Literaturgefluester

2011-12-25

Jokehnen

Filed under: Uncategorized — jancak @ 11:01

Arno Surminskis „Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen“ ist eigentlich ein Sommerbuch, bin ich doch durch unsere Masurenreise darauf gekommen und ich habe den Namen Arno Surminski das erste Mal gehört, als mich Alfred am Campingplatz in Elblag fragte, ob ich ihn kenne?. Nein, aber im literaturquiz, das ich ja manchmal spiele, wird danach gefragt, welche ostpreußische Schriftsteller den Namen Arno tragen, Arno Holz und Arno Surminski ist die Antwort und in dem Buch steht der berühmte Satz „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt“, es wird aber sicher wieder einiges autobiografisch sein, wurde Arno Surminski doch 1934 in Ostpreußen als Sohn eines Stellmachers geboren und blieb nach der Deportation seiner Eltern 1945 allein zurück, bis er dann über einen Aufenthalt bei kanadischen Holzfällern 1962 in Hamburg ansäßig wurde und am Beginn des Buches, fährt eine Hebamme mit einem Fahhrad, das ihr die neuen Machthaber zustanden, damit sie besser ihre Arbeit erledigen kann, an dem Tag an dem Hindenburg verstarb, zu dem Haus des Schneiders und Bürgermeisters Steputat, weil seine Martha niederkam und dann wird der Name für den kleinen Erdenbürger ausgesucht „“Adolf wäre doch auch was Gutes!“, schlug die Hembamme vor“, der Vater entscheidet sich aber für Hermann nach dem Dichter Hermann Sudermann, der Rastenburger Dichter Arno Holz wäre aber auch eine Möglichkeit gewesen.
So wächst der kleine Hermann auf im deutschen Reich in Ostpreußen, wo nur noch der alte Mayor in seinem Schloß, Hindenburg die Treue hält und nach seinem Tod wird auch diese Fahne, statt des Hakenkreuzes gehißt, ansonsten kommen jedes Jahr die jungen Dienstmädchen in das Schloß und verlassen es ein Jahr später, um eine gute Partie mit einem Gutsbeamten einzugehen, um das erste Kind sehr frühzeitig zu bekommen, nur Anna will den Melker August nicht heiraten und wird ein paar Tage später tot im Teich gefunden. Der kleine Hermann hat aber vorerst ein schönes Leben mit seinem Freund Peter. Dorflehrer Klose ist ein Nazi und seine Frau geht mit den Kindern singend in den Wald und als er einberufen wird, kommt eine junge Lehrerin, die es in der Einsamkeit nicht aushält und ihren älteren Schülern Nachhilfestunden gibt und dann knarrt es verdächtig in der Kammer, so daß stattdessen eine ältere Lehrerin kommen muß. Denn die Männer sind ja in den Krieg gezogen, nur Bürgermeister Steputat versucht in seinem Amt alles so gut, wie möglich zu machen und sich auch für den Juden Samuel einzusetzen, was aber nicht gelingt. So wächst der kleine Hermann als strammer Hitlerjunge auf, die Polen werden zur Zwangsarbeit verpflichtet, haben es aber gut in dem Dorf, denn in Jokehnen geht alles ganz bedächtig weiter, nur SS-Führer Neumann erscheint gegegentlich und gibt seine Anweisungen, beispielsweise die, daß der Jude Samuel Mathern verschwinden muß, über dessen ehemaliges Stoffgeschäft, später die Stalin Fahne wehen wird, aber das ist erst 1945 und im Jänner dieses Jahres erlebt der wackerer Bürgermeister, der nicht genau weiß, ob man sich jetzt an die Anweisungen das Dorf nicht zu verlassen, halten oder nicht vielleicht doch flüchten soll, die Enttäuschung, daß sich Hitler doch nicht so um die Jokehnen kümmert, wie er immer dachte und, daß das Hackenkreuz auf seinem Anzug nicht viel wert ist. Er wird dann auch mit seiner Frau zur Arbeit nach Rußland verschleppt und kommt mir ihr nicht mehr zurück, vorher vergewaltigen die Russen noch alle Frauen, ganz egal ob alt oder jung und Hermann und sein Freund Peter kommen etwas zuspät in die Marmelade-, Zwieback- und Bonbonbaracke, so daß sie mit einem Sack Himbeerbonbons nur mehr zusehen können, wie die in die Luft fliegen. Sie versuchen dann zu flüchten und nach dem Abtransport der Eltern, kommt der Elfjährige allein in das verwüstete Haus seiner Eltern zurück, bleibt da eine Weile und vegnügt sich mit Peter, die anderen verlassenen Häuuser mit gefundenen Granaten in die Luft zu jagen, bevor die Russen und die Polen kommen und der Marschbefehl erteilt wird, daß sich alle Deutschen auf den Weg nach Deutschland machen müssen, weil Ostpreußen nicht mehr zu Deutschland gehört.
„Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland? Viele sind nicht angekommen.“, steht auf Seite dreihundertvierzig, auf den nächsten drei Seiten sind die Namen der Dorfbewohner angeführt und daneben steht, was aus ihnen geworden ist. Bei Hermann Steputat steht „elf Jahre alt. Wer nimmt ein üergebliebenes Kind? Er stand ganz allein da. Da löste sich die Schubgilasche aus ihrer Kinderschar, ging auf Hermann zu, ergriff seine Hand und sagte „Komm mit, Jungche, komm mit!“
„Jokehnen“, 1974 geschrieben und erfolgreich verfilmt, ist offenbar Arno Surminskis erstes Buch, war er doch bis 1972 in einer Hamburger Versicherungsanstalt tätig, danach ist er mit einer Reihe von Erzählungen und Romanen, die von Ostpreußen und dem Schicksal der Vertriebenen handeln, bekannt geworden und ich habe sehr lange an dem Buch, das aus Alfred Besitz stammt, gelesen, habe ich ja schon im Sommer, als ich mit der Harlander Leseliste fertig war, damit begonnen, da wir seither aber nicht sehr oft in Harland waren, habe ich es jetzt erst beendet.
In Alfreds Reiseführer habe ich dann im Piraten-Camp von Arno Surminski gelesen. „Die Reise nach Nikoleiken„, ein Buch das wir nicht haben, wird dort erwähnt und in Gyziko habe ich in der Touristeninformation eine Zeitschrift gefunden, in der man einige Flüchtlingsgeschichten nachlesen kann, da nach ihrer Pensionierung einige wieder in die jetzt polnischen Orte zurückommen und ihre Lebensgeschichten zum Teil bei Verlagen wie „Frieling“ herausgeben, wenn sie nicht so berühmt wie Arno Surminsiki sind. In den Führern wird auch Ernst Wiechert als ostpreußischer Dichter erwähnt und von dem habe ich „Die kleine Passion“ im Bücherschrank gefunden und auf der Leseliste für das nächste Jahr.

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