Literaturgefluester

2012-08-26

Die Nacht von Olmütz

Filed under: Uncategorized — jancak @ 20:02

Gustav K. Bieneks Roman „Die Nacht von Olmütz, 1946 erschienen, ist, in der Ausgabe von 1951, eines der Büchergilde-Gutenberg Bücher, die ich von meinem Vater erbte und das ich schon immer lesen wollte.
Jetzt habe ich mir ja einen Anlauf gegeben und aus den Büchern ein paar für meine Leselisten herausgeholt und an Olmütz sind wir ja auch bei unserer Sechs Länderreise durchgefahren und dann war das Buch auch ganz zufällig an der Reihe, so daß ich es vorige Woche zu lesen begonnen und auch auf unser Slakdy Wanderwoche, das uns vom Gleinkersee ins Linzer Haus führte, mitgenommen habe und da wir uns am Samstag doch nicht auf den Warschenek, sondern nur auf den Stubwieswipfel trauten, wo wir schon nach zwölf wieder auf der Hütte waren, habe ich es auf den Rundwanderweg mitgenommen und es Kaptitelweise von einer Bank zur anderen und dann noch ein paar Kapitel vor dem kleinen See gelesen, den es gleich bei der Hütte gab.
Ein interessanter Lesenachmittag, obwohl es thematisch weder in die Zeit noch in die Landschaft passt, denn „Die Nacht von Olmütz“, spielt in der Nacht vom 30. November 1948 zum 1. November in dem Olmützer Schloß in das sich die Habsburger Kaiserfamilie nach der Revolution von 1948 zurückgezogen hat und schildert in sechzehn Kapiteln, das, was in dieser Nacht passiert sein könnte, um den achtzehnjährigen Erzherzog Franzi am 2. Dezember 1948 zum Kaiser Franz Joseph zu machen, was er da dann ja sehr lange war.
Die Kaiserfamilie, Kaiser Ferdinand I, sein Bruder Erzherzog Franz Karl, seine Frau Erzherzogin Sophie, Erzherzog Franzi etc sind mit dem Gefolge in eines der kaiserlichen Schlößer ins Olmütz geflohen und der 1920 geborene Schriftsteller und Journalist Gustav Karl Bienek, der auch Kulturredakteur der Arbeiterzeitung war, beschreibt das Ganze sehr ausführlich und gibt auch ein bißchen Geschichtsunterreicht.
Die Revolution von 1948 ist gescheitert, das Volk, die ehrgeizige Erzherzogin Sophie und die Hokamarilla, Fürst Windischgrätz, Fürst Schwarzenberg, Baron Jellacic etc, wollen Veränderungen, denn der Kaiser ist schwach und gütig, so war, glaube ich, sein Beiname, „pascht“ am liebsten von seinen Regierungsaufgaben ab und der ganze Hof muß ihn dann suchen und findet ihn auch meist am Kohlmarkt wieder, sein Bruder Franz Karl, der der nächste Thronanwärter ist, ist auch irgendwie eigenartig, denn er schnitzt am liebsten Holzpferde und Schiffe und beschenkt damit seine Kinder zu Weihnachten, ist aber eher liberal und die ehrgeizige Erzherzogin will mit ihrer Kamarilla im Bund ihren Sohn zum Kaiser machen.
Der Kaiser ist auch bereit abzudanken und so rennt Sophie mit dem Verzichtsdekret in der Kleidertasche jede Nacht zu ihrem Mann, offenbar hatten sie kein gemeinsames Schlafzimmer, um ihn zur Abdankung zu überreden.
Der will aber nicht, sagt, das regelt sich von selbst, empfängt auch den Innenminister, einen ehemaligen Revolutionär und so passiert in der Nacht zum ersten Dezember in Olmütz angeblich sehr viel.
Ob sich das wirklich so zugetragen hat, weiß ich natürlich nicht, der Journalist und Schriftsteller hat es aber sehr spannend erzählt.
Es gibt den Kammerdiener Klapka und den Leibkoch Schandera, der den kaiserlichen Hoheiten Essigzwetschken bringt, der Kaiser entfleucht ein bißchen und der junge Franzi geht zu seiner Geliebten Bozena, einem mährischen Bauernmädchen, das ihn in die Liebe einführte und die Erzherzogin, geht zu ihren Mann, überredet ihn das Dekret zu unterschreiben, er schüttelt den Kopf, so geht es zuerst zum kaiserlichen Abendessen Schöberl-oder Frittatensuppe, Wiener Schnitzel oder Beinfleisch und dann die gute Sachertorte, von der sich die kaiserlichen Hoheiten gleich ein paar Stück einverleiben, während der junge Franzi am liebsten Obst hat und das hat Bozena für ihn vorbereitet..
Dann muß der Kaiser zu Franz Karl, um ihn zum Verzicht zu bewegen, der sagt, „Das macht schon der liebe Gott und ich wünsche dir noch ein paar Jahre“, dann muß der Kammerdiener Klapka her, denn der war früher Schauspieler und der Erzherzog liest gerne Gespensterromane und scheint auch an Geister zu glauben. So erscheint ihm eines in einem weißen Leintuch und sagt „Ich bins, dein Vater, der Kaiser Franz, danke endlich ab!“
Der Erzherzog erkennt natürlich den Kammerdiener, nennt ihn einen schlechten Schauspieler, was diesen fast zum Herzinfarkt bringt, dann geht er zu seiner Frau, erzählt ihr die Geschichte und verzichtet endlich und am 1. oder besser am 2. Dezember kann der junge Franzi, Kaiser Franz Joseph werden, da wird dieser Name auf der letzten Seite des Buches endlich erwähnt, aber die Leserin hat sichs ohnehin schon ausgerechnet, daß es Franz Joseph sein muß, denn, daß der mit Achtzehn den Thron bestiegen hat, weiß sie aus der Schule.
Das Vaterland also gerettet, bis 1916, bzw. 1918, denn im ersten Jahr ist Franz Joseph hochbetagt gestorben, im zweiten ging die Monarchie zu Ende und was das bedeutete, hat ja Joseph Roth in seinem „Radeztkymarsch“ sehr eindringlich beschrieben, 1932, war das, dann kam der zweite Weltkrieg, den hat Roth nicht mehr erlebt und als der zu Ende war, sind sehr viele Romane entstanden, die Kaiser Franz Joseph und die Monarchie zum Inhalt hatten, die Sissi-Filme wurden gedreht und ich denke, das wird kein Zufall sein, daß sich die Fünzigerjahre mit dieser Zeit beschäftigten und diese Bücher hat auch die Büchergilde Gutenberg herausgebracht.
Ein paar habe von meinem Vater geerbt. Ernst Lothars „Engel mit der Posaune“, das sich auch mit dem Zerfall der Monarchie beschäftigt und das ich gerade in Wien lese, habe ich im Bücherschrank gefunden und einmal als Film mit der Paula Wessely als Henriette im Fernsehen gesehen.
Jetzt beschäftigt man sich ja weniger mit dem Zerfall der Monarchie. Unsere Zeit der Globalisierung und der Wirtschaftskrise verlangt andere Themen, wenn man aber die alten Bücher hat und den Ehrgeiz sie alle aufzulesen, kann es schon sein, daß man sich in einem Sommer viel mit der Monarchie beschäftigt und es ist auch sehr interessant.
Von Gustav Karl Bienek, habe ich „Die Rabengasse“ auf meiner Leseliste und „Das Wasserzeichen“, glaube ich, auch einmal bekommen. Schade, daß der Autor inzwischen so vergessen ist und man im Internet nur sehr wenig über ihn findet.

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