Literaturgefluester

2012-11-19

Von furzenden Pferden, Ausland und Inländern

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:00

„Von furzenden Pferden, Ausland und Inländern“ ist ein kleines bei Aarachne 1993 erschienenes Büchlein, des am 14. Mai verstorbenen und uns allen durch seinen „Mundl“ und seinen „Kaisermühlen Blues“ bekannten Ernst Hinterbergers, das ich wahrscheinlich auch im Mai oder war es schon im April, bei dem „Bücher gegen Spende Tisch“ in der Gesellschaft für Literatur fand, das zwei Geschichten, die in viele Unterkapiteln aufgeteilt sind, enthält.
Zu Beginn gibt es ein paar Zeitungsartikelabdrucke aus der Presse, dem Standard, der Kronenzeitung etc, die Überschriften wie „Kriegserklärung an die FPÖ“ tragen und wir erinnern uns, 1993 war die Zeit der unaufhörlichen Wahlsiege der FPÖ und der starken Sprüche von Jörg Haider bezüglich einer ordentlichen Beschäftigungspolitik oder der Inseratkampagne „Wollen Sie Peymann, Turrini, Jelinek oder Kunst und Kultur?“
Etwas später sind dann die Bombenattentate und die Briefbomben gekommen, die Bürgermeister Zilk einige Finger kosteten.
Wenn wir das nicht mehr tun, werden wir durch „Hansi V., Inländerfreund“, dem ersten Text daran erinnert und das ist Mundl in Rohkultur und zeigt auch schön, wie es mit dem Anspruch, daß Literatur alles überhöhen, also noch ein bißchen brutaler, derber, kräftiger sein muß, geht und wohin das eventuell führen kann.
Nun glaube ich zwar nicht, daß die Ausländerfeinde so viele Bücher aus dem Aarachneverlag lesen, den „Kaisermühlen Blues“ aber sehen sie und fühlen sich von den starken Tönen vielleicht angesprochen und dann passiert es, wie mir am letzten Weltspartag, daß ich auf die Bank gehe, mich anstelle, vor mir steht ein älterer Mann, dann kommt seine Frau dazu, ich dachte schon, drängt sich die jetzt vor, aber nein, sie gehörte zu ihm, nur war dann noch eine Frau mit Kopftuch da und schon kam die Bemerkung „Hinten anstellen!“, was ja noch in Ordnung ist, aber die, daß Kopftuchträgerinnen gefährlich seien, war es schon nicht mehr, denn eine Kopftuch ist ein Stück Stoff, ein Stück Stoff… und sonst nichts oder was?
Aber zurück ins Jahr 1993 oder noch davor und da gibt es den Hans Vrba, das ist so ein Mundl Typ, arbeitslos und will gar nicht hackeln, denn die Ausländer sollen die Drecksarbeit selber machen, so bezahlt er auch keine Steuer, sitzt am Fenster trinkt Bier und schimpft über Gott und die Welt, als würde er dem Herrn Karl Konkurrenz machen wollen.
Wir bekommen gleich Geschichtsunterricht, Zilk ist Bürgermeister, Vranitzky wahrscheinlich Bundeskanzler, Peter Pilz war auch schon da und die Hoffnung liegt auf einen gewissen Herr mit H. oder wahrscheinlich auf beiden und so wird ordentlich auf die Tschuschn und das andere Gesindel geschimpft. Seine Frau die Hermi stimmt ihm manchmal zu, will aber lieber auf den Christkindlmarkt gehen, richtig, das habe ich jetzt fast vergessen, die Geschichte spielt vor Weihnachten, ist also heuer das erste Weihnachtsbuch, das ich lese und über den Konsumwahn wird auch einige Male geschimpft. Am Christkindlmarkt gibt eine Würstlbude und die gehört einer guten Freundin der zwei, einer Manuela Rendulic und da wurde vorhin eine Haße von einem Kind, einem Tschuschnbankert oder Zigo gestohlen und so eine dumme Grüne, hat sich noch eingemischt und sie bezahlt. Der Hansi tut das aber nicht, der läßt seine Würstln und seine Biere anschreiben und vorher wollte noch ein Tiroler in die Filigradergasse, kam durch den Weihnachtsstreß fast nicht über die Mariahilferstraße und als er dort war, schlagen gerade ein paar Skinheads ein paar Tschuschn oder Türkn zusammen und der Taxler weigert sich die Polizei zu rufen, dafür steigt dann der Herr Doktor in das Taxi ein, das ist offenbar ein F-Reporter, immer dicht am Geschehen und läßt sich zur Rendnulic fahren, dort tauchen auch die Skins auf, bzw. bezahlt er ihnen ein Bier und als die einen türkischen Weihnachtsmann zusammenschlagen und die Polizei erscheint, fotografiert er, so daß die die Skins dann nur mehr in der Wachstube, wenn sie allein sind, zusammenschlagen können.
Es kommt aber noch viel besser. Hansi und seine Hermi werden in der Nacht aufgeweckt, es ist die Manuela Rendulic, denn der ihr Würstlstand wurde inzwischen auch verwüstet. Aber nicht von den Ausländern, wie Hansi glaubte, sondern von den Skins, warum tun die das, weil ja „Rendulic“ droben steht, selber schuld, wennst so heißt, auch wennst ein echter Inländer bist, weil es in der Monarchie ja noch keine Ausländer gab!
Anmerkung am Rande, Vrba ist ein tschechischer Name, der Hausarzt meines Vaters, der, wie ich, auch einen solchen hat, obwohl ihn die meisten meinen für slowenisch halten, hat so geheißen und heute wird im Schloßquadrat die 5 er Edition mit Texten aller Margaretner Autoren vorgestellt, wo es auch einen von Ernst Hinterberger gibt, der ja in einem Margaretner Gemeindebau gewohnt hat, der von seiner Witwe Karla gelesen werden wird.
Im zweiten Teil geht auf Reisen mit Ernst und Gerti oder Grete Hinterberger, seiner ersten Ehefrau, mit der ich ihn öfter bei Veranstaltungen, wie beispiesweise dem Volksstimmefest gesehen habe und es beginnt, den politischen Ansprüchen des Autors entsprechend mit einem Besuch des KZs Mauthausen. Dann geht es weiter in die DDR, wo die Hinterbergers sich auf die Spuren des Bildhauers Barlachs hefteten und dann in Prag mit einem Engländer die Schlachtfelder von Königsggrätz besuchte, hier kommt es fast zum Streit der handelnden Parteien, bis sich ein Sachse einmischt und „Scheiß drauf Mann! Laß uns noch ein Bier trinken. Was ist denn schon ein Sieg?“, sagt.
Das Buch läßt ahnen, daß der echte Wiener Hinterberger viel auf Reisen gegangen und sich so seine Gedanken, über Gott und die Welt machte und von der allegemeinen Konsumierflut auch nicht viel gehalten hat. Dafür beschreibt er sehr poetisch, die Regenstimmungen und das schlechte Wetter, das ihn auf seinen Reisen traf und mit dem „furzenden Pferd“ das dem Buch den Titel gibt, ist er in Irland an einem Regentag gefahren und wurde dabei von den anderen schnelleren Kutschen überholt.
Dublin und den Ulysses hat er natürlich auch besucht, den Leopold Bloom aber nicht mehr gefunden und in Holland kam die Enttäuschung, als er die menschenleere Stadt Goes besuchte, die ihn an Kafkas Visionen erinnerte. Dann gehts nach Skandinavien und er findet Kopenhagen eine schöne Stadt, obwohl ihn das Tivoli nicht gefällt, besucht in Norwegen die Fjorde und den „Toten vom Moor“, dessen Sterben etwa in der Zeit von Christi Geburt passiert sein muß und nimmt im Aoastatal an einem Weintraubenfest teil, wo er mitten unter den Einheimischen sitzt und es keine Verständigungsschwierigkeiten gibt.
Der Mont Ventoux erinnert ihn an seine Zeit, wo er aktiver Radrennfahrer war, aber auch Petrarca den Berg bestieg und Van Gogh, der unglückliche Maler, der erst berühmt wurde, als er von seinem Ruhm nichts mehr hatte, hat einige Jahre in der Provence gelebt. Die Hinterberger besuchen das Hospital in dem der Unglückliche einige Jahre interniert war und finden nur eine kleine Büste, die an ihn erinnern, seine Bilder hängen aber nicht im Museum von Arles.
Und im Elsaß lernen die Hinterberger einen Franzosen kennen, der in der Zeit der Besatzung einer von den „Vier im Jeep“ gewesen ist.
Von Marseille ist Hinterberger wieder enttäuscht und findet die Stadt seiner Vorstellungen nicht, in Venedig besuchen sie das Guggenheimmuseum und eine Synagoge und in einer Art Nachwort macht sich Hinterberger Gedanken, um eine lebenswert Welt und wünscht sich ein Leben mit „humaner Vernuft“, ist aber ein bißchen skeptisch, ob die Menschen das zusammenbringen.
Dann gibts noch eine Biografie, die bis ins Jahr 1991 reicht, also Ernst Hinterberger wurde 1931 in einen Arbeiterhaushalt geboren, war Hilfsarbeiter, machte die Polizeischule, war wegen schlechter Augen für den Polizeidienst aber untauglich, so wurde er Büchereileiter der Volkshochschulen, solange es solche dort noch gab, schrieb einige sozialkritische Romane, bevor er mit seinen „Mundl“, dem „Kaisermühlen Blues“ und seinen Tatortkrimis berühmt wurde.
Einige Kriminalromane gibt es von ihm auch. Er war praktizierender Buddhist und ist, wie schon erwähnt 2012 gestorben und hat, wie ich Wikipedia entnehme am Zentralfriedhof ein Ehrengrab.

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