Literaturgefluester

2012-10-13

Der Winter tut den Fischen gut

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:24

Fein, daß ich Anna Weidenholzers ersten bei Residenz erschienenen Roman „Der Winter tut den Fischen gut“, besprechen kann, habe ich zu der 1984, in Linz geborenen Autorin doch eine eine besondere Beziehung, was heißt, daß ich sie von ihren ersten Veröffentlichungen in Etcetera und in der Wortlaut Antohlogie 2009 und den Angelika Reizter Texvorstellungen, kenne. Dann ist sie in die GAV aufgenommen worden, hat ihre Geschichten in
„Der Platz des Hundes“ herausgebracht, das ich mir auf der Buch Wien schenken ließ, dann aber, weil ich ja Geschichten nicht so gerne lese, ein Jahr dazu brauchte, bis ich es besprochen habe. Dazwischen war noch die Präsentation im Literaturhaus auf der jungen Literaturschiene, ein Studienaufenthalt in Schloß Wiepersdorf und wahrscheinlich auch einige Preise und Stipendien. Die Leondinger Akademie hat sie, glaube ich, auch absolviert und so schreibt Anna Weidenholzer sowohl poetisch, als auch sehr realistisch, berichtet vom Leben, der kleinen Leute und als achtundzwanzigjährige junge Frau, von einer Protagonistin, die zwanzig Jahre älter ist und tut das, gar nicht soviel anders als ich, denn die arbeitslos gewordene Maria Beerenberger, sitzt ja auch manchmal auf einer Bank und sieht das Leben von unten, geht es aber auch zurück und das ist ein Weidenholzerscher Kunstgriff, den man sowohl banal, als auch raffiniert nennen kann. So einfach so gut und doch noch nicht dagewesen, zumindestens kann ich mich an kein Buch erinnern, daß mit Szene vierundfünfzig beginnt.
Wieso, der poetische Titel, wenn es um eine Verkäuferin geht, die vom Arbeitsmarkt aussortiert wurde, fragt vielleicht nicht nur Frau Travnicek. Auf Seite sechzehn steht es schon, denn da geht Maria auf den Markt und „unterhält sich am liebsten mit dem Fischverkäufer. Was machst du hier immer. Schauen, sagt Maria, ich schaue nur, der Winter tut den Fischen gut, sie bleiben frisch, nicht wahr“.
Da haben wir die Lösung des Geheimnisses und vielleicht auch die Antwort auf die Frage, wie es die junge Autorin, auf Platz drei der ORF Bestenliste schaffen konnte?
Ein wenig Poetik braucht der Alltag und vielleicht auch ein wenig Surrealismus. So friert Maria die Kaulquappe Otto in den Tiefkühler ein, bevor sie sie im Wald vergräbt und schenkt ihr auch ein paar schöne Gedanken, Anna Weidenholzer hat die Arbeitswelt aber auch sehr gründlich studiert, so daß ich es ihr verdanke, zu wissen, daß die sozialökonomischen Betriebe, von denen mir meine Klienten inzwischen sehr oft erzählen, im Fachjargon „SÖB“ genannt werden, die Klienten wissen das wahrscheinlich nicht und auf Seite 237 gibt es eine ganze Materalliste mit den Büchern, die Anna Weidenholzer zur Recherche gebraucht hat. Ludwig Hirsch wird hier angeführt, aber auch das Jobcenter, Hildegard Knef und Hans Georg Willmann „In 90 Tagen aus der Arbeitslosigkeit. Schritt für Schritt zum neuen Job“
Da bin ich sicher keine so gründliche Recherchiererin und sollte mir von der jungen Frau, die so alt, wie meine Tochter ist, ein Beispiel nehmen, aber schön der Reihe nach.
Anna Beerenberger, achtundvierzig, arbeitslos, verwitwet, erzählt ihr Leben „Wenn er die Tür öffnet, werde ich sagen, vielen Dank für die Einladung, mein Name ist Maria Beerenbrerger, ich freue mich, Sie kennenzulernen. Fangen wir von hinten an.“
Dann gehts zurück bis an den Tag, an dem die Tante gekommen ist und erklärt, so lange bei der kleinen Maria zu bleiben, bis die Mutter mit dem Schwesterchen aus der Klinik kommt.
„Freust du dich“, fragt die Tante und zeigt eine Ansichtskarte vom Onkel, obwohl Maria noch gar nicht lesen kann „Ich will ein Flieger, Unterseebootskapitän, Indianerhäuptlicng oder Automechaniker werden“, steht darauf geschrieben.
„Maria lacht, Indianerhäuptling ist doch kein Beruf“ und dann flüstert sie „ich“ in die Kartoffeln, als die Tante die Küche verlassen hat. Ich bin immer noch hier, wo es regnet und manchmal die Sonne scheint.“
Automechaniker ist auch Walter, Marias Mann gewesen und Elvis Imitator, aber damit nicht sehr erfolgreich, die kleine Schwester hat später selbst ein Kind bekommen, das Maria, wenn sie schon verwitwet sein wird, zu Weihnachten immer besucht.
Maria hat Textilverkauferin gelernt und sehr lange im Geschäft des Herrn Willerts gearbeitet, eine Nachbarin, Isolde, die Maria später im Pflegeheim besuchen wird, hat sie dorthin vermittelt und Herr Willert, dessen Sprüche uns durch das ganze Buch begleiten, „Es ist einfacher Kaffee ohne Milch zu trinken“, beispielsweise, hat Maria immer seine beste Kraft genannt. Dann bittet er und sein Sohn sie aber in sein Büro und spricht von einvernehmlicher Kündigung, die für sie viel besser ist. Am Arbeitsamt, das ja jetzt AMS heißt, wird sie erfahren, daß der Chef sie dadurch um vier Monate Abfertigung brachte und sie auch für ein Monat kein Arbeitslosen bekommt. Ihre Betreuer dort schicken sie zu Umschulungskursen, so muß Maria in Geschäfte gehen und zusehen, wie es dort die Verkäufer machen und weil sie nicht Wurst verkaufen wird, wird sie vom Service gesperrt und muß vor ihren Betreuern flüchten, wenn sie sie am Markt, auf der Straße und beim Einkaufen sieht.
„Anna Weidenholzer hat ein feines Gespür für das absurde Wesen der Welt, die man uns zumutet. Für Menschen, die sich ihr Lebtag bemühen, doch selten erlöst werden. Nicht anmaßend, „schonungslos“ schreibt sie, sondern auf selten gewordene Weise einfühlsam und behutsam. Gerade deshalb geht, was sie schreibt, unter die Haut“, schreibt auf der Buchrückseite ihr Verlagskollege Peter Henisch und mir hat das Buch von den kleinen Leuten und dem wo, wie man mir ja immer sagt, nichts passiert und das angeblich niemanden interessiert, sehr gefallen und denke, um auch ein bißchen poetischer und abgehobener zu werden, dabei an Stifters „Bunte Steine“
„Nicht das Große, das Kleine, nenne ich groß“ oder so, hat er geschrieben, habe ich ja einmal in der Schule, bei der Frau Professor Friedl gelernt. Vielleicht, fällt mir ein, ist ein kein Zufall, daß Anna Weidenholzer auch in Oberösterreich geboren wurde,kann das behutsam Einfühlsame, wirklich sehr empfehlen und es freut mich natürlich sehr, daß das auch die ORF- Jury erkannte.

2 Kommentare »

  1. Schade, dass Sie nicht den Rat des wohlmeinenden Lesers gefolgt sind und Ihre Texte uebersichtlicher schreiben und kuerzer.
    Bei Ihrem Bericht von der Frankfurter Buchmesse fehlt mir eine eigene Meinung……

    Kommentar von Luise von Gleichen — 2012-10-17 @ 16:39 | Antworten

  2. Jetzt weiß ich gar nicht, welchen wohlmeinenden Rat Sie meinen, aber sicher könnte man kürzer schreiben und vorige Woche ist mir das auch abgesehen von dem Monster-Frankfurt-Bericht ganz von selbst gelungen. Übersichtlicher weiß ich nicht so recht, da bemühe mich das zu tun und nehme mir diesbezügliche Feedbacks auch jedesmal zu Herzen, bis ich dann wieder losgaloppiere, weil ich irgendwie auch denke, daß es nichts macht, daß es so viel wird, ist es ja das Meine und das, was mich bewegt!
    Bei der Frankfurter Buchmesse ist es wahrscheinlich schwer eine eigene Meinung zu haben, gibt es doch so viel und wenn ich jedes Buch extra besprochen hätte, wäre es noch viel viel länger geworden!!!
    Und wenn man genau hinschaut, findet man vielleicht auch hie und da ein Meinungssplittchen!
    Also vielen Dank für Ihr Feedback, ich werde mir Ihre Mahnung wiedermal zu Herzen nehmen und weiterschreiben!
    Vielleichts wird ein bißchen kürzer und ein bißchen klarer, wenn nicht, melden Sie sich ruhig wieder! Genau und langsam lesen fördert aber auch die Konzentration, würde die Psychologin meinen!

    Kommentar von jancak — 2012-10-17 @ 16:50 | Antworten


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