„Das Hühnerparadies“, ein falscher Roman aus Gerüchten und Geheimnissen, von Dan Lungu, aus dem Rumänischen übersetzt von Aranca Munteanu ist der erste, von inzwischen drei bei Residenz erschienenen Romanen, des 1969 geborenen Autors.
„Ein rasantes Schelmenstück aus der rumänischen Provinz, wo der Geist Ceausescus durch die Geschichten der Dorfbewohner spukt und die versprochene Zukunft noch auf sich warten läßt“, steht auf der Buchrückseite und ich habe von dem Autor das erste Mal 2009 gehört, als er in der Hauptbücherei die „Rote Babuschka“ das zweite bei Residenz erschienene Buch vorstellte, das dritte „Wie man eine Frau vergißt“, habe ich im Dezember 2010 gelesen.
Mit Schelmenstücken tue ich mir wahrscheinlich schwer, auch mit denen aus der postkommunistischen Provinz, weil ich nie so genau weiß, wie ernst ich das zu nehmen habe.
Der Kommunismus ist also fast vorbei in der Akazienstraße und von der und ihren Bewohnern wird in zehn Kapiteln erzählt, wo das erste zum Beispiel die Überschrift hat „In dem sich Frau Milica Zugang zum Haus des Oberst verschafft, das Fräulein Veronica Geambasu Besitzerin eines „unehelichen Embryos“ wird und in Relu Covalciucs Garten seltsame Dinge passieren“, solche Kapitelüberschriften, die ich von E.T.Hofmann kenne, gehören offenbar zu Schelmenromanen und es wird auch gleich in das Buch hineingesprungen.
In der Akazienstraße gibt es nämlich das Haus eines Oberst, der nicht so recht in die Gemeinschaft passt, er hat sich zu den Rentnern und den Arbeitslosen, die seit dem Sturz des Regimes dort wohnen, vorher waren sie Genossen und angestellt, eingekauft und, wie die neugierige Frau Milica erzählt, teure Teppiche und Bilder in seinem Haus, während die anderen nichts haben oder eigentlich doch, denn ein bißchen trauern sie dem verlorenen Regime nach oder haben sich noch nicht so ganz an das neue des Liberalismus gewöhnt und ihr Autor macht sich über all das auch ein bißchen lustig.
So kommt die neugierige Frau Milica unter dem Vorwand telefonieren zu wollen, in das Haus des Fremden und erzählt dann allen, wie toll es eingerichtet ist und die sind zuerst neugierig, dann fallen sie über die Erzählerin her und vom Fräulein Veronica heißt es zuerst, sie ist schwanger, dann das sie heiratet und später erfährt man, die Schwangerschaft war nur ein Vorwand, damit sie heiraten durfte.
Im zweiten Kapitel geht es zurück in den Kommunismus, denn Herr Mitu erzählt, vielleicht im „Zerknautschten Traktor“, dem Wirtshaus, wo sich alle Männer treffen, wie er einmal in die Stadt gefahren ist, um den Genossen Ceausescu zu sprechen und, wie ihn der bewirtet und beschenkt hat. Das ist jetzt vorbei und die Straßenbewohner wissen nicht so recht, ob sie sich über den „Erschossenen“ freuen sollen oder nicht. Denn damals konnte man zwar nichts in den Geschäften kaufen, man hatte aber Geld und die Sachen, die man zum Leben brauchte, hat man sich an seiner Arbeitsstelle organisiert. Jetzt hat man die verloren und findet sich im „Zerknautschten Traktor“ zu Klatsch und Tratsch und erzählt sich die sonderbarsten Dinge.
So wird im dritten Kapteil beispielsweise berichtet, daß dort, wo jetzt das Haus des berühmten Oberst steht, der im „Traktor“ höchstens Mineralwasser oder Fruchtsaft trinkt, während die anderen Wodka saufen, ein Misthaufen war, der von den Behörden zugeschüttet wurde, weil die Siedlung eigentlich abgetragen werden sollte und die anderen warten schadenfroh darauf, daß in sein Haus Risse kommen.
So wird Kapitel an Kapitel aneinandergereiht in denen, satirisch liebevoll, die postkommunistischen Käuze vorgestellt werden, die es offenbar nicht nur in der Welt der Tante Jolesch gegeben hat, auch wenn das Herrn Torberg wahrscheinlich ärgern würde. Es gibt sie auch in der postkommunistischen Provinz, wo sich Herr Relu Covalciuc, ein Hühnerparadies wünscht und dann in arge Bedrängnis gerät, als plötzlich in seinem Garten die Regenwürmer auftauchen und kein Mensch genau weiß, wo genau sie herkommen. Gut, Herr Covalciuc säuft auch soviel, daß ihm der Arzt schon den Tod prophezeit, aber die Regenwürmer sehen auch die anderen und kommen herbei, um sie anzustaunen und im „Zerknautschten TraKtor“ wird schon besprochen, ob man sie nicht vielleicht den Westlern verkaufen kann, denn die lassen sich ja alles andrehen und das soll man ja im Postkommunismus. Am Ende waren es dann die Männer von der staatlichen Strom und Gasversorgungsgesellschaft, die irrtümlich ein paar Stromstöße durch den Garten schickten enttäuscht und wir haben noch ein paar andere schräge Typen kennengelernt, die Frau Vera Socoliuc zum Beispiel, die sich aus Bukarest in die Akazienallee eingeheiratet hat und sich nun auf das Sterben vorbereitet, vorher hat ihre Schwiegermutter sie aber zu dem Brunnen geschickt, wo es Wasser gibt, wo die Bohnen erst weich werden, wenn man ein paar rostige Nägel hineingibt, Herrn Petrica, der jetzt verbittert ist, aber vorher ein begehrter Schildermaler war und die schönsten Obst, Gemüse oder Milchabbildungen auf Etiketten malte oder Frau Aurora Spataru, die ihre Finger unentwegt bewegen muß, so daß sie gratis Pullover strickt, wenn man ihr dafür Wolle gibt und wenn man das nicht tut, die schon gestrickten wiederauftrennt, zu mindestens erzählt sie das im Fernsehen, in dem sie schon einmal in einer Sendung über kurioses aus allter Welt aufgetreten ist und man hat ein bißchen, was über den Rumänischen Postkommunismus gelernt, der wahrscheinlich gar nicht so lustig ist, wie ihn Dan Lungu schildert, obwohl man, wie Alexandre Fille auf der Rückseite meint, „Das Hühnerparadies unbedingt lesen muß“, da „dieser witzige Erstroman viel über das Rumänien von gestern und heute aussagt.“
2012-05-27
Das Hühnerparadies
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