Literaturgefluester

2012-01-23

Jachymov

Filed under: Uncategorized — jancak @ 21:21

„Jachymov“ der biografische Roman von Josef Haslinger über den tschechischen Eishockyspieler Bohumil Modry, der 1950 mit seiner ganzen Mannschaft verhaftet wurde, in das Uranbergwerk in Jachymov verlegt wurde, wo er mit bloßen Händen Uran schürfen mußte, fünf Jahre später amnestiert wurde und neunzehnhundertdreiundsechzig noch nicht einmal siebenundvierzigjährig an Leukämie starb, beginnt ganz anders als erwartet, was aber auch nicht verwunderlich ist, ist der 1955 in Zwettl geborene Autor ja seit 1996 Professor am Literaturinstitut in Leipzig und daher Spezialist im spannenden Romanschreiben und ein Realist ist er auch, war er doch Redaktuer im Wespennest, als ich noch meine Texte hinschickte und Generalsekretär der GAV, als ich dort aufgenommen wurde, hat „Opernball“, „Vaterspiel“ und 1980 als erste Veröffentlichung den Erzählband der „Konviktskaktus.“ geschrieben.
Es beginnt also mit einer phantastischen Geschichte, eine Propellermaschine landet auf der Sandpiste, die Ich-Erzählerin steigt aus „Taxi Mam!“, sagt eine unzuverläßige Gestalt, es kommt zu einer Flucht und zu zwei Männern, die über ihren Vater reden.
Man kennt sich nicht recht aus, hat man doch schon vorher in den Medien, viel über den neuen Haslinger-Roman gehört und ich habe im Sommer davon gefahren, als wir von Polen zurück durch die Tschechei fuhren, schon Ö1 empfangen konnten und das Buch spielt auch dort, beziehungsweise in Jachymov, Karlsbad, Prag, was ich jetzt brauchen kann und natürlich auch in Wien. In einer Verlegerwohnung und bei einem versoffenen Arzt in der Klagbaumgasse, denn der Verleger Anselm Findeisen, der von der DDR 1972 oder 1973 nach Wien kam, hat Morbus Bechterew und Dr. Wachsmann emfiehlt die Kur in Jachymov. Aber das kommt erst später, vorher kommt noch was von Briefen einer Tänzerin und einem Manuskript, bevor Anselm Findeisen, am 26. Oktober in seinen Verlag geht und erst nach und nach draufkommt, weil niemnand kommt, daß ja Nationalfeiertag ist, also beschließt er an Kleinhaugsdorf und den vietnamesischen Verkaufsständen vorbei, nach Jachymov ins Erzgebierge zu fahren, geht ins Grandhotel und trifft dort einen „Struweelpeter“, beziehungsweise, eine ältere Frau, später auch, als die Tänzerin bezeichnet. Damit geht es mir ein bißchen ambivalent, denn das tue ich manchmal auch in meinen Texten, da gibt es ja immer wieder einen „Anzugmann“ und in „Der Frau auf der Bank“ auch eine „Brillenschlange“, aber das wurde mir beim Probelesen in der Schreibfabrik kritisiert und ich dachte sofort schuldbewußt „So darf man nicht schreiben, das ist herablassend!“
Josef Haslinger darf offenbar und es kommt viel später in der Geschichte auch noch die „goldene Adele“ im Cafe Schwarzenberg vor, aber da hat Anselm Findeisen schon das Manuskript in Händen und verliert es erst wieder. Im Grand Hotel trifft er erst eine Frau, die sich ihm als die Tochter jenes Bohumil Modry vorstellt, der fünf Jahre dort interniert war, wo es jetzt die Heilquellen gibt, die Anselm Findeisen Linderung bringen. Das kommt aber auch erst später, denn der Roman geht nicht chronologisch voran. Man gewöhnt sich aber daran und lernt ein bißchen was vom Memoirschreiben oder der literarischen Fiktion.
Es gibt also zwei Handlungsstränge, die erfundene, des kranken Verlegers, der aus der DDR geflüchtet ist und die wirkliche des besten Eishockyspielers der Tschechoslowakei, der auch Architektur oder Bautechnik studierte und eigentlich schon als Torwart ausgestiegen war, als er verhaftet wurde und das wird wahrscheinlich sehr authentisch in dem Manuskript erzählt, daß die Tänzerin auf des Verlegers Aufforderung schließlich schreibt und das in Wahrheit von Josef Haslinger geschrieben wurde, der es von Blanca Modra erzählt bekommen hat, die am Burgtheater Tänzerin und Choreographin war. Und es ist eine sehr spannende Doppelgeschichte in der man ein Stück der tschechischen Vergangenheit erfährt, von der man keine Ahnung hatte, als es noch den eisernen Vorhang gab.
Josef Haslinger scheint sehr genau und gründlich recherchiert zu haben, hat bei den tschechischen Namen die korrekten Apostrophe und hat auch am blauen Sofa in Frankfurt davon erzählt und zwar um zehn Uhr Morgens, so daß ich den live stream versäumte und das Video erst gestern nachhörte, da erfuhr man auch, was ich schon beim Shortcuts Festival von Robert Huez hörte, daß Josef Haslinger vor kurzem einen Literaturpreis gewonnen hat, der aus hundertelf Flaschen Wein besteht und Stadtschreiber von Mainz war er auch. Ich kenne ihn schon lange, seit den frühen Achtzigerjahren, als ich meine Texte noch zum Wespennest schickte, als ich dann in der GAV war, hat er auch die „U-Bahngeschichten“ dort veröffentlicht und in der „ROTWEISSBUCH“-Österreichanthologie gibt es einen Satz aus „Zwischen Hütteldorf und Heiligenstadt“, ich sehe ihn auch immer, zum Beispiel bei den Literaturhaus Festivals und als der Alfred das „Vaterspiel“ bei einer Lesung kaufte und es signieren ließ, hat er ihm auch die „Wiener Verhältnisse“ gegeben, die damals als mein erstes Digibuch erschienen sind.
Es gibt also Paralellen zwischen mir und dem ebenfalls realistischen Autor, zum Beispiel, daß ich gerade auch über Prag recherchierte und da gestern ein Video gefunden habe, daß er offenbar in seiner Funktion als Mainzer Stadtschreiber drehte, das „Nachtasyl“ heißt und um ein Wiener Lokal geht, in dem die Exiltschechen und auch Vaclav Havel verkehrten.
Wird wahrscheinlich in die „Wiedergeborene“ kommen und von dem dritten Haslinger-Roman nehme ich mir, glaube ich, das genaue Schreiben mit und das Stück Geschichte von dem, was in meiner frühen Kindheit hinter dem eisernen Vorhang passierte, ist natürlich auch sehr interessant, obwohl ich mich fürs Eishockeyspielen ja nicht sehr interessiere.
Und während ich das schrieb, gab es in den Tonspuren eine Sendung über „Die Rezensenten – vom Ende und Unsinn der Literaturkritik“ in der Sigrid Löffler beispielsweise auch über das Internet, wo jeder seine Meinung über Bücher schreiben und öffentlich lesen kann, stöhnte und etwa „Wenn es halbwegs verständlich ist, sollen das diese Leute tun, aber Rezensionen sind das nicht!“, sagte.

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