Literaturgefluester

2012-02-06

Die Besucher

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:59

„Ein Alptraum im Schleudergang – Kurt Palm zeigt uns, was Mystery alles kann. Ein Roman über Vögel, die vom Himmel fallen, verregnete Landschaften und geheimnisvolle Fremde: Niemand weiß, woher sie kommen, niemand weiß, was sie wollen… Ein Meister der Groteske – Hamburger Morgenpost“, steht auf der Buchrückseite, auf der Vorderseite sitzt eine Frau, das Gesicht verdeckt mit ihren langen Haare im weißen Nachthemd und mit nackten Füßen auf einer Waschmaschine im Keller“ und Kurt Palm hat in einem Radiointerview über seinen neuen Roman „Die Besucher“ von David Lynch Filmen, die ihn und den Roman prägten, erzählt, so daß ich eine Vorstellung hatte, welche Art von Roman mich nun erwartet. So etwas, wie Michael Hanekes Filme, habe ich gedacht und dann beginnt alles ganz real.
Ein Mann, der vierzigjährige Journalist, Martin Koller liegt nach einem Hörsturz im Krankenhaus und kennt die Welt nicht mehr, auf einem Ohr hört er nichts, im anderen hat er irre Töne, so daß er nicht schlafen kann und ihm die indische Schwester mit einem Heilöl einreibt, das dem Gatten einer anderen Schwester sehr geholfen hat, während die polnische Schwester Grazyna für ihn betet und ihm Amulette in die Hand drückt. Er liegt in einem Klassebett, obwohl er kein Klassepatient ist und wird, weil ein solcher erwartet wird, am Morgen entlassen, dabei hatte er in der Nacht arge Panikattacken und die ihm unsympathische Neurologin verschrieb ihm Trittico, Rivotril und Zoldem.
Dabei hat Martin gar keine Ahnung, wie es dazu kam, denn in seinem Leben ist ja alles in Ordnung und Sorgen haben andere Leute auch, die Spitalsärzte zum Beispiel, die sehr lang hintereinander Dienst tun. Er hat von irgendwo ein Buch bekommen, wo drinnen steht, daß er sein Leben ordnen soll, also schreibt er „Versöhnung mit dem Bruder, Mama besuchen und mit ihr reden, neues Auto kaufen, Fensterdichtungen auswechseln“ darauf.
In der Zeit, in der er im Spital lag, bekam er viele Anrufe von seiner Redaktion, die er nicht entgegennahm, er wollte auch nicht besucht werden, ein Kollege deutet aber an, daß der Chef ihn entlassen und einen Volontär an seine Stelle setzen will, es gab da einen Brandanschlag auf ein Asylanenheim und Martin kennt einen Neonaziführer, das heißt, er ist mit ihm zur Schule gegangen, der meldet sich auch bei Martin, als er schon entlassen ist, ebenso meldet sich seine Schwester und will für eine Woche auf Kur, er soll sich inzwischen, um die kranke Mutter kümmern und eine Frau, die von ihm ein Kind will, während sonst nichts mehr in der Ehe stimmt, hat er auch.
Martin fühlt sich also schlecht und als Sandler, hat er sich wegen der Geräusche, die ihn irritieren, ja schon lange nicht mehr rasiert und geduscht, fürchtet sich, seinen Chef anzurufen, fährt in diesem Zustand aber aufs Land, um seine Mutter zu betreuen.
Einen Vater, der an einer Asbestvergiftung starb, die von der Firma, in der er arbeitete, vertuscht wurde, weshalb sich Martin als Feigling fühlt, gibt es auch und eine Freundin, mit der er seine Frau Paula, manchmal betrügt.
So fährt er durch das trübe Regenwetter, auf die Scheibe fallen tote Vögel und die Mutter hat von dem alten Arzt viel zu viele Tabletten verschrieben bekommen. Die Telefonnummer von einer jungen Ärztin bekommt Martin von seiner Schwester auch noch in die Hand gedrückt, die ruft er an und besucht sie, um mit ihr über die Tabletten zu reden. Dabei sieht er schleichende Gestalten und alte Frauen aus unbewohnten Häusern schauen, wie es in Gespensterfilmen schon mal vorkommt. Die Ärtzin, deren Kind durch einen Unfall gestorben ist, lädt ihn für nächsten Abend zum Nachtmahl ein, er besorgt sich von einem ungarischen Urologen Potenztabletten, fühlt er sich durch seine Krankheit ja impotent, der verkauft ihm ein Ärztemuster für teures Geld und die Ärztin erzählt ihm von einer seltsamen Leiche, die verschwunden ist.
In der Vornacht hat er auch noch eine Schachtel mit einem Babyanzug und einem Foto von einem toten Baby am Dachboden gefunden, das vielleicht seit Bruder war und die Ärztin ruft mitten in der Nacht an, hat Angst und holt ihn in ihr Bett. Das klappt dann aber nicht und als er nach Hause kommt, sind die Besucher überall im Haus. Sie haben schwarze Kleider, eine graue Decke und keine Schuhe und Strümpfe, genau, wie die ausgeräumte Frau, die aus dem Krankenhaus verschwunden ist. Die liegt dann am Dachboden, Martin vögelt in sie ein und am Morgen stirbt die Mutter. Die Besucher sind verschwunden und niemand glaubt Martin, was er erzählt. Die Fotos, die er seiner Frau und der Ärztin schickte, kommen nicht an und auch die, die das Krankenhaus von der seltsamen Leiche machte, sind verschwunden. Die Ärtzin läßt Martin im Stich und der Bruder ist auch noch ganz real erschienen und hat der Mutter das Sparbuch, das für ihre Beerdigung bestimmt war, abgeluchst und der Kollege ruft an und erzählt Martin, daß sich der Volontär mit dem Neonazi getroffen hat, den Martin eigentlich treffen wollte.
Martin ist am Ende, hat wieder einen Alptraum, wo im Meer die abgeschnittenen Hundeköpfe treiben und im letzten Kapitel findet ein Jäger, die grauen Decken in dem Wald, in dem die Besucher nach dem Tod der Mutter verschwunden sind.
Das Buch ist aus und ich blieb mit einem beklemmenden Gefühl zurück, denn es ist, abgesehen davon, daß mir der gute Martin, in seiner männlichen Machoart ziemlich unsympathisch war, sehr eindrucksvoll geschrieben und frage mich, was habe ich jetzt gelesen?
Einen Gespensterroman zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts? Einen Alptraum? Die Beschreibung einer Panikattacke? Einer Psychose? Oder die Übertragung der Wahrnehmungen, die ein alter Mensch in seinen letzten Stunden erleben kann?
Kurt Palm hat in einem anderen Interview erzählt, daß er bei seiner sterbenden Mutter war, die von allen ihren Verwandten besucht wurde, während natürlich niemand anwesend war und die Besucher alle schon tot.
Das ist realistisch und kann ich mir vorstellen. Von meinen Supervisionsgesprächen weiß ich auch, daß die Pflegehelferinnen darauf schwören, daß ein Fenster aufgeht und sie wissen, da ist die Frau in Zimmer drei, Bett sieben gestorben.
Das ist zwar nicht beweisbar, aber es gibt ja mehr zwischen Leben und Tod, Himmel und Erde und das alles ist in dem Buch vermengt und in einer sehr beklemmenden Art beschrieben.
Die Realistin in mir schwört darauf, kein Mystery, sondern eine sehr packende realistische Darstellung des grauslichen Lebens, um uns gelesen zu haben, Liebe, Einsamkeit, Tot und Sterben, Gewalt, Rassismus und dann noch ein paar unsympathische Zeitgenossen, die es bevölkern.
Für den Gespensterroman bin ich zu realistisch und würde meinen, da ist mit Kurt Palm, die Lust am Fabulieren durchgegangen und mit manchen übertreibt er auch. So stellt er wahrscheinlich zuviele Fragen für die er zuwenige Antworten hat.
Ich kann nicht sagen, ob mir das Buch gefallen hat? Es hat mich gepackt, weil es sehr spannend und beklemmend geschrieben ist. Lösungen hat es nicht, weil das Leben eben scheiße ist und der gute Martin müßte wahrscheinlich dringend sein Leben ordnen, am Schluß ist er ja arbeitslos und fertig und nur mit Trittico, Rivotril und Zoldem, wird ihm das höchstwahrscheinlich nicht gelingen. Alkoholiker, das habe ich jetzt vergessen, war er auch noch und Kurt Palm hat, was man, wie ich in den Schreibratgebern immer lese, bei dem Buch das gemacht, was man nicht darf, er hat die Grenzen sämtlicher Genres durchbrochen, aus zwei Büchern eines gemacht und ich könnte mir, soweit ich ihn kenne, vorstellen, daß ihn das großen Spaß machte und er es sehr genoß, die Kritker und die Leser zu verwirren.
Jetzt bin ich gespannt, wie die anderen Rezensenten das Buch besprechen, ich habe es, wie schon erwähnt, packend und interessant gefunden, ob es logisch und nachvollziehbar ist, weiß ich aber nicht.
Zu Kurt Palm ist noch zu sagen, daß er 1955 in Vöcklabruck geboren wurde, ich von ihm durch seine Hermes Phettberg Show und seine Bücher über James Joyce, Adalbert Stifter und Mozart das erste Mal hörte und ich ihn persönlich durch den Ohrenschmaus, in dessen Jury, er bis jetzt ja war, ein bißchen kenne.

1 Kommentar »

  1. Hallo !
    Ich habe gerade gestern das Buch gelesen, und bin auch fasziniert gewesen, das Ende läßt einen
    ziemlich verwirrt zurück. Ich bin gleich danach ins Bett gegangen, und hab mich unwohl gefühlt und
    mich ein bischen gefürchtet !
    Obwohl ja nicht wirklich was grausliches passiert ist, hat einen trotzdem ein ungutes gruseln gepackt beim
    lesen des Buches.
    Ich finde es Trotz des komischen Endes wirklich gut.
    Ein Buch das ich nicht so schnell vergessen werde !

    Kommentar von Petra — 2012-02-23 @ 10:33 | Antworten


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