Eigentlich wollte ich den 2001 erschienenen Kultroman „Herr Lehmann“ von Sven Regener gar nicht lesen, habe ich ja schon den Film gesehen und von dem 1961 in Bremen geborenen, der als Musikerpopulär wurde, gibt es schon einige andere Romane, es ist aber ein tolles Buch, obwohl es langsam und bedächtig daher kommt, in zwanzig Kapitel gegliedert ist, die alle ganz banale Überschriften haben und manchmal, ganz wenig nur, an Thomas Bernhard erinnert und es ist irgendwie genial in seiner „Einfachheit.“
„Ein kleines Wunder“, schreibt auch Hellmuth Karasek und Marcel Reich-Ranicki hat angeblich „schallend gelacht“, bei der Geschichte von dem fast Dreißigjährigen aus Bremen, der in Kreuzberg lebt. Die Geschichte beginnt im Sommer 1989 und endet am 9. November, da hat Frank Geburtstag, zu dem alle Herr Lehmann sagen, weil er da ja Dreißig wird. Sonst hat er nicht viele Ideale, sondern lebt so einfach dahin, jobbt in den Kneipen Erwins, obwohl er keine künstlerischen Abitionen hat und auf den großen Durchbruch wartet, sondern einfach dahinlebt mit Bier und kleinen Drogen, das heißt am Beginn der Geschichte geht er von der Knepenarbeit nach Hause und trifft, ein bißchen besoffen ist er schon, von dem Schnaps den ihm sein Chef Erwin offerierte, einen Hund, der ihn verdächtig anknurrt und ihn nicht weiterläßt, so daß er schließlich die Flasche Whiskey, die er vom „Einfall“ mitgenommen hat, mit dem Hund teilt, bis die Polizisten kommen und ihn wegen Tierquälerei anzeigen und den Hund mitnehmen, der beißt sie dann in die Hand.
Das ist das erste „Der Hund“ genannte Kapitel, dann gehts ähnlich rasant weiter. Herr Lehmann geht nach Hause, es ist Sonntag morgen, da ruft ihn Muttern aus Bremen an und kündigt ihren und Vatis Besuch im Oktober an, obwohl sie ja nicht nach Berlin West kommen wollten, weil man da durch den Osten muß. Es gibt auch Kommunikationsschwierigkeiten zwischen ihm und der Mutter. Im dritten Kapitel geht Frank zum Frühstück in die „Markthalle“, das ist ein anderes Lokal vom Lokalmatador Erwin, der ein bißchen paranoid ist, sich vor Drogenfahndern fürchtet und überall Geldscheine liegen läßt, um sein Personal zu prüfen. In der Markthalle arbeitet Franks bester Freund Karl und er verliebt sich gleich in die dicke Köchin Kathrin und möchte von ihr Schweinebraten haben. Es wird aber nichts mit der Liebe der beiden und der beste Freund Karl dreht auch irgendwie durch, so um den neunten November macht er das. Dazwischen kommen die Eltern auf Besuch und Herr Lehmann erlebt eine genauso skurrille Busfahrt zum Ku-Damm und soll auch noch in den Osten, den Verwandten fünfhundert Mark von der Oma bringen. Leider kassieren die die Vopos aber ein und lassen Frank nicht in ihr gelobtes Land, so daß er zum besten Türken in Kreuzberg geht, einem strengen ohne Alkohol und mit frommen Koransuren an den Wänden und dort schneit Kathrin händchenhalten mit Kristall-Rainer hinein, das ist ein Stammkunde aus Erwins sämtlichen Kneipen, so genannt, weil er immer Kristallweizen trinkt und von Erwin auch verdächtigt wird, ein Schnüffler zu sein. Aus ist die Liebe und Herr Lehmann zweifelt am Sinn des Lebens, muß Karl, der durchdreht, wie beschrieben, am neunten November in die Klinik bringen, dann geht er traurig von dort los seinen Geburtstag feiern und gerät in die Massen, die vom Osten in den Westen dringen, weil an diesem Abend ja die Mauer fiel.
„Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben.“, lautet dann der letzte Satz.
Selten habe ich das so lakonisch gelesen. die große Politik aus der Sicht der Dreißigjährigen, die keinen wirklichen Sinn im Leben sehen, als sich in diesem Westberlin umgeben von der Mauer wegzusaufen und in der Welt der „Schizos“ den skurillsten Alltag erleben, während die DDR zusammenbricht und dieser „Spaß, Wahnsinn, Alptraum“, wie der Spiegel schreibt, wird nur ein bißchen angedeutet.
Eigentlich kann ich mich gar nicht mehr so genau an den Film erinnern. Die Anna hat, glaube ich, den zweiten Kultroman „Neue Vahr Süd“ gelesen, dann gibt es noch den „Kleinen Bruder“, der wurde 2008 auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt, da habe ich bei meinem Messesurfen, ein paar Podcasts angehört und bei der Leipziger Buchmesse heuer, ging es um die Logbücher „Meine Jahre mit Hamburg Heiner“.
Die offenen Bücherschränke sind schon interessant, da kann man die „alten Klassiker“ lesen und sich 2011 in das Lebensgefühl des Buches hineinlassen, mit dem Sven Regener „über Nacht zum literarischen Star wurde.“