Literaturgefluester

2013-05-06

Drei literarische Zeitreisen

Filed under: Uncategorized — jancak @ 21:59

Am Nachmittag gabs wieder eine Muttertagsfeier zu der ich von der Bezirksvorstehung Mariahilf nun schon zum fünften Mal eingeladen wurde. Zweimal bin ich da im Haus des Meeres herumgeklettert und habe mir je eine Szene davon mitgenommen. Einmal einen „Haus des Meeres Besuchs“ der Natalie und ihrer Mutter in der „Radiosonate“, das zweite Mal die „Taubenfütterungszene“ in der „Absturzgefahr“.
ann gabs Einladungen zu einer Jause ins Pensionistenhaus am Loquaiplatz. Vor zwei Jahren hat dort Heinz Zuber gesungen, voriges Jahr war ich mit meiner Cousine Irmi da, als Erni Mangold ihre Memoiren vorstellte und diesmal trat ein Dr. Sepp Tatzel auf, das ist ein 1925, geborener Mariahilfer, der die Turniere auf der Schallaburg gerstaltet, Kabarettprogramme und auch einige Bücher geschrieben hat und er gestaltete diese Muttertagsfeier, es gab wieder Kaffee und einen Schokowürfel mit einem Herzchen, in Gedenken an seine Mutter, hat ein paar Liedtexte vorgelesen und erzählt, daß er aus einer Offiziersfamilie stammt, mit zehn Jahre zum Familieneinkommen beitrug, weil er im Raimundtheater aufgetreten ist und eineinhalb Jahre vor Kriegsende wurde er noch eingezogen.
Das war sehr berührend und auch beklemmend, weil ich mich ja sehr für die Zeitreisen ins Jahr Vierunddreißig oder so interessiere und da stand an diesem Montag auch noch einiges anderes am Programm.
Um achtzehn Uhr wurde nämlich die Widmungstafel vor dem Haus in der Ferdinandstraße Nummer 29 enthüllt und dazu hat mich nicht nur Konstantin Kaiser eingeladen, Petra Ganglbauer war auch am Morgen im Leporello und hat ein bißchen was zu dem „Veza lebt“-Projekt erzählt, wo ich ich ja schon vorige Woche in der Alten Schmiede war. Weil es um sieben in der Grundbuchveranstaltung Hilde Spiel vorgestellt wurde, hatte ich zwar vor dort hinzugehen, aber vorher ein bißchen in der Ferdinandstraße vorbeigeschaut, die schon sehr bevölkert war.
Batya Horn habe ich auf den Weg dorthin getroffen, Christel Fallenstein war da und viele andere und Konstantin Kaiser erzählte mir, daß der Theodor Kramer-Preis heuer erst am 4. Oktober in Niederhollabrunn, Theodor Kramers Geburtsort vergeben wird.
Ein Politiker hat dann die Veranstaltung eröffnet, erzählt, daß Erinnerungsarbeit wichtig ist, Konstantin Kaiser würdigte die Dichterin und die Projektleiterin Gertrude Moser-Wagner zählte alle Sponsoren auf.
Dann gabs im gegenüberliegenden Lokal eine Muiskperformance und auch einen Rundgang durch sämtliche Stationen, wo es im Rahmen des Projektes Installationen gibt, so wird zum Beispiel der Name „Veza“ auf eine Hausmauer projeziert.
Ich bin aber nach der Enthüllung der Tafel, wie geplant in die Alte Schmiede gegangen, denn Hilde Spiel interessiert mich sehr und ist auch zeitlich passend, da sie ja, wie Veza Canetti nach London emigrierte, allerdings nach Wien zurückkehrte, wo sie 1990 starb und ich habe im vorigen Jahr einiges von ihr und über sie gelesen.
Das vorgestellte Grundbuch „Das Haus des Dichters – literarische Essays, Interpretationen, Rezensionen“, 1992 posthum herausgegeben war mir aber völlig unbekannt, was für ein Grundbuch sehr interessant ist, es dürfte auch vergriffen sein, jedenfalls habe ich es nicht am Büchertisch liegen sehen und Kurt Neumann erwähnte in seiner Einleitung, daß Anneliese Rohrer, die bekannte Journalistin heute nicht den Titeltext lesen würde.
Der würde erst morgen in Linz vorgestellt, man könne ja hinfahren, wenn man ihn hören wolle, heute würde es eine Rezension über ein Buch von Helmut Qualtinger geben und Anneliese Rohrer meinte, daß sie den Text deshalb ausgewählt hat, weil Qualtinger nebenan im Heiligenkreuzerhof gewohnt hat und man auch die Verachtung des Österreichischen dabei gut sehe. Es wurde diskutiert, daß Hilde Spiel in dem Text fein umschrieben hat, daß Qualtinger nicht in dem Dichterolymp aufgestiegen ist, sondern sein Talent irgendwie vergeudete und nicht sehr achtsam mit sich umgegangen wäre.
Paul Jandl erzählte dann insgesamt etwas über den Band, meinte daß Hilde Spiel eher einen konventionellen Literaturbegriff gehabt hat und gerne selber die große Form des Romans geschrieben hätte.
Das hat sie an Heimito von Doderer sehr bewundert, von dessen „Strudlhofstiege“ sie so begeistert war, daß sie ihm sogar seine kurzzeitige Sympathie für den Nationalsozialismus verziehen hät, sonst hätte sie von Jandl, Mayröcker, Handke, Turrini und Wolfgang Bauer nicht viel gehalten und von der Wiener Gruppe gerade Konrad Bayer gelten lassen.
Sehr interessant über dieses mir unbekannte Grundbuch wieder viel über die Dichterin zu erfahren bzw. mein bisheriges Wissen auffrischen zu können.
Der Band von Marcel Reich Ranicki , den ich im Vorjahr gelesen habe, wurde erwähnt und auch, was mir, glaube ich, ebenfalls aufgefallen ist, wie ambivalent sich der Literaturpapst darin geäußert hat.
Kurt Neumann meinte in seiner Einleitung noch, daß man Hilde Spiel in den Neunzigerjahren zu einer Grand Dame der Literatur gemacht hat, wohl auch, um andere große Damen damit zu verhindern.
Wer damit gemeint ist, hat er nicht verraten, aber von Netzwerken und der genauen Literaturkritik gesprochen, die heute nicht mehr möglich ist und er hat auch die Erinnerungsbände erwähnt, mit denen Hilde Spiel berühmt wurde und von dem ich auch einen gelesen habe.
„Kati auf der Brücke“, das inzwischen neu aufgelegt wurde und das ich gerne lesen würde, lag am Büchertisch auf und im Publikum war Daniela Strigl, die sich auch zu Wort meldete.
Sehr interessant an einem einzigen Tag soviel über das vergangene Wien von seinen unterschiedlichen Zeiten zu erfahren, obwohl sich das Grundbuch über Hilde Spiel hauptsächlich auf die Siebzigerjahre bezog und die habe ich ja auch sehr intensiv erlebt, obwohl ich von dem damaligen Literaturbetrieb wahrscheinlich nicht sehr viel gewußt habe.

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