Literaturgefluester

2012-04-17

Linus Fleck

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:22

„Linus Fleck“ von Hans Werner Richter ist ein Nachkriegsroman, „der die Situation im besetzten Deutschland schildert“, steht auf der Buchrückseite, des 1980 in der Ullstein „Literatur heute“ Reihe, erschienen Buchs und beginnt in den allerletzten Stunden des Krieges, in einem Dörfchen in Bayern, als der Kriegsgerichtsrat Fleck, offenbar ein überzeugter Nazi, im Sterben lag, das praktizierte er sehr genau, ließ jeden Abend den sechzehnjährigen Sohn Linus knien, um ihn zu segnen, der das nicht ernst nahm, bis er einmal das ganze Veronal auf einmal schluckte, da sind die Amerikaner schon am Hauptplatz aufmarschiert, das Volk empfängt sie mit weißen Tüchern und Linus, obwohl er kein guter Schüler war, rezitert ein paar Brocken Englisch und empfängt sie mit Blumen. Das zieht die Aufmerksamkeit der Besatzer auf ihn, die ihn fortan protegieren. Das heißt zu erst in der Küche arbeiten lassen, wo er, ein Lügner, so leugnet er zum Beispiel die Nazivergangenheit des Vaters und erzählt auch Unwahrheiten über seine Mutter, die nach Amerika durchgegangen ist, zwei Dosen Coned Beef entwemdet, worauf er von Sergeant Maclaens zur Rede gestellt wird. Eine Dose bringt er der Frau des Schuldirektors, eine üppige Blondine, damit er ein gute Zeugnis bekommt, eine andere, der Nachbarstochter, der ebenfalls sechszehnjährigen Sigrid „Engel von Fontainebleau“ genannt, die will darauf den Amerikanern vorgestellt werden und es weiterbringen als er, was bei einem schönen jungen Mädchen, wie in dem Buch geschildert wird, nicht schwierig ist, weil die für Nylonstrümpfe oder Zigaretten ja alles tun oder auch nicht und auch Linus hat seine Proteges, denn einer der Besatzer ist zufälligerweise der Pole mit dem die Mutter nach Amerika durchgegangen ist, der macht ihn zum Chefredakteur einer Jugendzeitschrift, denn die deutsche Jugend muß ja umerzogen werden. Linus nimmt an, hat aber ein Problem, er kann keine Artikel schreiben, erinnert sich aber an einen Schulkameraden, Peter Waschbottel, der das sehr wohl kann und der schreibt nun alle Artikel, die in Linus Namen erscheinen, andere unterzeichnet er mit Ohrenbottel, bzw. Dattelohr.
Peter Waschbottel ist brillant und zynisch und so diktiert er der Gräfin, in deren Wohnung die Redaktion des „Korkenziehers“ untergebracht ist, Artikel über die „Morgenröte der Demokratie“.
Manchmal greift er dabei auch die Amerikaner an, wofür Linus dann zur Rede gestellt wird. Sonst geht es aber lustig zu im Nachkriegs-München.
Linus Fleck wird von den Amerikanern mit Lebensmitteln versogt und verteilt sie an Freunde und es gibt auch die Jugendkongresse, wo Andre Gide und Carl Zuckmayer Reden halten. Linus muß das auch Waschbottel hat sie ihm vorgeschrieben und nach der Währungsreform liegen die alten Reichsmarkscheine am Klo zum Arschabwischen.
Irgendwann verschwinden dann die Besatzer, die Jugendzeitung geht ein, bzw. wird sie vom Verleger in ein „Grünes Blatt“ umgewandelt und die schöne Sigrid hat alle Amerikaner inzwischen so um den Finger gewickelt, daß sie inzwischen Besitzerin einer Filmfirma ist. Linus wird zuerst Filmkritiker und fängt auch langsam seine Artikel selber zu schreiben an, dann gründet er eine Filmzeitung und da wendet sich dann das Blatt. Ein paar Jahre sind vergangen und das deutsche Wirtschaftswunder ist angebrochen. Man lebt auf Pump, trinkt Coca Cola und kann auch keinen Volkswagen mehr fahren, sondern Porsche oder BMW. Linus zieht von der schäbigen Wohnung der Gräfin, die gelegentlich Gespenster sah und sich mit Waschbottel angefreudet hat, in eine mit modernen Möbeln in einen Glasbau, stellt zwei Sekretärinnen an und läßt sich seine Artikel von einem anderen Redakteur schreiben, der ihm auch großzügig Geld vorstreckt. Nur hat er ihn damit in der Hand, kündigt auf einmal den Vertrag, will sein Geld zurück und als Linus dann noch einige Skandalartikel diktiert, wo er alle auffliegen läßt, hat er einen Haufen Klagen am Hals und am Schluß stellt sich noch heraus, das Ganze war eine Intrige, des schönen Engels, der keine Filmzeitung haben wollte, weil sie aber zwar eine knallharte Geschäftsfrau, aber doch ein gutes Mädchen ist, bestellt sie Linus ihre Villa, schläft mit ihm einmal, drückt ihn dann ein Flugticket nach Amerika in die Hand und hat auch alles arrangiert, so daß ihn sein fast Stiefvater dort erwarten wird.
Hans Werner Richter, der auch das Nachwort geschrieben hat, hat das 1957/58 geschriebene Buch „satirischen Roman“ genannt, damals durfte es aber nicht unter diesen Titel erscheint, in der Auflage von 1980 steht es dabei und Richter erklärt in seinem Nachwort noch, daß es Vorlagen für die Personen und auch die Jugendzeitschrift gegeben hat. Der echte Linus Fleck hat sich in New York erschossen, während der Ohrenbottel aus zwei Personen zusammengesetzt war, der eine wurde später Abgeordneter, der andere Professor und der 1908 geborene und 1993 verstorbene Hans Werner Richter, ist wie in Wikipedia steht, weniger durch eigene Werke, als als Initiator der berühmten Gruppe 47 bekannt geworden. Als solcher habe ich vor kurzem erst in einigen Büchern über einige Nachkriegsschriftstellerin von ihm gelesen und finde diesen satirischen Roman, der eine Coca Cola Flasche am Titelbild trägt und ich im offenen Bücherschrank gefunden habe, sehr interessant, fast würde ich es als eines der Grundbücher bezeichnen, das auch in der Alten Schmiede vorgestellt werden sollte, auf jeden Fall ist das Lesen sehr zu empfehlen und gut geschrieben ist es, denke ich, auch, auch wenn ich mir natürlich vorstellen, daß es ein Sechzehnjähriger, der nach dem Krieg ohne Mutter und Vater dagestanden ist, wahrscheinlich nicht so leicht gehabt hat. Man bekommt aber ein gutes Bild über das Nachkriegsdeutschland und kann sich, wenn man das allzu satirische abzieht, vorstellen, wie es damals gewesen ist.

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