Literaturgefluester

2012-07-25

Radetzkymarsch

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:59

Jetzt habe ich also auch den „Radetzkymarsch“ gelesen, jenen 1932 erschienenen Roman, Joseph Roth mit dem er berühmt geworden ist. Ich habe es ja schon öfter geflüstert, meine Geschichte zu dem Buch, das es im Bücherkasten meiner Eltern, eine Büchergilde-Gutenbergausgabe mit den Initialen meiner Mutter R. J., Rudolf Prack auf der Umschlageseite auf der Rückseide ist Romy Schneider als Sissy mit dem jungen Karl Heinz Böhm zu sehen, gegeben hat, ist ein sehr ambivalentes.
Ich habe es, als ich meinen Vater betreute, sehr oft in der Hand gehabt, aber nicht gelesen, denn für Joseph Roth habe ich mich sehr interessiert, aber nicht für einen Roman, in dem es über die Monarichie und Männer geht und die Frauen nur als Liebhaberinnen, Haushälterinnen oder in Bordellen aufscheinen. In den frühen Siebzigerjahren im Gartenhäuschen meiner Eltern, in dem ich damals meine Sommerfrischen machten, gab es den Film von Michael Kehlmann, dem Vater des Daniel, mit Helmut Lohner in der Hauptrolle, an Guido Wieland kann ich mich noch erinnern und Gertraud Jesserer spielte, glaube ich, eine Hure, eine der wenigen Frauenrollen, an denen ich mich erinnern kann und war enttäuscht, lauter Uniformen und ein endlos Geschwafel über die zerfallene Monarchie, was geht die mich an? Dann gab es ein Jubläumsjahr, da habe ich mir noch Bücher gekauft, bzw habe ich mit mir gerungen und bin dann zum Libro auf die Mariahilferstraße marschiert und „Rechts und Links“, „Hotel Savoy“, „Das Spinnennetz“ erworben und die „Kapuzinergruft“ glaube ich, bewußt ausgelassen. Dann habe ich mir noch 1994 die Lunzer Biographie und „Unterm Bülowbogen“ mit Texten des Journalisten gekauft und den Film „Tafelspitz“ habe ich auch einige Male gesehen und war hingerissen von seiner Sentimentalität und da zitiert Otto Schenk ja die Stelle mit dem „Tafelspitz“.
Otto Lembauer ist auch ein Joseph Roth Fan und hat den Vorsatz alle seine Werken zu lesen und im Literaturhaus gibt es die Joseph Roth Gesellschaft und eine Reise nach Lemberg auf Roths Spuren, die ich dann noch nicht machte, dafür die große Ausstellung 2007, die irgendwie in die „Radiosonate“ eingeflossen ist und noch ein paar Roth Veranstaltungen im Literaturhaus und da haben mich die alten Männer sehr beeindruckt, die mit Tränen in den Augen von den schönen Stellen schwärmen, die, wo der Kadettenschüler zum Wachmeister Slama geht und die Briefe von seiner verstorbenen Frau abholt.
Ja und der Name „Trotta“ hat die nicht Germanistin auch etwas verwirrt, denn in den „Drei Wegen zum See“ kommt ja auch ein „Trotta“ vor und die gab es 1977 oder so im Fernsehen. Inzwischen habe ich sehr viel gelesen, sammle alte Bücher, wo ich sie bekommen und Thomas Wollinger hat plötzlich auch angefangen den „Radetzkymarsch“ zu zitieren und immer wieder schöne Stellen gezeigt, an denen man das Schreiben lernen kann und ich will ja die Bücher meiner Eltern auflesen, die in Harland stehen, also ist der „Radetzkymarsch“ zu mir gekommen und ich war begeistert, denn „Flucht ohne Ende“ habe ich vor kurzem gelesen und war über den „modernen Ton“, des 1939 elendig in Paris Verstorbenen besgeistert.
Zufall, daß ich in Wien gerade Ernst Lothars „Engel mit der Posaune“ ein Fund aus dem Bücherschrank lese, den ich einmal in der Paula Wessely Verfilmung gesehen habe, aber an diesem Ton kommt der Roman, der wahrscheinlich auch vom Zerfall der Monarchie handelt nicht heran.
Der Untergang der Monarchie, mir als 1953 geborene ganz egal, Joseph Roth ist aber höchstwahrscheinlich daran zerbrochen und hat sich wahrscheinlich auch über die Offiziere ein wenig lustig gemacht, so würde ich es zumindestens interpretieren und, um die Frauenfeindlichkeit, die Frauen kommen ja wirklich nur als Haushälterinnen, Ehebrecherinnen, Prostituerte oder als die edlen Wesen vor, die die Kadettenschüler in die Welt der Liebe einführen, kommt man natürlich nicht herum, es ist aber eine eigene Welt, die da geschildert wird und sie beginnt mit dem Helden von Solferino, dem Großvater, der den Kaiser das Leben rettet und dieser Franz Joseph ist ein Superheld und der Vater seiner Untertanen, wenn man Sorgen hat, geht man zu ihm zur Audienz und Franz Joseph richtet und als der Kaiser stirbt ist die ganze Epoche zugrunde gegangen und mit ihr auch das Geschlecht der Trotta, was jetzt, glaube ich, gar nicht so stimmt, denn es gibt ja einen Fortsetzungsroman, die „Kapuzinergruft“ und die hätte es auf dem Stattersdorfer Flohmarkt gegeben, da habe ich das Buch aber liegen lassen, weil ich dachte, ich hätte es schon. Jetzt muß ich warten bis ichs im Bücherschrank finde und ich schreibe es gleich dazu, der „Radetzkymarsch“ ist eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe und das meine ich, wie meine Stammleser wahrscheinlich wissen, nicht sehr oft. Bei „Im Westen nichts Neues“ würde ich etwas Ähnliches sagen, aber sonst eigentlich kaum und weil es so ein tolles Buch ist und natürlich auch sehr bekannt, weiche ich auch von meinem gewöhlichen Hineinlesen und den Inhalt wiedergeben ab und beschränke mich aufs Bonmonts. Leutnant Joseph Trotta rettet also dem Kaiser das Leben und bekommt allle Auszeichnungen, den Maria Theresia Orden, wird Hauptmann und geadelt. Er heiratet dann auch bald und entdeckt eines Tages im Schulbuch seines Sohnes eine ganz falsche Darstellung der Szene, die ihn sehr erzürnt, denn so war es ja nicht.
„Es ist ein Buch für Kinder!“, sagt seine Frau, die auch eine untergeordnete Rolle spielt und bald stirbt, das sagen auch seine Vorgesetzte und der Kaiser zu dem er sich deshalb in Audienz begibt, trotzdem quittiert er den Dienst, das Gedicht wird auch aus dem Schulbuch entfernt und der Sohn des Helden von Solferino wird Berzirkshauptmann und führt, bald Witwer geworden auch ein autoritäres Regime, obwohl er zu seiner Haushälterin „Gnädigste“ sagt, die kocht den sonntäglichen Tafelspitz oder läßt ihn kochen und alle am Tisch essen sehr schnell, wie der Bezirkshauptmann, die Gnädige läßt sich vom Diener Jaques, der eigentlich Franz Xafer Joseph heißt, in ihrem Zimmer nachservieren und der Kadettenschüler Carl Joseph Trotta, der immer am Sonntag in den Ferien nach Hause kommt, muß sich beeilen nachzukommen, dann darf er zwei Kirschknödel essen und geht zuerst mit dem Vater, dann allein spazieren, das heißt in die Wohnung des Wachmeister Slamas, wo ihn die schöne Gattin sanft entjungfert. Als er mit der Ausbildung fertig ist, ist sie gestorben, der Vater schickt ihm zum Kondoloeren hin und der Wachmeister gibt ihm die Briefe seiner Frau, worauf er dann ins Cafehaus geht sich einen Kognac bestellt und den Vater trifft.
Das sind, glaube ich, sehr beeindruckende Stellen und auch die, wo der alte Diener Jaques stirbt, mit ihm stirbt die Monarchie oder kündigt ihren Verfall an. Er bekommt auch ein Begräbnis erster Klasse, der alte Vater fährt darauf zum Sohn, der sich nach einem Duell an die russische Grenze versetzen ließ und dort bekommt man vom Verfall der Monarchie noch viel mehr mit. Es gibt nämlich Aufstände und Streks der unzufriedenen Arbeiter und als der Bezirkshauptmann einen neuen Diener einstellen will, scheitert er daran, denn die wollen sich nicht mehr Jaques nennen lassen und sind auch, ach Schande, bei der sozialdemokratischen Partei.
Carl Joseph beginnt aber zu spielen, gerät in die Fänge einer Frau Taussig, verschuldet sich und der Vater muß ihn auslösen, in dem er sich wieder zum alten Kaiser in Audienz begibt, der weiß nicht recht, ist das jetzt der Enkel, der Sohn oder der Vater, hilft aber, wie es von seinen Untertanen erwartet wird und während man in der Garnison ein Fest feiert, wird der Thronfolger in Sarajewo erschossen. Carl Joseph verläßt zuerst die Armee, fällt aber, nachdem der Krieg ausbricht und der Vater stirbt, nachdem der Kaiser gestorben ist, denn das Geschlecht der Trottas kann ihn nicht überleben.
Eines der beeindruckensten Bücher, die ich seit langem gelesen habe und der Otto und die alten Mämmer im Literaturhaus haben recht, Joseph Roth ist ein großer Dichter und man erfährt viel über die ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhundert und, um die Monarchie in dem Sinn, wie man sie in den Fünfzigerjahren in den Sissy Filmen gesehen hat, geht es, glaube ich, dabei überhaupt nicht, aber da war Joseph Roth schon lange tot, ist er an seinem Alkoholkonsum um Schreiben zu können und wahrscheinlich an der damaligen politischen Situation 1939 ja elendiglich in Paris zugrunde gegangen.

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