspektivenwechsel, so daß es die Hörerin schwer hatte sich auskennen, besucht doch zuerst Josef seine Frau im Altersheim, dabei vögelt er alle alten Damen und fördert damit ihren Therapiefortschritt, auf einmal ist er aber selber der Patientin und bastelt für seine Damen Filzpantoffeln, die er unterm Bett versteckt, der Pfleger schreit „Ficki Ficki!“ und Schwester Traudi muß ihm suchen.
Nach der Pause in der ich mich mit Koschka Hetzer unterhalten habe, die ich vor fast dreißig Jahren bei einem Gesprächstherapieseminar kennenlernte und die mich als „Mädchen dürfen pfeifen, Buben dürfen weinen“, den Kinderbuchpreis bekommen hat, bei der Literatur im März im Künstlerhaus für die Zeit im Bild interviewte, der Kameramann filmte, die Schulklasse stand herum, mir wars peinlich, aber viele Leute haben es gesehen, ging es weiter mit Sjon, das ist ein berühmter Islaänder, der für Björk Texte schreibt und für die Frankfurter Buchmesse zwei Romane auf Deutsch übersetzt bekommen hat, der isländische Botschafter leitete lange und umständlich ein, die Erzählung „Nachtmahl“ war dann wieder konventioneller und Josef Haslinger fragte nach den Einflüßen der Island Saga. Interessant, daß der Autor sich auf Melitta Urbanic bezog, die ja von Österreich nach Island geflüchtet ist und vor einigen Wochen im Literaturhaus eine Ausstellung hatte. Danach kam der deutsche Kurzgeschichtenstar Judith Hermann, die drei Erzählbände und keine Romane geschrieben hat, nämlich „Sommerhaus, später“ mit dem sie gleich berühmt wurde, „Nichts als Gespenster“, das noch immer ungelesen in meinem Bücherregal steht, weil ich ja keine Kurzgeschichten mag und „Alice“, das war im Programm auch angekündigt. Sie las aber eine Erzählung aus einer Anthologie, weil sie keine Erzählung kürzen wollte, was ich sehr löblich fand. Danach folgte der heurige Fried Preisträger Thomas Stangl, der auch beim Bachmannpreis gewonnen hat und damit auch den ersten Alphapreis und den Aspekte Literaturpreis, hat er für sein Romandebut auch bekommen. Er las und das war interessant, auch eine Geschichte aus einem Altersheim, die Erfahrungen eines Zivildieners mit der Frau Bauer und der Frau Czerny, die er mit Gespenster und Lemuren vergleicht, die aber viel realistischer und wie er sagte, auch dem Leiden alter Mensche, viel würdiger und angemessener war, als ich Ulrike Draesners Geschichte empfand. So schnell amerikanisch, wie ihr Josef ist Thomas Stangl nicht durch das Altersheim gehetzt, sprachlich abgehoben und schön erzählt war der Text aber auch, ob es eine sehr kurze Kurzgeschichte war, weiß ich gar nicht genau.
Nach soviel Literatur mußte etwas Musikalisches folgen, nämlich das Trio Lepschi mit Stefan Slupetzky, Thomas Slupetky und Martin Zrost und die machten sich über die hypnotisierten Literaturzuhörer, die sich sechs Stunden Short Stories anhören, gehörig lustig. Anne Zauner, die in der ersten Reihe saß, hat sich dabei sichtlich unterhalten.

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