Literaturgefluester

2013-06-18

Rand- oder Kultfigur?

Filed under: Uncategorized — jancak @ 21:26

Diese Frage habe ich beim „Archivierungssymposium“ im Literaturhaus vor zwei Wochen gestellt, als der junge Literaturwissenschaftler, der an Christa Gürtler Seite über das „Elfriede Gerstl-Archiv“ referierte, meinte, daß man sie vielleicht genauer vorstellen müßte und stellte sie mir auch vor Jahren, als ich ihr Portrait in dem Hilde Schmölzer Buch „Frau sein und schreiben“, nicht entdeckte.
Das war in den späten Siebzigerjahren, als wir im Arbeitskreis auf das Buch gekommen sind und damals war mir Elfriede Gerstl ein Begriff. Wo und wie ich auf die kleine zarte Frau aufmerksam wurde, weiß ich zwar nicht so genau, bin ich ja keine frühe Kennerin der Avantgarde und habe, als ich 1973 die Schule verlassen habe, Hofmannsthal, Doderer und Musil gelesen und nicht H.C. Artmann oder Peter Handke, deren Namen ich höchsten vom Literaturgeschichtelehrbuch kannte.
Trotzdem kann ich mich erinnern und da habe ich wahrscheinlich noch studiert, sie einmal mit Hut und altem Kleid in der Konditorei Aida in der Wollzeile gesehen zu haben und wußte erstens, wer das war, zweites war sie für mich schon damals eine Kultfigur der Wiener Literaturszene.
„Wow und eh schon wissen!“
So habe ich mir, 1983 wahrscheinlich, an der II. HNO Klinik arbeitend und in der Otto Bauer Gasse wohnend, die in der „Edition Neue Texte“ erschienene „Wiener Mischung“ gekauft und zuerst ist mir wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen, daß ihr Portrait in dem „Frauen schreiben-Buch“ fehlte. Später habe ich Hilde Schmölzer danach gefragt und war von ihrer Antwort, daß sie damals unbekannt gewesen wäre, unbefriedigt.
„Das stimmt doch nicht!“ und das habe ich auch auf die Bemerkung des jungen Assistenten gedacht.
Aber als sie gestorben ist, hat „FM4“ bei Cornelia Travnicek angerufen und sie um einen Nachruf gebeten und die hat einen Germanistikstudenten gefragt, der auch „Elfriede wer?“, gefragt haben dürfte.
Die Geschmäcker und die Bekanntheitsgrade sind also sehr verschieden, denn für mich war die kleine alte Dame immer der Inbegriff der Wiener Literaturszene.
„Sie war beides!“, hat mir Christa Gürtler auf meine Frage geantwortet und gemeint, daß sie außerhalb des Wiener Literatenkreis nicht so bekannt sein dürfte. Im diesem aber schon und das hat sich auch heute im Cafe Korb erwiesen, als dort der zweite Band der „Droschl“-Gesamtausgabe „Behüte behütet“, von der immer, um den Gerstl-Geburtstag im Juni ein Band erscheinen soll, vorgestellt wurde, denn das war das erweiterte Wohnzimmer der Kaffeehausgeherin, die sich vor der Natur und vor Zecken fürchtete, eine Stadtmenschin eben und das Cafe Korb ist ja von Kleeblattgasse, wo sie wohnte, nicht weit entfernt.
Denn als ich um sieben in den Keller hinabgestiegen bin, war der bummvoll, ich mußte mir erst mühsam ein freies Plätzchen suchen und die Creme der Creme des Wiener Literaturbetriebes war anwesend.
Gustav Ernst, Antonio Fian, Gabriele Petricek, Konstantin Kaiser, Christl Fallenstein, die Brigitte, Lukas Cejpek, Gerhard Jaschke und und und.
Als im Vorjahr in der „Alten Schmiede“ der erste Band präsentiert wurde war das ebenso und Anette Knoch, die Droschl-Verlegerin, dankte auch dem Publikum, das trotz der großen Hitze gekommen war.
„Gemeinsames Schwitzen für Elfriede Gerstl!“, hat es Margret Kreidl, die mit Franz Schuh Texte aus dem Band gelesen hat genannt und Herbert J. Wimmer, der Lebensmensch, präsentierte fünfundvierzig Fotos auf einer Endlosschleife.
Christa Gürtler erläuterte welche Texte in dem Band enthalten seien. Die aus der „Neuen Wiener Mischung“, die später wieder aufgelegt wurden, Reisetexte, Elfriede Gerstl, die, in den Sechziger-und Siebzigerjahren viel von Wien nach Berlin pendelte, wo sie mit ihrem Ehemann Gerald Bisinger lebte, hat viel in Zügen und sonst wo geschrieben und auch dem Band „Unter einem Hut“, den Franz Schuh herausgegeben hat.
Elfriede Gerstl, die verkannte, die Schwierigkeiten hatte beim Wohnungssuchen, beim Veröffentlichen und bei den Preisen und Stipendien. Die durch die Wiener Gruppe, bzw. Oswald Wiener und Konrad Bayer zu schreiben angefangen hat.
Ich habe, immer noch in der Otto Bauer Gasse lebend, in der Zeitschrift „Emma“, die ich mir damals kaufte, den Text „Das kleine Mädchen, das ich einmal war“, gelesen. Ich weiß nicht, ob ich ihn noch irgendwo aufgehoben habe und ob er meine Umzüge überlebte, da steht jedenfalls etwas von der Kindheit der jüdischen Zahnarzttochter, die sich mit der Mutter und der Großmutter in Wien verstecken mußte und lange nicht zur Schule gehen konnte.
Viel später hat sie dann zwei Preise, den „Fried“- und den „Trakl-Preis“ gleich hintereinander bekommen und spätestens dann war sie bekannt in Wien. Das Lesetheater hat jedenfalls ihre Texte aufgeführt, da ist auch der Band „Alle Tage Gedichte“ erschienen, aus dem gelesen wurde und wenn man Publikum bei seinen Lesungen haben wollte, hat man sie eingeladen, was sie, die nicht so gut nein sagen konnte, auch genau wußte.
Als ich 1998 oder so zu dem „Wespennestfest“ gehen wollte und keine Einladung hatte, hat sie mich mitgenommen, zum „Alpha-Literaturpreis“ nimmt mich niemand mehr mit, denn sie war eine ausgesprochen Nette, eine Ausnahme im Wiener Literaturbetrieb, obwohl Franz Schuh behauptete, daß sie auch ganz schön stur sein konnte, wenn ihr etwas nicht passte.
Einmal war sie auch bei meinem literarischen Geburtstagsfest, da haben mich dann die, denen ich das erzählte, beim nächsten Fest gefragt, ob auch die Elfriede Jelinek komm?
Natürlich nicht, Elfriede Gerstl war aber mit ihr befreundet, vielleicht deshalb, weil beide schwierige Mütter hatten.
Einmal habe ich ihr, als ich sie bei einer Veranstaltung traf, zu der wir nicht mehr hineingekommen sind, einen Sack Schuhe, in ihr Kleiderarchiv in die Kettenbrückengesse getragen, das sie mir dann zeigte. Bücher haben wir getauscht und und.
2009 ist die alte Dame, dann schon schwer krank gestorben, vorher haben wir sie noch auf dem Volksstimmefest fotografiert, das sie auch regelmäßig besuchte, ich war bei ihren Begräbnis und als etwas später ein Buch von ihr im Cafe Korb präsentiert wurde, konnte ich nicht daran teilnehmen, weil ich mit dem Alfred nach Sizilien fuhr.
So habe ich das heute nachgeholt und im vorigen Jahr habe ich an ihrem Geburtstag ein Stüćk aus den „Berechtigten Fragen“, dem Jugend und Volk Büchlein, das ich einmal im offenen Bücherschrank fand, vor dem, in der Grundsteingasse gelesen. Eine Lesetheateraufführung gab es davon auch, so daß sie für mich wohl eine Kultfigur bleiben wird, auch wenn bald der nächste Student, Assistent oder Journalist kommt und „Elfriede wer?“, fragen sollte. Kleiner Trost am Rande, bei Herta Müller wurde das 2009 auch gefragt, was ich genausowenig verstanden habe.
Bei Katharina Serles gibt es übrigens ein Foto von der Veranstaltung zu finden, was wohl als Beweis zu deuten ist, daß sich auch jüngere Leute für Elfriede Gerstl interessieren.

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