Literaturgefluester

2012-02-22

Ausharren im Paradies

Filed under: Uncategorized — jancak @ 21:32

Nach „Der Hals der Giraffe“ und „In Zeiten des abnehmenden Lichtes“ noch ein DDR-Roman und zwar Renate Feyls „Ausharren im Paradies“, 1992 bei Kiepenheuer und Witsch erschienen, der, wie auf dem Buchrücken steht, 1987 begonnen wurde. Nicht so berühmt, wie die Buchpreisbücher und verglichchen mit dem Ruge und wahrscheinlich auch dem Tellkamp, schildert er das Leben einer Familie in vierzig Jahre DDR weniger schillernd, ironisch und witzig, aber dafür wahrscheinlich authentischer und weil mich das Thema Autobiografie, ja sehr interessiert, finde ich auch Parallelen zu der Autorin. Wurde Renate Feyl ja 1944 in Prag geboren, studierte Philosophie, lebt in Berlin und schreibt Romane und Essays. Ich habe in Harland ein Regal, wo ich die alten DDR-Panoramen sammle, die es früher am Volkstimmefest gegeben hat und dort habe ich auch eine Mappe mit einem uralten Zeitungsauschnitt aus der „Frau“ mit einem Interview einer sehr jungen Renate Feyl, die damals wohl das erste Mal in den Westen kam, der Artikel ist aus den Siebzigerjahren und der „Frau“ etwas über den Sozialismus erzählt und noch eine Erinnerung habe ich an Renate Feyl, habe ich sie einmal in Leipzig im Berliner Zimmer ihren „Radioroman“ vorstellen gehört und sie da auch angesprochen und ihr erzählt, daß Ö1 besser, als die Sender ist, die sie in ihrem Buch beschreibt.
„Ausharren im Paradis“, vierhundertfünzig Seiten dick, gabs im Sommer in der Buchlandung um einen Euro und weil ich den Namen kannte, habe ichs gekauft und dachte eigentlich, es ist ein richtiger DDR-Roman. Er beginnt aber erst nach der Wende und da hat die Heldin Katharina ihre Stelle an dem Institut, wo sie Dozentin war, verloren und erlebt den Fall der Mauer und die neue Freiheit arbeitslos und hantelt sich so antriebslos durch die neuen Zeiten, ärgert sich über ihren Mann Hellberg, der so dynamisch seine Praxis als Zahnarzt aufzubauen sucht und bemüht sich ja nicht mehr als nötig im Haushalt zu machen, um nicht als Hausfrau degradiert zu werden.
So beginnt sie über ihr Leben und vierzig Jahre DDR nachzusinnieren und geht in die Zeit zurück, wo sie mit ihren Eltern, ihrer Schwester Edda und den Großeltern aus der Tscheloslowakei ausgesiedelt, in ein Thüringsches Universitätsstädtchen übersiedelte. Sie kamen aus Prag, wo der Vater, Dr. Kogler, ein früherer Nazi, seine Bücher zurücklassen mußte, jetzt tritt er eine Stelle an der Universität als Slawist an und sagt zu seiner Frau Anna, die aus Stuttgart stammt und eigentlich dorthin will „Im Osten geht die Sonne auf“, deshalb sind sie da und harren aus im Paradies. Vierzig Jahre lange, obwohl sich bald abzeichnet, daß es dort doch nicht so rosig ist. Dr. Kogler ist aber auch ein aufrechter Stalinist, bemüht sich um das Gute und glaubt an den Aufstieg des Sozialismus und als ihm sein Schwiegervater aus dem Westen besucht und ihm von dort Schuhe mit Kreppsohlen bringt, ist er stolz darauf, dann darf er die nicht tragen oder erst viel später, als niemand mehr weiß, daß sie aus dem Westen sind. Dennoch lebt die Familie sehr bürgerlich in Untermiete bei einer Frau Prof. Reimar und Franz Kogler hat auch ziemliche patriachale Ansichten, läßt sich von Frau und Mutter bedienen und in sein Arbeitszimmer, wo er seine Aufsätze und Artikel schreibt, darf man auch nicht kommen.
Die Erzählerin Katharina hat mit ihrer Schwester Edda, die sie mit Mäusen schreckt und sie erziehen will, so manche Schwierigkeiten, dennoch verstehen sich die Schwestern gut und werden, als die Familie nach Berlin zieht auch studieren, Philosophie Katharina, Kunst Edda und sie quälen sich mit dem sozialistischen Alltag ab, wird Katharina doch fast verhaftet, als ein Freund aus Thüringen, der nach Berlin auf Besuch kommt, die Mauer sehen will und als 1968, die Russen in Prag einmarschieren, soll der Vater dagegen unterschreiben, er weigert sich, verliert daher seine Professur, wird aus der Partei geschmissen und bekommt fortan sein Gehalt nur noch so bezahlt. Eddy hat zuerst einen Freund, der sie heimlich aus Westberlin besucht, später flüchtet sie und ruft die Familie vom Flughafen Tegel an und so müßen Mutter und Schwester am nächsten Tag zur Polizei marschieren und die Republikflucht melden.
Katharina hat auch einen Freund, der ein häherer Parteibonze ist, nur leider ist er verheiratet und will sich von seiner Frau nicht trennen und am Institut, in dem Katharina beschäftigt ist, machen die anderen Karriere und dürfen ins Ausland fahren, weil sie sich weigert in die Partei einzutreten. So larviert man sich herum zwischen Anpassung und Widerstand und versucht sein Leben so gut wie möglich zu leben.
Als Annas Eltern sterben, darf sie nicht zur Beerdigung und von dem Fernseher, den sie erbt, muß sie den Westempfang hinausdrehen lassen und ist darüber so empört, daß sie das Kästchen auf den Boden schmeißt,damit es nicht die Parteibonzen bekommen. Katharina heiratet schließlich einen Zahnarzt, Eddy macht in New York Karriere und drei Tage nach dem Öffnen der Mauer ruft sie wieder vom Flughafen Tegel an, kommt auf Besuch und Katharina passt sich langsam an die Wende an, bekommt einen Lehrauftrag in Hannover, so daß sie zwei Tage in der Woche dorthin pendelt und am Schluß des Buches sitzen sie beim Geburtstag des alten Vaters, der über die Wende sehr glücklich ist, nur keine Amerikaner mag und wieder fällt der Satz, daß nur im Osten die Sonne aufgeht.
„Das hast du schon einmal gesagt, vor fünfundvierzig Jahren, als Gretl den Zug nach Bayern nehmen wollte!“

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