Literaturgefluester

2013-01-06

Brot und Wein

Filed under: Uncategorized — jancak @ 11:41

Nun kommt ein Buch aus dem Bücherkasten meiner Eltern, nämlich das 1936 bei der Büchergilde Gutenberg erschienene „Brot und Wein“ von Ignazio Silone, was insofern wichtig ist, da das Buch 1955 unter dem Titel „Wein und Bort“, „Vino e pane“ wiederaufgelegt und offenbar auch inhaltlich verändert wurde und so auch heute noch erhältlich ist.
Von dem 1900 in einem kleinen Ort der Abruzzen Geborenen und 1878 in Genf Gestorbenen, der eigentlich Secondini Tranquilli hieß, gab es noch „Eine Handvoll Brombeeren“ im elterlichen Bücherschrank, das habe ich auf eine unserer Italienreisen mitgenommen und dort gelesen und war auch sehr erstaunt, in den Supermärkten, wo wir einkauften, Silones Bücher zu finden und es ist, zumindest in der Urform kann ich es beurteilen, ein sehr gutes Buch, das viel von der Armut Italiens in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts und den Kampf der Sozialisten gegen die Faschisten, aber eigentlich auch allgemeine Lebensweisheiten enthält und vor allem soll der Pietro Spina, der sich da in Priesterkleidung in zwei der kleinen Dörfchen versteckt, viel von Silones Leben erzählen, der früh seine Eltern und seine Geschwister verlor, ohne viel Schulbildung zum Revolutionör und Journalisten wurden, sich eine Zeitlang als Polizeispitzel, wie auch in den Buch schön beschrieben, um zu überleben, verdingte, dann ins Ausland floh, seine Bücher überarbeitete etc.
Bei Wikipedia kann man, da „Wein und Brot“ noch erhältlich ist, einige Rezensionen finden, die sowohl fundiert Auskunft geben, als auch einiges über die Amazonrezensenten berichten, wie „Das Buch ist Abenteuerroman und politischer Thriller in einem“ oder „Wein und Brot – beides konsumieren die Figuren zwar regelmäßig, aber auf den eigentlichen Inhalt läßt der Titel nicht schließen. Scheint das Buch eine Priesterklamotte zu sein, ist es gegen Ende auch zunehmend politisch und spannend. Lesen!“, rät der Rezensent und ich dachte, nicht jeder hat seinen Silone aus dem Büchergilde Gutenberschrank, einer sozilisten Arbeiterbibliothek entnommen und so wird jeder etwas anderes damit anfangen, ich nehme die Lust auch einmal, „Don Camillo und Peppone“, Bücher die sich in meinen Regalen befinden, zu lesen mit, beziehe das Titel darauf, das das auch die Priester in den Messen verteilen und sich die armen Leute, die landlosen Bauern die „Cafoni“, wie sie Silone nennt, die Taglöhner etc, damals hauptsächlich von Brot und Wein ernährten, sie nahmen, glaube ich, auch Zwiebel und Tomaten dazu und das Buch, das ich gelesen habe, beginnt mit dem fünfundsiebzigsten Geburtstag des Don Benedetto, einem sehr revolutionären Priester, der mit seiner Schwester in einem der Dörfchen lebt und seine ehemaligen Schülern zu seinem Fest erwartet. Zwei kommen, ein Arzt und ein Offizier, der Taubstumme, der in dem anderen Buch eine Rolle zu spielen scheint, tritt hier eher als Statist auf, aber er weist den Offizier tapfer in die falsche Richtung, bis ihm der Priester erklärt, daß er ihn durchlassen soll, dann kann er auch wieder reden.
Sie sprechen von den anderen Schülern des ehemaligen Latein und Griechischlehrers, andere Ämter hat die Kirche dem Rebellen verweigert und man erfährt, daß die meisten Beamten geworden sind oder als Revolutionäre hungern oder in Konkurs gingen. An einen Schüler kann sich der Priester gut erinnern, das ist Pietro Spina, der Revolutionär wurde, von der Polizei gesucht wird und ins Ausland ging. Nun ist er, wir schreiben das Jahr 1935 lungenkrank zurückgekommen, der Arzt Nunzio Sacca muß ihn widerwillig behandeln und rät ihm sich als Priester zu verkleiden und sich in einem der Dörfchen auszukurieren. So kommt Don Paolo mit den armen Leuten in Kontakt, die ihn gleich für einen Heiligen halten und von ihm die Beichte wollen und mit zwei Frauen, der leichtfertigen Bianchina, der er nach einer Abtreibung helfen soll und die sich später in Rom in einem Bordell verdingt und der frommen Cristina, die eigentlich Nonne werden will, aber ihre Großmutter, Tante und Mutter nicht verlassen kann.
Sehr eindringlich wird das Leben der landlosen Bauern geschildert. Mussolini wird nur „Dingsda“ genannt, man kann sehen, daß die Leute eigentlich keine Wahl hatten, als sich den Faschisten anzuschließen, bekamen sie doch von der Lehrerin immer die Nachrichten interpretiert, wenn sie Suppe wollten, mußten sie Aufrufe unterschreiben und wenn sie sich freiwillig meldeten, bekamen die Mütter eine Unterstützung etc. Für eine Stelle als Beamter, Lehrer, Gemeindearzt mußte man seine Seele verkaufen und die armen Studenten bekamen Geld für ihre Suppe, wenn sie sich als Polizeispitzel verdingten, so kommte es auch, daß die Pfarrer den Fragenden antworten, daß ein Landpfarrer so viel zu tun habe, daß er nicht zum Denken käme und die Beamten die Situation sehr wohl durchschauten, während die Bauern ihre Wunder wollen und sich ansonsten mit den ihnen möglichen kleinen Betrügereien begnügten.
Spina fährt nach Rom, um seine Kontakte wiederaufzufrischen, hört dort von einem Studenten, der verschwunden ist, weil sich seine Freundin, um ihn zu retten, von den Polizisten vergewaltigen ließ, später soll er ihn in dem Dörfchen wiedertreffen, er erzählt ihm, wie er zum Polizeispitzel wurde und gründet auch eine sozialistische Dichtergruppe. Es bricht aber der Abessininenkrieg aus und Spina ist entsetzt, wie begeistert sich alle freiwillig melden, besucht nach fünfzehn Jahren den alten Priester wieder, der ihm auch den jungen Murcia schickt und weil sich der alte Mann trotz Mahnungen kein Blatt vorm Munde nimmt, wird er aufgefordert eine Messe zu halten und fällt, nachdem er vom Messwein getrunken hat, tot um, Spina muß in die Berge fliehen. Die fromme Cristina läuft ihn mit warmen Sachen Brot und Wein nach und kommt offenbar im Schnee und von den Wölfen überfallen, dabei um.
Ein beeindruckendes Buch, das mich den italienischen Sozialismus und seine Entwicklung noch besser verstehen läßt ich habe ja einige Wagenbach-Büchlein gelesen und im Wochenend-Standard gibt es einen interessanten Artikel von Karin Fleischanderl über den Niedergang der italienischen Literatur.
Solange es die Wagenbach-Bibiliothek, die ja vor einigen Jahren bei „Buchlandung“, um einen Euro abverkauft wurde“, noch gibt, ist es nicht so schlimm, denke ich, obwohl es jetzt ja wieder eine andere Politik, sowie die Krise gibt und an Kunst und Kultur sehr eingepart wird und rate, wie der Amazon-Resensent zum Lesen von Ignazio Silone.
„Brot und Wein“, scheint es, wenn man auf die Angebotsseite geht, nicht mehr oft zu geben.
„Wein und Brot“ habe ich nicht gelesen. Vielleicht aber einer meiner Leser, der ein bißchen den Unterschied erklären könnte. Eine Seminararbeit zum Buch, gibt es im Internet auch.

2 Kommentare »

  1. Das ist ja schön, dass mal jemand Iganzio Silone vorstellt. Ich habe, es ist bestimmt in den 1980er-Jahren, beide Bücher von Silone gelesen und ich war damals begeistert. Mit ein Grund, dass ich die Bücher nie weggeben habe. Allerdings hat meine Ausgabe „Wein und Brot“ geheissen, doch es ist zu lange her, als dass ich zwischen den beiden Ausgaben Vergleiche anstellen könnte. Da müsste ich den Roman wieder einmal lesen.

    Ich glaube Ignazio Silone ist bei den meisten deutschsprachigen Lesern gar kein Begriff mehr. Ganz allgemein kennt man die italienische Literatur, ausser einigen Bestseller-Autoren, viel zu wenig.

    Herzliche Grüsse aus der Schweiz
    buechermaniac

    Kommentar von buechermaniac — 2013-01-24 @ 08:03 | Antworten

  2. Ich finde auch, daß die uralten Bücher aus den offenen Schränken, den Flohmärkten oder den Bibliotheken der Eltern wahre Schätze sind und man manchmal sehr erstaunliche Erfahrungen damit macht. Bei Bechers „Kurz nach 4″ habe ich eine solche erlebt und jetzt auch bei Jorge Amados „Kakao“, den ich eigentlich für einen sehr unbekannten Autor gehalten habe, dann höre ich aber am Nachmittag in der österreichischen Büchersendung, daß da ein neuer Roman herausgegeben wurde und Gastland ist Brasilien im Herbst in Frankfurt auch.
    Danke fürs Hergefundenhaben und die Bücher, das eine und auch die anderen kann ich wirklich nur empfehlen, finde es sehr faszinierend, welch Schätze sich da in den Regalen und Kisten finde und nehme das auch als Argument, daß man durchaus nicht nur die neuesten Bestseller und die Neuerscheinungen lesen muß!

    Kommentar von Eva Jancak — 2013-01-24 @ 10:15 | Antworten


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