Jetzt kommt das zweite Weihnachtsbuch und es passt haargenau, denn am 23. 12. 2010 habe ich Andreas Pittlers „Chuzpe“ hier besprochen und bin da ein paar Tage mit Mayor Bronstein in den ersten Weltkrieg zurückgegangen und die 1852 geborene und 1929 verstorbene, erfolgreiche Kinderbuchautorin Agnes Sapper hat „Die Familie Pfäffling“, sogar schon 1906 herausgebracht und das Buch, das ich passend, während des literarischen Umgangs durch den siebenten Bezirk in meinem Lieblingsbücherschrank gefunden habe, hat auch im ersten Teil den Untertitel „Eine deutsche Wintergeschichte“ und dann hat noch eine Großmutter mit blauer Tinte in Kurrent „Kriegsweihnacht 1944“ hinein geschrieben, also wieder ein bißchen Geschichtsunterricht vor dem großen Fest, obwohl ich zuerst den Eindruck hatte, einer Mogelpackung aufgesessen zu sein, beginnt doch die Wintergeschichte im Herbst, als die Schule anfängt und da wohnt in einem deutschen Städtchen auf Untermiete der Musiklehrer Pfäffling mit seinen sieben Kindern, der Gattin Cäcilie und der tauben Dienstmagd, in dem Vorband „Das kleine Dummerle“ wurde wohl seine Wohnungssuche beschrieben, denn mit sieben Kindern war es wahrscheinlich auch 1906 schwer eine Wohnung zu finden. Nun ist sie gefunden, die Hausleute wohnen unten, die treffliche Familie ist oben untergebracht und so marschieren die drei großen Brüder ins Gymnasium, die Zwillingsmädchen Marianne gehen brav in die Töchterschule, das kleine Dummerle Frieder spielt Harmonika und das Elschen ist noch zu Haus, dort ist Friede, Eintracht, Eierkuchen aber wenig Geld und so macht es ein Problem, wenn die Buben nach Hause kommen und Lineale, neue Schulbücher oder sonst was haben wollen, aber dennoch werden sie studieren, nur Frieder will Musiker werden und geigt, spielt, träumt so dahin, da ist der Vater streng und erlaubt das nur für zwei Stunden und auch andere Probleme werden gelöst. So wird der Familie einmal gekündigt, weil die Buben den „Leonidenschwarm“ betrachten wollen, der wackere Hausherr hält das für eine Burschenschaft, es sind aber nur Sternschnuppen, so reden sich Frau Pfäffling und die Hausfrau aus und alles kommt in Ordnung. Herr Pfäffling soll auch Musikdirektor werden, alle freuen sich und singen schon im Chor „Drum rufen wir mit frohen Sinn, es lebe die Direktorin!“, dann kommt aber die Nachricht, die Schule ist noch nicht gebaut. So ging es zu im vorigen Jahrhundert, obwohl Herr Pfäffling ein hervorragender Pädagoge ist und das Herz auf dem rechten Fleck trägt und sich auch alles wieder einrichtet, so gibt er russischen Emigranten, ja die Revolution kam ja bald, Unterricht, die zahlen aber nicht, weil die jungen Herren das Geld verspielten und Herr Pfäffling bringt es nicht zusammen, dem General einen Brief zu schreiben, um diesen nicht wegen der Schlechtigkeit seiner Söhne zu betrüben. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen und ist wohl das was JuSophie eine idealistisch naive Erzählung nennen würde und am Schluß wird Herr Pfäffling Direktor. Seine Frau Cäcilie hat auch ihre Mutter zu ihrem achtzigsten Geburtstag besucht, ist von dort aber schon eine Woche früher zurückgekommen, weil sie es ohne ihre Familie nicht mehr länger aushielt. Ja und die deutsche Weihnacht kommt auch natürlich vor, da bekommen die Kinder zuerst ihr Zeugnis und rechnen dem strengen Vater eine Durchschnittsnote vor, weil Wilhelm eine vier in Mathematik bekommen hat und der kleine Träumer Frieder soll einer Dame einen Christbaum in ihre Wohnung tragen und gerät dabei in Schwierigkeiten, dafür bekommt er aber eine Geige und ist so verliebt in sie, daß er gar nicht zu spielen aufhören kann und eine Andeutung, daß nur die Deutschen so recht und richtig Weihnachten feiern können, gibt es ganz dezent auch. Der zweite Band ist dann keine Weihnachtsgeschichte mehr, sondern beschreibt „die Erlebnisse der großen Pfäfflingkinder“, im Dachgeschoß der Musikschule, wo es neben der tauben Walburg noch deren Nichte Resi als kleines Dienstmädchen gibt, der Zwilling Anne, der an Ohrenschmerzen litt und schwach im Lernen war, ist inzwischen verstorben, dafür kommt der älteste Karl heim, der schon als Aushilfslehrer arbeitet und hat sich in die Kunstgewerblerin Hanna verliebt und Frieder will von der Schule abgehen, um endlich Musiker zu werden, der strenge Vater erlaubt es aber nicht. Karl bringt auch einen Freund nach Haus, der nach Afrika gehen und dort Farmer werden will, ja Kolonialismus gab es damals auch, dazu braucht er eine tüchtige Farmerfrau und hat die „in dem anmutigen kleinen Ding“ Marie gefunden. Das schreibt er später seiner Tante und die liest das Frau Pfäffling vor. Marie findet das zuerst lieb, schlägt das Angebot später aber doch wegen Hochmuts des Bräutigams aus, dem erst in Afrika einiges schiefgehen muß, bevor er reumütig zurückkehren und selbst um die Hand Maries anhalten kann und Karls Ehe geht auch vorerst schief, wohnt er mit Hanna doch nebenan und die Künstlerin ist so ungeschickt im Haushalt, daß ständig die Mutter und die Schwester herbeigerufen werden und Karl mehr bei seinen Eltern, als bei seiner Gattin ist. Das renkt sich aber ein und Karl nimmt eine Stelle in einer anderen Stadt an, so daß der Vater und die Söhne vergnügt in den Wald gehen, während die Mutter mit Marie an deren Aussteuer näht. Herr Pfäffling ist aber schon über fünfzig, so bekommt ihm das Bergsteigen nicht, bekommt einen Schlaganfall und Cäcilie muß lernen, alleine weiterzuleben. Ist nicht ganz so schlimm, denn der Bürgermeister bietet ihr an, daß sie noch fünf Jahre in der Dienstwohnung bleiben kann, „bis dahin sind die Kinder aus dem Haus“ und so ist es dann auch. Otto, der Jurist, ist ein bißchen weniger sympathischer als die anderen, nämlich ein Karrierist und so kommt er auf die Idee, das adelige Fräulein Ludowika zu heiraten, das sich Löckchen nennen läßt und auch sonst ein wenig zurückgeblieben ist. Auch das löst sich auf, denn die gute Ludowika gibt ihm selbst den Ring zurück, als sie andere junge Männer bei einer Reise in die Schweiz sagen hört, daß das nicht der richtige Gatte für sie ist und man kann sich ausdenken, was aus dem guten Otto zwanzig Jahre später geworden ist. Vorläufig scheint aber erst der erste Weltkrieg zu herrschen und der wird auch nur vorsichtig angedeutet, die Soldaten ziehen fröhlich herum und das kleine Reserl, das nicht immer so traurig sein will, flirtet fröhlich mit ihnen, fragt dann aber doch ganz anständig nach, ob sie sie ohnehin heiraten wollen? So renkt sich alles ein und am Schluß bekommt Frieder, der ein schlechter Lehrer und auch nicht der Typ fürs öffentliche Auftreten ist und man vom Komponieren allein nicht leben kann, heraus, daß das Geigenbauen das richtige für ihn ist und kann auch gleich ein solches Geschäft übernehmen und eine praktische energische Braut, die ihm dann die Buchhaltung macht und Missionarskinder in einer Kinderkrippe aufziehen will, hat er auch.
So weit die Idylle zu Beginn des vorigen Jahrhunderts oder das, was in diesem, den Kindern zur Erbauung vorgelegt wurde, heute könnte einem das Gruseln kommen, ob der naiven Reinheit der deutschen Übermenschen, wissen wir ja, was aus denen, die es so gut meinten und sich ständig entschuldigten, wenn mal ein Schneeball ausgekommen ist, geworden ist und ich frage mich auch ein bißchen, wie das junge Mädchen, es war wohl eines, das Buch in der Kriegsweihnacht aufgenommen hat, wo man wohl schon merkte, daß das alles nicht mehr so schön friedlich ist? Ein weiteres Gruseln kommt bei der Vorstellung, daß die alte Dame inzwischen wohl verstorben ist, so daß sich ihr damaliges Weihnachtsgeschenk im Bücherkasten findet und ich muß, wenn ich nach Harland komme, in Anita Schaubs Frauenbuch nachschauen, ob Agnes Sapper jetzt die Groß- oder die Urgroßmutter der B. ist, denn sie ist ja, glaube ich, nicht nach Österreich gekommen, die B. aber und ihr Onkel Theodor Sapper in Graz aufgewachsen. In Würzburg, wo Agnes Sapper gestorben ist, entnehme ich Wikipedia, gibt es es ein Wohnheim für psychisch Kranke, das nach ihr benannt ist und aus einem Altenheim hervorgegangen ist, daß sie aus den Honoraren der „Familie Pfäffling“ gestiftet hat und Agnes Sappers Kinderbücher habe ich weiter entnommen, werden zum Teil noch immer oder wieder aufgelegt.
2011-12-23
Die Familie Pfäffling
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