Literaturgefluester

2012-08-30

Der Scholar vom linken Galgen

Filed under: Uncategorized — jancak @ 08:54

Scholar vom linken Galgen wurde der berühmte Balladendichter Francois Villon, der eigentlich Francois de Mountcourbier oder Francois de Loges geheißen haben dürfte und von 1431 bis 1463 lebte, genannt, es gibt eine gleichnamige Ballade, die am Beginn von Fritz Habeck gleichnamigen Buchs, das Schicksal Francois Villons steht, das der 1916 in Neulengbach geborene, 1941 veröffentlicht hat.
Rudolf Kraus schreibt dazu in seiner Buchkritik von 2005, daß das Buch, obwohl die Nazis ja Blut und Boden Heimatdichtung förderten, 1941 bei Zsolnay erscheinen konnte. Ich habe eine Büchergilde Gutenberg Ausgabe von meinen Eltern geerbt und von Habeck schon den „Ritt auf dem Tiger“ gelesen, da ich mir einmal auf dem Stattersdorfer Flohmarkt kaufte.
„Der Scholar vom linken Galgen“ ist ein sehr interessantes Buch und wirkt obwohl es schon so lange geschrieben wurde, noch immer sehr frisch erzählt, das liegt wohl daran, daß es der Autor als sehr junger Mann geschrieben hat und an Francois Villons Lebenslauf, der für mich bisher eine Legende war. Man kennt manche seiner Zitate und als ich im Buchkatalog nachschaute, fand ich einige seiner Balladenausgaben, die aber hauptsächlich Alfred gehören dürften, ich habe, glaube ich, in den Bücherschachteln der Edith Brocza, einen Villon gefunden, aber noch nicht gelesen und auch, ganz ehrlich, gar nicht realisiert, daß das ein mittelalterlicher Dichter war, von dem immer noch soviel die Rede ist.
Dank Fritz Habeck habe ich jetzt eine Wissenslücke aufgeholt und ich denke, das Buch liest sich sicherlich viel frischer, als die Blut- und Bodennovellen, von denen ich auch einige geerbt und zum Beispiel Jelusichs „Chromwell“, vor einigen Jahren gelesen habe.
Das Buch ist in sieben Abschnitten gegliedert, denen jeweils eine Villon-Ballade vorangestellt ist, die von Richard Dehmel, K. L. Ammer, aber auch vom Autor selbst, übersetzt wurden.
Das erste Kapitel schildert die Geburt des Dichters, in dem armen, vom Krieg mit den Engländern zerbeutelten Paris, das Kind wird von einem Freudenmädchen notgetauft, für die richtige Taufe verlangen die Kleriker zu viel Geld, so daß die Mutter zu Guillaume Villon, einem Geistlichen geht, der in dem Buch der Vater des Kindes ist.
Wikipedia schreibt nur etwas von mittellosen Eltern. Das Kind wächst in Paris auf der Straße auf, übt sich in Bandeskämpfen, überlebt die Pest, wärmt sich in Freudenhäusern und läßt sich von den Mädchen dort Geschichten erzählt. Dann nimmt ihn der Stiftsherr und Rechtslelehrte Guillaume Villon in die Lehre, dessen Namen er später annimmt, lernt schreiben und Virgil auswendig, macht sein Baccelaureat und beginnt zu studieren. Er wird Maistre und fängt zu dichten an.
Habeck schildert auch sehr ausführlich seine Erlebnisse mit den Frauen, die als sehr freisinnig geschildert werden, was, wenn man bedenkt, daß das Buch 1941 erschienen ist, sehr beeindruckend ist. Da gibt es eine Margot, die Inhaberin eines Freudenhauses, eine Catherine, die er begehrt, die ihn verschmäht und auch betrügt. Überhaupt betrügen in dem Buche alle alle und es werden einige sehr freimütige Szenen geschildert, wo sich Villon unter dem Bet versteckt, als der Ehemann, der Dame mit der es treibt, erscheint, dann pumpert er dagegen, der Mann holt den Geistlichen und Villon setzt das Liebesspiel fort, etc.
Die Ämter und die Würden scheinen Villon nicht gelegen zu sein, er scheint, sowohl die Obrigkeit, als auch die Frauen, obwohl er große Gönner hatte, durch seine Spottgedichte erzürnt zu haben, es kommt zu einem Totschlag, Villon muß fliehen, wird aber durch seine Gönner begnadigt, trotzdem schließt er sich verschiedenen Verbrecherbanden an, er wird verhaftet und gefoltert, verbringt einige Zeit in bischöflichen Gefängnissen, wo es auch zum dem Spottnamen kam. Vor der Hinrichtung wird er immer wieder begnadigt, er lebt an mehreren Dichterhöfen, wird immer kränker und nach einem letzten Todesurteil, verbannt, so daß er nach dem er die berühmten Worte „Ich bin Franzose, was mich bitter kränkt“ geschrieben hat, Paris verläßt und sich die Spuren verwischen.
Spannend, spannend, nach so viel Nostalgie an die Monarchie und das vergangene Österreich, dieses Sommers, ein Buch, das in der Nazizeit erschienen ist, zu lesen, daß sich mit einem sehr freimütigen französischen Dichter beschäftigt und das ich zur Lektüre auch sehr empfehlen kann.
In den Bücherkästen kann man vielleicht eine der alten Ausgaben finden, ich glaube, es ist aber auch bei Otto Müller 2004 erschienen und vielleicht immer noch erhältlich.

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