Katja Lange-Müllers 2007 erschienener Roman „Böse Schafe“ war für mich ein bißchen verwirrend, ist die Geschichte, die die 1951 in Ostberlin geborenene Autorin, die 1986 den Bachmannpreis bekommen hat, mit ihrer gewohnt direkten schnodderigen Sprache erzählt, für ein literarisches Sujet doch sehr ungewöhnlich.
„Versuch einer Liebesgeshichte am Rande der Geselschaft“ habe ich in einer Rezension gelesen, in einer anderen steht etwas von „betroffenheitsschwangeren Drogenroman“.
Das Buch wird aber übereinstimmend gelobt und mich hat es beim Lesen sehr berührt, habe ich ja noch nicht sehr viele im Drogenmilieu angesiedelte literarische Auseinandersetzungen gelesen.
Da ist Soja, nicht Sonja, die von ihrer kommunistischen Mutter nach einer russischen Partisanin genannt wurde, die 1987 von Ostberlin in den Westteil flüchtete und ihre Liebesgeschichte zwanzig Jahre später Harry erzählt, dem Harry, den sie damals mit seinem Freund Benno kennenlernte, sich sofort in ihn verliebte, weil er ihr eine Rose und eine Clownsfigur schenkte, die beiden zum Essen einlädt und eine Unmenge an Schnitzeln und anderer Gerichte für sie kocht, die dann nicht gegessen werden, denn Harry will etwas anderes von ihr. Kommt er doch gerade aus dem Knast, hat eine Bewährungsauflage und braucht dazu Soja, die gelernte Schriftsetzerin ist und im Westen von der Sozialhilfe lebt, bzw. in einem Blumenladen aushilft.
So organisiert sie ihre Freunde, die Harry abwechselnd bewachen, bzw. in seine Therapie bringen und dort wird ihr vom Therapeuten eröffet, daß er HIV positiv ist, was 1987 noch ziemliches Neuland war. Die Therapie gelingt, Harry bekommt eine Wohnung, schenkt Soja eine Ratte, zieht aber mit seinen Freunden herum und erkrankt schließlich, so daß Soja ihn nur von einer Lungenentzündung durch die nächste begleiten kann.
Inzwischen macht sie einen Lottogewinn, die Drogenfahnder tauchen bei ihr auf und stellen ihre Wohnung auf den Kopf. Sie verheiratet sich in die Schweiz und kommt zurück, um Harry beim Sterben beizustehen.
Zwanzig Jahre später, als sie die Geschichte, anhand der Aufzeichnungen, die Harry ihr in einem Schuhkarton hinterlassen hat, neu erzählt, ist sie längst geschieden, der Lottogewinn ausgegeben, ein Versuch einen Blumenladen zu führen ist gescheitert, die DDR hat aufgehört zu existieren und das Jahrtausend hat sich gewendet. Harry hat Soja nicht angesteckt, von der Sozialhilfe lebt sie immer noch und hat auch ein paar mißglückte Männerbeziehungen hinter sich.
Eine sehr ungewöhnliche Geschichte gelesen, die man von einer Bachmannpreisträgerin gar nicht erwarten würde.
Aber Katja Lange-Müller ist auch eine ziemlich ungewöhnliche Schriftstellerin mit einer sehr direkten schlodderigen Sprache, die durchaus Randschichtthemen anzufassen weiß. Zwei Mal habe ich sie, glaube ich, in Wien bei Lesungen gehört, einmal in der Hauptbücherei, als es um das das erste Schreiben ging. Damals habe ich die „Bösen Schafe“ für die Ute Hundertmark gekauft und von der Autorin signieren lassen, die auch etwas in das Buch hineinzeichnete.
2007 war ich einmal bei einer LesARt Aufzeichnung im Literaturhaus, da wurde das Buch vorgestellt und verlost, Christa Nebenführ hat es gewohnen und bei einer LesArt der Sprachkunst im Literaturhaus habe ich sie auch einmal gehört und mich mit ihr fotografieren lassen.
Jetzt gab es das Buch, das inzwischen ziemlich vergessen ist, zum Halbpreis bei Thalia in der Kremsergasse und es hat mich, wie beschrieben sowohl berührt als auch verwirrt. Ist man ja eigentlich nicht gewohntt solch realistische Inhalte in der Literatur vorgesetzt bekommen und der Plot bzw. Handlungsfaden schien mir auch zu fehlen, so daß mir lange nicht klar war, wo die Geschichte hinführt und ob es wirklich nur, um das Sterben eines aidskranken Junkies, der nicht einmal politisch korrekte Ansichten hat und die aussichtslose Liebe einer vom Schicksal nicht sehr beglückten Frau mit dem typisch weiblichen Helfersyndrom geht?
2012-12-08
Böse Schafe
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