Hier kann ich gleich an das Kurze Prosa Festival der Erich-Fried-Tage anknüpfen, habe ich doch Eva Bakos „Ein wunderbarer Wüstling“, ein Buch, aus dem offenen Bücherschrank, für einen Roman gehalten, bin erst beim Lesen der ersten Geschichte „Der geborene Liebhaber“, irgendwann mittendrin draufgekommen, daß es noch sechs andere Geschichten gibt und war zuerst einmal enttäuscht, war das Szenario von der Journalistin, die früher einmal ein schüchternen graues Entlein war, sich dann von Anna Schraffelseder in Annette Verron umbenannte, nach Deutschland ging, um Karriere zu machen und jetzt nach Wien gekommen ist, um einen alternden Burgschauspieler zu interviewen, doch sehr interessant. Eigentlich war es eine Interview-Serie. Sie hat sich schon mit etlichen berühmten älteren Männern unterhalten und ist eine Männerhasserin, vorher hat sie einen Schauspieler namens Max Norden aufgeblättert, jetzt hat sie das mit Clemens Corlano vor, aber der entpuppt sich als sehr charmanter alter Herr, ist offen und freundlich und erzählt ihr, daß er der Sohn eines Rastlbinders sei und eigentlich homosexuell und alle seine Liebhaberinnen nur Scheinbeziehungen. Annette ist auch ehrlich und erzählt ihm von ihren Mißerfolgen, dann lädt er sie zum Essen ein, eine junge Frau taucht auf und er schenkt Wein aus seinem Weingut aus und erklärt,daß alles was er vorher erzählte, gelogen war, so daß sie ihm das Tonband zurückgibt und geht. Danach entpuppt sich die junge Frau als Nichte, der Liebhaber Max Norden taucht auf und Clemens Corlano hat seinen Freund durch seine Schauspielkunst gerächt. Achtundvierzig Seiten hat die Erzählung. Auf dem Buchrücken steht etwas von „Wien, behauptet Eva Bakos, ist in der Hand der Patriarchen“.
Das Buch ist 1977 erschienen und Eva Bakos, die 1929 in Wien geboren und 2003 dort gestorben ist, war Leiterin der Österreich Redaktion der Zeitschrift Brigitte und hat mehrere Bücher geschrieben.
„Heirate nur keine Wienerin“, von dem ich hoffe, daß es ein Roman ist, habe ich noch auf meine Leseliste zu stellen und der Erzählband ist wohl das, was man sich als das Wiene Klischee für deutsche Illustrierte oder das deutsche Lesepublikum vorstellen kann. Hier werden die Liebhaber in allen ihren Formen abgehandelt. Das Künstlermilieu kommt bevorzugt vor, aber auch slowenischen Möbeltischler und starke Frauen, die den Namen Dragica führen, was das Klischee dann wieder etwas unterbricht. Um noch einmal auf den Roman-Kurzgeschichten-Konflikt zurückzukommen. Der Wechsel von der einen in die nächste Geschichte ist mir immer etwas schwer gefallen und ich habe ein paar Seiten gebraucht, bis ich in das neue Szenario hineingekommen ist, obwohl das Milieu sehr ähnlich war, weil es ja meistens um die Beziehung von Männern zu Frauen, um Eros und Erotik gegangen ist. Da schwenke ich noch einmal zu den Short-Cuts zurück, wurde beim Roundtable Klaus Nüchtern doch gefragt, ob das Besprechen von Kurzgeschichten schwieriger wäre.
„Nein!“, sagte er, „Denn man kann auch leichter schummeln und muß nicht alles lesen!“
Ich habe alle gelesen und glaube schon, daß ich Geschichten nicht so gerne lese, weil das Besprechen der verschiedenen Szenarien schwieriger ist. Wie soll man da alles auf einer Seite unterbringen? Ich muß zwar auch nicht alle Geschichten erwähnen, die nächste heißt aber „Kein hoffnungsloser Fall“ und ist ähnlich liebenswürdig romantisch. Da hat eine Frau einen Sektionschef in ihr Bett gebracht, geht aber nicht, denn im Bett seines Freundes kann der anständige Kerl keinen Orgasmus kriegen. so gehen sie das nächste Mal in seine Wohnung. Jugendstil, roter Plüsch, und Bilder von der Alma Mahler an den Wänden, da kann die Witwe nicht und schleppt ihn in ein Bordell, dort geht es und aus dem Nebenzimmer kommt die Tochter des altmodischen Beamten und nennt ihren Papa liebevoll „Sek“, was von Sektionschef kommt.
Das ist ein Wien, das ich nicht kenne und auch nicht glaube, daß es in den Siebzigerjahren so war, aber sicher das, was man gerne über Wien lesen will und in der Titelgeschichte „Ein wunderbarer Wüstling“ geben Willy Bittner und Dragica Skofic den Tod von Verena Bittner, die mit achtundzwanzig Jahren tragisch verschieden ist bekannt. Willy Bittner ist der wunderbare Wüstling, Dragica seine langjährige Geliebte und die, die das Geschäft schupft. Eine Jugendstilwohnung am Wiener Naschmarkt gibt es auch und eine Ballettschülerin, die wegen dem schönen Willy ihre Karriere aufgibt, ihn heiratet und dann lange in einer Dreiecksbeziehung mit Willy und Dragica, die eigentlich homosexuell ist, lebt, erst als sie ausbrechen und Choreographin werden will, kommt es zur Katasthrophe, bzw. zum tödlichen Autounfall.
Mit der schwülen Erotik geht es weiter im „Eidechserl“, das ist Anni, die Tochter eines Eidechsenforschers, die bei einer alten Tante in der Schikanedergasse aufwächst, da gibt es die Werkstatt des Tischlers Branko Filipovic und von dem munkeln die Tanten, daß er die kleinen Mäderln verführt. Anni wird neugierig und steigert sich auch in eine solche Phantasie hinein, später wird sie Sprechstundenhilfe und folgt ihrem Internisten brav ins Bett. Dort agiert sie aber sehr traumatisiert, so daß sie sehr oft ihre Stellen wechselt, bis sie mit achtundzwanzig, wie vierzehn aussehend zu Tischer Filipovic in seine Werkstatt geht und dann mit ihm nach Dalmatien fährt, dort wird sie dann von seinem Neffen ermordet. Heute würde man mit dem Mißbrauchsthema vielleicht ein wenig anders umgehen. Bei der nächsten Geschichte „Nachhilfe“ geht es aber auch um eine Lehrerin, die in einer unglücklichen Beziehung lebt und einem kleinen Italiener-Buben Nachhilfestunden gibt.
„Der Freund bedeutender Frauen“ ist eigentlich ein Frisuer, schafft es aber fast die Karriere einer Sängerin durch falsche Beratung zu zerstören und „Riesinnen“ ist echt brutal. Wird da ja eine Familie von einer reschen Köchin zu Tode gefüttert. Der schöne Karl, lebt in einem Haus mit seiner Frau, der Schwägerin mit Kind und der Schwiegermutter. Die Köchin Fini gibt es auch und die kocht allen ihre Lieblingsspeisen, so daß der Cholesterinspiegel steigt, die Frau im vierten Monat immer ihr Kind verliert, obwohl Karl doch unbedingt einen Sohn haben will, die Schwägerin kommt ins Sanatorium verliert und zuletzt erliegt Karl einem Herzinfarkt erliegt, während Fini glücklich eine schöne Tochter von ihm bekommen wird.
2011-11-28
Ein wunderbarer Wüstling
Kommentar verfassen »
Du hast noch keine Kommentare.
Kommentar verfassen