Literaturgefluester

2013-05-11

Die unsichtbare Fotografin

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:35

Jetzt kommt ein Buch, das ich vor einem Jahr aus der „Morawa“-Abverkaufskiste zog und um zwei Euro kaufte, nämlich Elisabeth Reicharts vorletzter Roman „Die unsichtbare Fotografin, 2008 bei Otto Müller erschienen und es ist ein Buch für das man ein wenig Geduld braucht, weil sich die Zusammenhänge erst weiter hinten verstehen lassen.
Das ist Alice, eine etwa vierzigjährige Fotografin, mit Kindheit in Gmunden und Eltern in Wien, die jetzt aber keine Wohnung mehr hat, sondern durch die Welt fliegt, in Hotelzimmern wohnt, sich an den Flughäfen von ihren Assistenten, Dolmetschern, Agenten abholen läßt, mal dortwo eine Vorlesung hat und hier zu einer Buchpräsentationen kommen soll.
Sie ist eine, die die Schönheit liebt und sich auf Gewalt nie einlassen würde, und trotzdem wird sie schon im zweiten Kapitel, jedes trägt einen Ortsnamen, im Titel, der erste ist Shanghai, der zweite Tokio von ihrer Assistentin mit Fotos konfrontiert, die sie in Shanghai gemacht haben soll.
Folterfotos mit Hunden, Gefangenen und Flaggen im Hintergrund.
„Bist du wahnsinnig?“, schreit die Agentin, aber Alice hat doch nur Hunde fotografiert und im nächsten Teil, in „New York“, trifft sie ihren Dolmetscher Li wieder, in den sie sich verliebte und der sie offenbar bzw. ihre Fotos mißbraucht hat, um in den USA Asyl zu bekommen.
Dann gibt es noch Bob, Alices Bruder, ein egomanischer Schriftsteller, der in Chicago lebt, an Flugangst und einer Schreibkrise leidet, mit Alice aber offenbar so verbunden ist, daß sie ständig miteinander telefonieren und er ihr auch nachreist, obwohl er business class buchen muß, weil er die Flüge nur am Boden liegend übersteht.
Alice reist weiter zu ihrer Freundin Lilly nach Ohio, das ist eine Physikerin, die beste Freundin ihrer Kindertage, aber jetzt hat sie sich schrecklich verändert, außer Coca-Cola, das sie schon vorher gerne trank, ist sie jetzt auch noch fernsehsüchtig, ihr Haus ist vermüllt, so daß Alice im Hotel schlafen muß und David ihr Mann, der Alice nachts besucht, deutet an, daß Lillys Verrücktheit von ihrer Kinderlosigkeit kommen kann.
Die Reise geht vorerst nach Wien, denn da hat der Vater einen Schlaganfall erlitten und läßt sich von seiner Tochter stundenlang seine alten Tagebücher vorlesen, in denen nichts anderes steht, als wann er Brot mit Marmelade gefrühstückt und Schweinsbraten mit Knödel gegessen hat, was Alice sehr verstört, so daß sie froh über Sebastians Anruf ist, der sie nach Mexiko holt, dort soll sie zwar auf keiner Ausstellung fotografieren, aber der Enthüllungsjournalist hat Mist gebaut, sich von einer Indigenen namens Frieda, die Alices einstens fotografierte und die nun Leiterin einer Putzabteilung ist, sich in einen Pharmakonzern einschmuggeln lassen. Jetzt wurde Frieda entführt und scheint darüber den Verstand verloren zu haben, so daß Bob und Sebastian sie nach Mailand in die Klinik von Sebastians Vater bringen, aber vorher hat Alice noch in der mexikanischen Klinik Visionen, sieht sie doch einen Schatten im Zimmer, der sich später als der Schamane Josef entpuppt und als sie den später fotografiert, sind auf dem Foto Schatten, ähnlich geheimnisvoll, wie die Tatsache, daß die Gmundner-Kinder Bob und Alice heißen, während die Indigenen Frieda und Josef und ein Syrier Maximillian, aber vielleicht ist das genauso geschickt gewählt, wie der Titel des Buches.
Denn die Fotografin ist ja nicht wirklich unsichtbar, sie kann sich nur nicht festlegen, ob sie jetzt politisch ist oder nicht, rettet aber Straßenkinder, in dem sie sie fotografiert und als sie am Flughafen von Chicago mit David telefoniert, gerät sie in Terrorverdacht und darf nun wohl auch nicht mehr in die USA einreisen, die China-Aufträge hat sie schon abgesagt.
Jetzt ist aber ein Angebot nach Ruanda gekommen, wo sie starke Parlamentarierinnen fotografien soll, vorher muß sie noch ein bißchen nach Paris, um Modefotos zu machen, ja das Chatleben einer unabhängigen Fotografin ist sehr teuer und die Flüge ihres Bruders muß sie auch bezahlen, obwohl der, wie der Schluß, aus der Schreibkrise gekommen scheint und einen zweiten Roman über seine schöne Schwester schreiben wird..
Interessant, der vorletzte Roman, der am 19. November 1953 in OÖ geborenen Elisabeth Reichart, die damit genau zehn Tage jünger als ich, ist und die ich durch verschiedene Veranstaltungen kenne. In Salzburg bei dem Symposium von Christine Haidegger sind wir sogar gemeinsam aufgetreten.
Das Buch „Februarschatten“, mit dem sie, glaube ich, bekannt geworden ist, habe ich gelesen.
Aus dem „Haus der sterbenden Männer“, habe ich sie bei „Rund um die Burg“ gehört. Beim Bachmannpreis hat sie, glaube ich, zweimal gelesen. Einmal habe ich sie im Literaturhaus bei einer „Roth“-Veranstaltung gehört und im vorigen Jahr bei der Wendelin-Schmid-Dengler-Veranstaltung in der Nationalbibliothek. Da habe ich ihr auch erzählt, daß ich ein Buch von ihr gekauft habe und sie hat sich gewundert, daß es nicht die „Voest-Kinder“, waren.
Den Wildganspreis und einige andere Auszeichnungen hat sie auch bekommen und der Roman der Historikerin, der natürlich auch wieder Anspielungen an die Nazi-Zeit und die Erlebnisse des Großvaters hat, ist sprachlich schön gearbeitet, trotzdem vielleicht ein bißchen beliebig, zumindest habe ich mir bei den ersten zweihundert Seiten gedacht, daß die Handlung fehlt und eigentlich nur Szene an Szene gereiht wird und, daß man das bei mir sicher ankreiden würden.
Einige Rezensenten, wie Werner Schandor haben auch nicht so viel damit anfangen können.
Thomas Bernhard blitzt manchmal ein bißchen durch die Zeilen, wie an der Stelle auf den Seiten 248- 249, wo Bob über die Schriftsteller schimpft und ich habe vor kurzem auch über eine Fotografin geschrieben, so daß der, der will unsere Stile miteinander vergleichen kann.

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