Den deutschen Buchpreis 2012 hat ja die 1946 in Trier geborene Ursula Krechel, die ich eigentlich nur dem Namen nach kannte, gewonnen, die heute mit ihrem bei Jung und Jung erschienenen Roman „Landgericht“ und ihrem Verleger Gast in der Alten Schmiede war.
Ein Buch das sich mir bisher nicht sehr erschlossen hat und von dem ich auch nicht sehr viel wußte, außer, daß es sehr teuer ist und um einen Richter geht, der nach der Emigration nach Deutschland zurückkehrt und sich dort sein Recht erkämpft.
Die Alte Schmiede, war, als ich sie erreichte, gar nicht so voll, was sowohl mich, wie auch Gabriele Madeja, die sich neben mich setzte, etwas wunderte. Sie wunderte sich auch, daß ich das Buch noch nicht gelesen habe, obwohl ich ja soviel lese, daß sich die Bücherblogger darüber wundern und Diskussionsrunden veranstalten, wieviel man lesen soll und bei den Buchpreisbüchern bin ich auch relativ belesen, bzw. habe ich sie mir öfter zum Geburtstag gewünscht. Dieses aber nicht und auch „Shanghai fern von wo“, 2008 erschienen, ist eher an mir vorbeigegangen oder doch nicht so ganz, denn da war ich ja einmal im Literaturhaus bei einer diesbezüglichen Veranstaltung, aber da war sie, glaube ich, nicht dort und ihr Roman für den sie sehr lang recherchierte und einige Immigrantenschicksale erzählte, wurde nur erwähnt.
Jetzt hat Kurt Neumann in seiner Einleitung auf ein längeres Projekt und den ersten Roman hingewiesen und Jochen Jung hat ein bißchen was über beide Bücher erzählt, bzw. wielange er die Autorin schon kenne und, daß er in Frankfurt mit ihr einmal auf einer Veranstaltung mit Barbara Frischmuth und Leni Riefenstahl war.
Dann erzählte Kurt Neumann den Inhalt des sehr umfangreichen Buches. Der Richter Richard Kornitzer kehrt nach zehn Jahren Emigration aus Kuba an den Bodensee zurück, wo seine Frau Claire, die zurückblieb, lebt, die Kinder sind nach England emigriert und weigern sich zurückzukommen. Kornitzer beginnt in Mainz am Landgericht zu arbeiten und lebt in der zerstörten Stadt vorerst allein, dann gibt es Rückblenden in die Zeit vor 1933, wo die Kornitzers in Berlin lebten.
Kurt Neumann sprach von Aussparungen und verschiedenen Kunstgriffe, wie Präsens, Vergangenheit und Mitvergangenheit, um in das Geschehen hineinzuspringen und Ursula Krechel, die eine wirklich sehr lyrische Sprache hat, sie ist, glaube ich, außer mit Hörspielen auch als Lyrikerin hervorgetreten, las dann ein Stück aus 1933.
Claire, die eine sehr emanzipierte Frau ist, Werbetexterin, geht ins Kino und schaut sich die Werbefilme an, die dort laufen, sie schaut sich mit dem Filmvorführer als Führungskraft auch Wochenschauen vom Führer an, ein Sprachspiel, das sie brauchte, wie Ursula Krechel später erklärte, denkt an den kranken Sohn, dessen Fieber weder vom Kindermädchen noch vom Richter erkannt werden wird und hat auch sprachlich schöne Stellen, wo der Stummfilm vom Tonfilm abgelöst wird, „wo dann auch das Brüllen auf den Straßen“ kam. Dann wird der Richter in Ruhestand versetzt und telefoniert mit einem Kollegen, der ihm erzählt, wie die SS im Landgericht gewütet hat.
Die Lesung endete an einer Stelle, wo Ursula Krechel in die Zukunft geht und von nine elefen spricht, wo Präsident Bush die Amerikaner zu „Shoppen“ aufgefordert haben soll, während Claire, dem im Ruhstand versetzten Richard riet, doch ins Kino zu gehen, was Kurt Neumann, als weiteren Kunstgriff der Autorin erklärte.
Daran schloß sich eine lange Diskussion in der Ursula Krechel sehr viel von der Entstehung des Buches erzählte. Sie recherchierte sehr viel und sorgfältig, war in Archiven, hat die Akte eines Richters gefunden, daran ihre Geschichte entwickelt. Sich auch einiges ausgedacht und nicht so genau gewußt, wie ein Ehepaar miteinander umgeht, das sich zehn Jahre nicht gesehen hat.
Das reale Vorbild hat es gegeben und die Familie hat inzwischen auch den Kontakt zu der Autorin aufgenommen, bzw. von Freunden erfahren, daß sie in dem Buch über den Vater bzw. Großvater geschrieben hat. Was ja sehr interessante Fragen aufwirft, wie weit man das darf und wieviel man verfremden muß, damit sich die Vorbilder nicht erkennen.
Ursula Krechel scheint aber auch ein paar Mal angefragt und mit dem Sohn telefoniert zu haben, dem das Interesse an der Familie gar nicht recht gewesen war.
Sie hat auch von einem Seminar erzählt, das sie in Leipzig gehalten hat und das „Zitieren, recherchieren, montieren“ oder so ähnlich hieß, wo sie den Studenten erklären wollte, wie man den „Kopf durch Fundstücke“ erweitern kann, was auch recht interessant klingt, so daß ich mir schon überlegte, wie ich das für mein nächstes Buchprojekt gebrauchen kann..
Jochen Jung meinte noch, daß der österreichische Buchhandel im Gegensatz zum deutschen von dem Buch nicht so begeistert war. Am Büchertisch lag es aber auf und wurde, glaube ich, auch gekauft und ich bin natürlich sehr gespannt, ob und wann das Buch einmal zu mir kommt.
2013-02-05
Deutsche Buchpreisträgerin in Wien
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