Jetzt habe ich noch schnell, während ich auf das blaue Sofa wartete, Marlene Streeruwitzs, 2000 bei S.Fischer Collection, erschinene Erzählung „Majakowskiring“ gelesen, hat das Bändchen ja nur hundertelf Seiten und ist außerdem noch groß gedruckt und der Orhan Pamuk hat mich ohnehin die letzte Woche sehr aufgehalten. Also etwas Altes, während in Leipzig das Neuerste präsentiert wurde, das vielleicht Ungelesen bleiben wird.
Marlene Streeruwitz bleibt es bei mir nicht und „Majakowskiring“ ist sehr interessant und im Stil wieder vollkommen anders, als die „Verführungen“, die „Schmerzmacherin“ oder die Groschenheft-Nachahmung „Lisas Liebe“, die ich ja kürzlich erst gelesen habe.
Oder auch nicht, die Streeruwitz bleibt die Streeruwitz und ihre Themen sind politisch, feministisch, der Stil ist wahrscheinlicht experimenteller, als als bei den anderen Bücher.
Die knappen kurzen Sätzchen „zusehen, wie die Kirschen langsam rot“, „Und Schnee gelegen“, nicht ganz grammatikalisch richtig, aber ausdrucksvoll.
Ich habe ja auch so zu schreiben angefangen, mit knappen kurzen Sätzen und Bindestrichen dazwischen, vor fast vierzig Jahren und Thomas Northoff hat es, glaube ich, nach dem Fall der Mauer so getan.
Da sind wir schon beim Thema und in Berlin, nach der Wende, im ehemaligen Schriftstellerheim in Pankow, am Majakovskiring, das man jetzt offenbar mieten kann.
Die Putzfrau kommt noch jeden Tag vorbei und untersucht genau den Müll. für wen sie jetzt wohl die Berichte schreibt?
Und gemietet hat es knapp vor der Jahrtausendwende Lore, die zweiundfünfzigjährige Journalistin aus Wien und da sitzt sie nun am Fenster, schaut hinaus und resumiert über das Leben und ihre Männer.
Da gibt es einen Richard, den sie geheiratet hat und der keinen Sinn für das gute maßgeschneiderte Schuhwerk hatte, für das der Vater so schwärmte und sich sogar für seine Hochzeit, die Schuhe beim Humanic kaufte.
Die Ehe hat aber trotzdem deshalb nicht gehalten, weil Lore nicht kochen konnte, seine Mutter aber noch um Mitternacht aufgestanden ist, um dem Bubi ein Weinchateau zuzubereiten. In den Siebzigerjahren machte man das so.
Lore war aber Journalistin und steht jetzt auch an ihren Grenzen, mehr als Ressortleiterin kann sie nicht werden und es drängen schon die Dreißigjährigen heran und wollen die Weichen für das neue Jahrtausend stellen und Lore ist noch von ihm, einem Paul, wahrscheinlich verlassen worden, der ist nach München zu seiner Traude und seiner Psychoanalytikerin zurückgefahren und Lore in das ehemalige Schriftstellerheim, hat bei einer Blumenfrau, die ehemals Lehrerin war, Blumen gekauft, steht am Fenster und überlegt, daß sie hinausgehen sollte, in den Garten nebenan oder ins Kino, am Alexanderplatz, etc.
Einen Ryszard hat es auch gegeben, einen Polen, mit ihm hat sich Lore in Warschau getroffen und wahrscheinlich auch andere Männer. Eine amerikanische Sequenz, wo Lore an der Universität arbeitet, dann in das Häuschen fährt und Paul und eine junge Frau erschossen im Schlafzimmer findet, gibt es auch und einen Johannes, dessen Schwester ermordet wurde.
Am Ende packt Lore den Koffer, bestellt sich ein Taxi zum Flughafen und bevor sie dieses besteigt, stopft sie den Koffer in den Müllkübel, um ihn offenbar der Putzfrau zu überlassen.
Im Klappentext steht noch etwas von einer Putzfrau, die Geschichten zu erzählen weiß. Habe ich da etwas überlesen oder bleibt es meiner Phantasie überlassen, welche Geschichten sich die Putzfrau aus dem Koffer ausdenken und wenn sie das noch könnte, der Stasi aufschreiben wird?
2013-03-18
Majakowskiring
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