Der Schreibprozeß bei „Der Wiedergeborenen“ ist wirklich interessant, nach dem Jammerartikel in der letzten Woche und einigen sehr interessanten You Tube Filmen zum Thema „Wie schreibt man einen Roman“, wurde es diese Woche dann sehr intensiv und ich war auf einmal so mitten drin im Schreiben, daß ich aufs Baden, Lesen, Radfahren vergessen habe.
Zuerst habe ich am Montag aber, die damals vorhandenen vierzig Seiten korrigiert, die letzten Szenen, wo das „Das kann ich nicht!“ und das sich selbst Blockieren schon sehr groß war, mit Handlung angefüllt und plötzlich war der Weg frei und die Handlung konnte sich entwickeln. So sind am Montag, glaube ich, noch zwei neue Szenen entstanden und am Dienstag habe ich in mein grünes Buch, in dem die Konzepte von der „Absturzgefahr“ an, drinnen stehen und das jetzt ausgeschrieben ist, den Handlungsrahmen, a la Schneeflockenmethode gefüllt, bzw. die nächsten Szenen konzipiert und plötzlich wußte ich, wie es weitergehen könnte.
Da war ja einmal eine Idee eine griechische Studentin einzuführen, um in der Aktualität zu bleiben, die ist jetzt vom Tisch, aber im Dienstag hörte ich im Radio etwas von der Demonstration in Ungarn bezüglich der Reformideen der dortigen Regierung, da war ich ungefähr so weit, daß Esther Molnar, die Großmutter von Margit Mayerhofer ist und die erzählt etwas von ihrem Vater und der könnte eine uneheliche Tochter namens Ilona haben und die könnte bzw. ihr Freund Bela, Margit Mayerhofer an die Budapester Taschenoper engagieren und Marianne könnte, wenn sie wieder in Salzburg ist, im Literaturhaus Ari Eisenstein kennenlernen, der einen Roman über seine Mutter geschrieben hat…
Ja und beim mehrmaligen Korrigieren ist mir aufgefallen, wie sich die drei Frauengeschichten quasi von selbst ergeben. Also kein Rosa- Marianne- Theresa Buch, der Konflikt zwischen Mutter, Tochter und Großmutter war aber plötzlich da und Mariannes Eifersucht wird durch die beiden Frauen, Hanka Haugova und Sonja Pilatova, die ständig um Jan schwärmen ganz gut erklärt und der Titel „Die Wiedergeborene“ ergibt sich auch aus der Geschichte und dann sitzen Jan und Marianne in Prag im Cafe Savoy und er erklärt ihr die Spannung zu ihrer Mutter, daß sie genug von den vielen Flüchtlingsgeschichten in ihrem Leben hatte, die Theresa ist aber gerade dabei, sich in Albert zu verlieben, bzw. lädt sie ihn in der Währingerstraße in die Konditorei Aida ein, aber diese Szenen sind erst am Donnerstag entstanden.
Am Dienstag kam ich nicht sehr zum Weiterschreiben, am Mittwoch ebenfalls nicht, da sind nur zwei Literaturgeflüsterartikel entstanden, am Donnerstag in Harland dachte ich wieder, wenn du jetzt Baden und Radfahren gehst, kommst du aus dem Konzept heraus und schrieb fünf Szenen, die fast von selber entstanden. In Prag bei dem Besuch in dem Sterbehospiz, wo sich Hanka zurückgezogen hat, fing es an, dann ging es wieder nach Wien zurück, wo Theresa Albert im Supermarkt trifft, der seine Tante dorthin begleitet bzw. ihr beim Einkaufen hilft. Bei der fünften Szene, die ich geschrieben habe, hat es sich wieder verdünnt, ich war ausgeschrieben und werde korrigieren müßen, die letzten Szenen wahrscheinlich wieder etwas füllen und das weitere Konzept festlegen. Wo es ungefähr hingeht, weiß ich jetzt. Wenn ich mir die jetzt vorhandenen siebzig Seiten und dreiundzwanzig Szenen ausdrucke, habe ich das Ganze, was ich auch brauche, plastisch vorm Gesicht und kann die Handlung weiterfestlegen, bzw. mich vor Fallen hüten, in die ich noch kommen könnte. Es könnte aber „ganz kitschig“ in Margits oder Theresas Wohnzimmer enden. Margit singt, Albert spielt Geige, Johann Molnar und seine Tochter Ilona sind da und auch Jan, der inzwischen Marianne in Salzburg besuchte, die sich aber auch mit Ari anfreunden kann…
Beim Schreiben war es spannend zu erleben, was alles aus einer Idee entstehen kann und, daß es gut ist, in der Gegenwart zu bleiben, die Rosa und die Esther Hannah Geschichte dort entstehen lassen und wenn ich es jetzt in einem Satz beschreibe, lernt die Theresa den Albert kennen und am Schluß zieht er bei ihr ein.
Ein Aha-Erlebnis war sicher letzte Woche, daß ich mich von den Stimmen im Kopf „Das geht ja nicht!, das gibt es alles schon!, das ist nicht gut genug!“ etc lösen muß, dann wächst das Rohkonzept und natürlich ist es noch voll von Klischees, die nach und nach hinaus gehören und die Theresa ist vielleicht auch prüder, als die Figuren der Helene Hegemann oder der Charlotte Roche, soll so sein!
Jetzt muß ich wieder an den Anfang, die vorhandenen siebzig Seiten korrigieren und dann weiter machen, ob ich jetzt bei der Hälfte oder schon im letzten Drittel bin, weiß ich nicht.
Flüßiger ist es, glaube ich, geworden und da sehe ich auch einen Schreibfortschritt, der sicher durch das ständige Reflektieren wächst und reift. So halte ich das öffentliche Diskutieren für eine gute Idee, auch wenn wenig Feedback kommt, komme ich damit weiter.
Was noch ein wenig unklar ist, ist der Verlauf der Handlung. Das „Worum geht es überhaupt? und „Wo will ich hin?“, hat sich aber von der ersten Idee „Drei Frauen in einer Wohnung“, eigentlich ganz schön entwickelt und Autobiografie gibt es diesmal nicht sehr viel und auch keine realen Vorbilder.
Die Figuren der Rosa Marianne Theresa sind in meinen Kopf entstanden, stimmt nicht ganz, werden meine Leser einwerfen, hat die Rosa den Namen und auch das Geburtsdatum meiner Mutter, ja, aber eine ganz andere, nämlich eine Mittelschichtbiografie und die Wohnung in der Porzellangasse, wo einmal der Alfred in einer WG wohnte und ich ihn in den frühen Achtzigerjahren das erste Mal besuchte, hatte ich auch im Kopf, als ich die in der Währingerstraße, in der die drei Frauen leben oder lebten, konzipierte. Das ist wahrscheinlich das, was in einem drin ist und wo man das Rad nicht immer neu erfinden muß, die Handlung hat sich dann aber aktuell, durch den Tod von Vaclav Havel, zum Beispiel, weiterentwickelt. Da habe ich mir das Begräbnisvideo angeschaut und dann den Jan den Nachruf halten lassen, denn der war ein politischer Weggefährte des ehemaligen Präsidenten. Das Charta 77 Büchlein habe ich noch immer nicht gefunden, wohl aber Vaclav Havels „Briefe an Olga“, die ich einmal zu lesen abgebrochen habe und Autobiografie von mir, das was zwickt und drückt, etwa die depressive Frau, die im Rathauspark den Bürgermeister trifft, wie in der „Frau auf der Bank“ gibt es hier nicht, denn die Marianne, die altermäßig zu mir passt, hat nicht viel von mir und das mit der Eifersucht auf die Hankas, Katjas, Sonjas hat sich nach und nach entwickelt und war ganz lustig zu erleben.
Also wieder zurück zum Start und am Wochendende nochmals korrigieren, die nächsten Szenen festlegen, weiterschreiben, auf Klischees achten, versuchen, sich nicht von sich selbst zu hindern zu lassen und nicht ständig denken „Das kannst du nicht!“, sondern meine Ideen kommen lassen.
Ein bißchen könnte mich ja die E-Buch Debatte von den unrichtigen Autoren, die es jetzt im Internet gibt und die leidige Frage, ob wirklich alle schreiben dürfen?, die immer wieder kommt, behindern, sollte aber nicht!
Ich schreibe ja schon lang, hatte nicht viel Glück im Literaturbetrieb, 2000 aufgehört, mich um Stipendien zu bewerden, seit dieser Zeit mache ich auch meine Bücher selbst und schicke seit etwa 2004 meine Manuskripte nicht mehr herum. Den Wunsch damit reich zu werden hatte ich nie, eher den, wahrgenommen und anerkannt zu werden. In diesem Sinn benütze ich auch das Literaturgeflüster, das ich seit dreieinhalb Jahren sehr intensiv betreibe. Daß das auch die anderen wollen, für deren Schreiben ich mich sehr interessiere, ist klar und bedroht mich eigentlich nicht. Auch die anderen werden an ihre Grenzen stoßen und hart arbeiten müßen, wenn sie weiterkommen wollen. Ob man mit selbstgemachten E-Büchern, die jetzt so propagiert werden, so einfach reich und berühmt werden wird, glaube ich zwar nicht, weil die Leute immer weniger lesen und sich nur ein kleiner Teil für Literatur interessiert, die anderen sind Konkurrenten und lesen oft nicht viel.
Ich tue es aber und profitiere für mein Schreiben sehr davon. Wenn ich mal ein Buch von einem Autor erwische, der schlechter schreibt, als ich, finde ich das interessant und halte es aus, das gilt allerdings auch umgekehrt für die mehr oder minder gut lektorieren, für den Markt geschriebenen Texte, die man bei Surhkamp, Rowohlt, etc findet.
Jetzt habe ich, um die Flucht nach vorne anzutreten, auf Margot Kollers Aufforderung ihr für die Salzburg Lesung im April, für die ich eventuelle Salzburger Leser schon herzlich einlade, die Handlung der „Wiedergeborenen“ in ein paar Sätzen zusammengefaßt und neue Halbpreisbücher für die Harlander-Leseliste gibt es auch.
2012-01-07
Schreibprozeße und Literaturdebatten
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