Literaturgefluester

2012-05-17

Treffen sich zwei

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:00

Manchmal findet man im offenen Bücherschrank ganz wunderbare Bücher, nämlich die, die auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stehen, wie Iris Hanikas „Treffen sich zwei“ und von dem habe ich schon viel gelsen, wurde der dBP 2008 in der FAZ ja sehr besprochen und so haben sich die Namen Rolf Lappert und Iris Hanika bei mir eingeprägt, die ich beide vorher nicht kannte und Andrea Stift hat etwas später ein zweites wunderbares Buch von Iris Hanika sehr gelobt. Dann gehe ich, Ende April voriges Jahres glaub ich war es, zu der ersten Mai Veranstaltung der Grünen ins Kino in der Burggasse, finde einen Tschingis Aitmatow, der noch kommen wird und „Treffen sich zwei“ setzte es auf die Leseliste und bin dann, wie es mir nicht sehr oft passiert beim Lesen animiert.
Denn ganz ehrlich, für so viel besser halte ich die Literatur der anderen nicht. Sie schreiben natürlich sprachlich galanter und abgehobener, sonst würden sie es nicht in die Verlage schaffen, aber das erscheint mir meistens als ein bißchen maniriert und künstlich. Bei Uwe Tellkamps Bachmannpreistext hatte ich das Gefühl, der ist besser als ich, als ich das Buch dann gelesen habe und das hat ja den dBP 2008 gewonnen, war dieser Eindruck wieder weg. Jetzt habe ich wieder eine Sprachkünstlerin in der Hauptbücherei getroffen, denke mir, sehr bemüht, so will ich eigentlich nicht schreiben und es wurde ohnehin schon alles geschrieben…
Bei Iris Hanika war ich aber baff, denn der ist meiner Meinung nach das Kunststück gelungen einen wirklich ungewöhnlichen Ton zu treffen, der frisch und ungebraucht wirkt und dann merkt man auch die Konstruktion, liest über diese Stellen weg und denkt sich, was mir auch nicht so oft passiert „Ich will weiter und will mich mit den Schönen Worten gar nicht länger aufhalten, wie geht es aus?“
Wahrscheinlich liegts auch am Thema, der Romance, dem Liebesroman und so was hat man ja auch schon irgendwann erlebt, ich jedenfalls, obwohls bei mir nicht so gut ausgegangen ist, als ich mich Schlag um Schlag in den Hans verliebte.
Da treffen sich also zwei in dem hippen Berlin, das wiedervereint ist, man das Ehepaar Sorioglu im Hausflur trifft und in dem oft die Literatur entsteht, die dann den Bachmannpreis gewinnt und es beginnt natürlich sehr theoretisch „Im August ist die Zeit angehalten“ ist der erste Satz.
Aha, reißt mich nicht gerade vom Stockerl, dann geht es zu einem Thomas einem Informatiker, der geladen ist, weil im Büro so gar nichts klappt. Er steht unter Strom, duscht, rennt herum in seiner Wohnung und geht dann in ein Lokal, bestellt zwei Bier, trinkt sie hinunter, geht aufs Klo, steht, als er herauskommt vor seiner Traumfrau Sena und starrt sie sprachlos an und Senta Bergner, nicht Berger, obwohl sie oft mit der österreichischen Schauspielerin verwechselt wird, dieses Thema hatte ich auch schon einmal, hat den ganzen Tag geweint, Lou Andreas-Salome verflucht, weil die immer die tollsten Männer kriegte, Rilke gelesen und an ihren Rainer, ihre verlorene Liebschaft gedacht. Denn Senta verliebt sich sehr oft und heult auch sehr viel. Am Nachmittag arbeitet sie in einer Galerie, da sie Kunst, Literatur und Religionswissenschaft studierte, aber alles nicht abgeschlossen hat. Vorher geht sie manchmal in das Schwulenlokal einen Kaffee trinken, abends ist sie das erste Mal dort, starrt ihren Thomas an und nach dem sie das eine Weile getan hat, gehen sie zusammen weg und er folgt ihr natürlich in ihre Wohnung, denn jetzt geht er nicht weg. Dann liegen sie im Bett und vögeln oder ficken, obwohl Thomas für Senta natürlich seine Ambivalenzen hat. Sie erzählt ihm auch, wie sie zu ihrem Namen kam, denn ihre Eltern waren Wagnerianer, so heißen ihre Geschwister Tristan, Isolde und Wolfram, die alle, wie Thomas natürlich weiß, den Liebestod sterben und Thomas verläßt Senta am Morgen, denn er muß was arbeiten.
„Ich ruf dich wieder an!“
Wie soll er das machen?, kennt er ihre Telefonnummer doch nicht, denkt Senta, geht ins Internet und schaut unter Thomas und unter Systemberater nach, kommt da seltsamerweise auf ein paar Adressen von Wiener Psychotherapeuten. Wieso das, habe ich nicht ganz verstanden, aber Senta hatte möglicherweise mal einen Wiener Liebhaber, so ist ihr auch das Wort „Zwutschgerl“ bekannt, eine Anspielung auf Freud könnte es auch sein. Dann kommen auch Einschübe übers Weinen und man denkt sich, was soll das? So soll man doch nicht schreiben, raten die Schreiblehrbücher. Aber vielleicht macht das das Buch interessant und ungewöhnlich. Zwischendurch folgen auch immer Schreibanweisungen, was sich die Autorin über den Schreibfluß denkt und Thomas ruft natürlich schon am Nachmittag in der Galerie, wo sich Senta lesend langweilt an, weil er hat sie natürlich übers Netz gefunden und ihr Name stand auch an der Tür.
Sie gehen in einen Park und auch was essen, beide wohnen sie in Kreuzberg, einer von ihnen hat schon mal in Neukölln gelebt und Senta denkt wieder nach ob er der richtige für sie ist? Sonst aber vögeln sie und trennen sich, um zu arbeiten und einmal kann Thomas nicht am Abend kommen, weil er eine Geschäftsbesprechung hat.
Senta trifft deshalb ihre Freundin in einer Pizzeria, macht Schluß mit ihr, weil sie sie nicht versteht, bleibt noch im Lokal sitzen und bestellt sich eine Flasche Wein und als Thomas anruft, ist sie so betrunken, daß sie ihm vorwirft, daß sie bei ihm nicht kommen kann, als er sie abholt, ihn aber gleichzeitig küssen will Er bringt sie nach Haus und macht Schluß mit ihr. Dann folgt wieder ein witziger aber völlig unpassender Einschub über die Urintherapie von Sentas Chef. Senta geht ins Kino, Thomas denkt über Senta nach, Sentas Chef will von ihr wissen, ob sie schwanger ist. Präservativ haben sie natürlich keins verwendet, ist sie aber nicht und Thomas Chef, ein verständiger Iraner fragt ihn was los ist und rät zu ihr hinzugehen und ihr Rosen zu bringen. Das tut er auch, sie ist nicht da, er sitzt vor ihrer Tür, sie geht vom Kino kommend an ihm vorbei, das geht noch so eine Weile, bis sich die zwei dann wieder treffen…..
„Nicht weinen!“, sagte er mit einer Stimme wie Salbe, „nicht weinen.“
Das drückte ihr bedächtig die Augen zu, und sie stand nun fest auf ihren Beinen. Er sagte: „Wir kriegen das schon hin. Sie lehnte sich an ihn, der sie fest umfing.
An dieser Straßenkreuzung in der Luisenstadt, an diesem schönen Vormittag im September.“
Iris Hanika wurde 1962 in Würzburg geboren und lebt seit 1979 in Berlin. Sie war feste Mitarbeiterin der Berliner Seiten der FAZ, führte eine Chronik im Merkur, hat mehrere Bücher geschrieben und erhielt 2006 den Hans-Fallada-Preis.

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