Literaturgefluester

2013-07-10

Die Reise mit Paula

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:18

Nun kommt die Besprechung des Buches, das ich, als besser lesbar auf die Teichalm mitgenommen habe, dann ungelesen zurückbrachte, die „Feuerlinie“ gelesen, „Die Wand“ und „Entweder Olga“ vorgezogen, denn Geschichten kann ich ja an meinen Praxistagen lesen und kurz besprechen, bevor ich in die Sommerfrische fahre und zu der Demonstrationsveranstaltung der Psychotherapeuten gegen das Psychologengesetz am 26. vor dem Maria Theresia Dendenkmal hat es auch gut gepasst, denn der 1931 in Washingthon D.C. geborene Irvin D.Yalom ist ein schreibender Psychiater und in Berührung bin ich mit ihm vor ein paar Jahren gekommen, als die Stadt Wien „Und Nietzsche weinte“ für die „Stadt ein Buch Aktion auswählte“, ich mir das Buch bei der Buch-Wien holte und mich bei der anschließenden Lesung wunderte, wie sehr der freundliche ältere Herr von seinen Leibwächtern umgeben war.
Das Buch beschreibt eine Therapie Nietzsches bei Josef Breuer, interessant habe ich mir gedacht, als ich es gelesen habe, vielleicht ein wenig weitschweifend!
„Und Nietzsche ist es nicht!“, hat Robert Eglhofer in etwa gesagt. Dann habe ich noch „Die Schoppenhauerkur“ gefunden, bzw. bei diesem Flohmarkt in Stattersdorf oder auch bei einem „Thalia-Abverkauf“ bekommen.
„Die Reise mit Paula“, sechs „Fallgeschichten“, lagen im Bücherschrank und als ich mich vorher bei Amazon erkundigt habe, habe ich festgestellt, daß die Leute es als sein bestes Buch bezeichnen.
Fallgeschichten eines schreibenden Psychoanalytikers sind sicher sehr interessant, Dr. Yalom geht auch erstaunlich offen und augenzwinkernd mit seinen Fehlern und Schwächen um.
Bei der Danksagung wird an die Lektorin gedacht „die mich wie schon bei so vielen anderen Büchern auch diesmal gnadenlos dazu gedrängt hat, beim Schreiben das Beste aus mir herauszuholen.“
Nun ja, das fehlt mir vielleicht ein bißchen. Fallgeschichten und Gruppentherapien gibts bei mir wohl auch zu finden und von der Psychoanalyse verstehe ich nicht so viel, obwohl ich irgendwie ein bißchen in der Berggasse sozialisiert wurde und in den Siebzigerjahren bei den Strotzka-Vorlesungen war.
„Mama und der Sinn des Lebens“ ist die erste Geschichte.
Die Mutter ist zehn Jahre tot, vorher hat sie in einem Altersheim gewohnt, mit den Büchern des Sohnes neben sich am Tischchen und auf den Knien, die sie nicht lesen konnte, weil Mama blind und auch noch Analphabetin war.
Der berühmte Sohn träumt nun jede Nacht von ihr und fragt und sich ob sie zufrieden ist? Die beiden werfen sich ihre Fehler vor, der Sohn erklärt ihr, daß sie ihn loslassen soll und hat am Ende doch nur wieder Mamas Strategien übernommen.
In der Titelgeschichte geht es um Paula und um eine Gruppe mit sterbenden Patienten, das hat es in den Siebzigerjahren noch nicht gegeben. Dr. Yalom gründet eine 1973 mit Paula, einer unheilbaren Krebspatientin. Das heißt er führt zuerst Gespräche mit ihr. Sie ist ein Bündel an Agilität, irgendwo wird die Frage gestellt, die ich mir auch immer stelle, wieso es eine erst Krebsdiagnose braucht, um seine Aktivität zu finden und regt ihn zu der Gruppe an.
Die wird ein Erfolg, Dr. Yalom ist der Leiter, aber die Energie kommt von Paula, sie bringt Kerzen mit und regt zu Meditationen an und Dr. Yalom kommt auf die Idee, um Forschungsgelder anzusuchen und das Ganze evaluieren zu lassen. Das bringt ihn in Konflikt mit Paula, die die Gruppe verläßt, er hat, neben all seiner anderen Tätigkeiten zu wenig Zeit sich um sie und ihre Probleme zu kümmern, so daß er erst Jahre später von ihrem Sohn von ihrem Tod erfährt.
In „Trost aus dem Süden“ geht es auch um eine Gruppentherapie, diesmal in einem psychiatrischen Krankenhaus, die Yalom einmal in der Woche leitet, bzw. den Assistenzärzten vorführen soll, wie man eine solche macht. Er radelt dazu von seinem Sprechzimmer in die Klinik hinüber, denkt über die Schwächen und Schwierigkeiten einer solchen Therapie nach, welche Patienten werden zugelassen und übt Kritik an Ronald Reagan, der plötzlich alle für gesund erklärte, so daß die Patienten wieder in ihre schädigenden, sie krankmachenden Umgebungen zurückmußten.
In der Gruppe hat er sehr schwierige Patieten, depressive, die nach mißglückten Suiziden in Rollstühlen sitzen, abgemagerte, zwangsernährte anorektische Mädchen, Psychotiker, etc und versucht ihnen ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Die eigenen Unzulänglichkeiten und Schuldgefühle nicht das Beste aus sich herausgeholt zu haben, kommt natürlich auch dabei vor.
In „Sieben Lektionen zur Bewältigung von Leid“ gehts um Trauertherapie. Da wird der Psychiater von einem Freund angerufen, ein anderer Freund ist an Krebs erkrankt und nun will dessen Frau zu Dr. Yalom zur Bewältigungsanalyse. Das ist nun schon mal ein Kunstfehler, der dachte ich, bei den Analytikern viel wichtiger als Beispielsweise bei den Verhaltenstherapeuten zählt. Dr. Yalom therapiert trotzdem und geht in mehreren Jahren mit seiner Patientin, einer Chirurgin, alle Trauerstadien durch. Daß er von Kübler-Ross nicht viel hält, ist schon im vorigen Kapitel angeklungen. Jetzt erzählt Irene ihm ihre Träume, sie hat Angst vor Verlusten, deshalb sieht sie ihren Psychiater auch nicht in die Augen, hat sie doch als junges Mädchen ihren Bruder verloren. Jack soll nicht sterben, er tut es natürlich und auch noch ihr Vater und die Mutter erkrankt an Alzheimer, während ihr Psychiater so unverwüstlich gesund wirkt. Darf jemand, der keinen Verlust an sich selbst erlebte, überhaupt Trauerarbeit leisten, lautet eine weitere frage, die Dr. Yalom mit einem „Natürlich, denn ein Schizophrener wird ja auch nicht von einem Schizophrenen behandelt“, beantwortet. Dann stirbt ihm aber der Schwager weg. Irene wird trotzdem immer depressiver, scheint nicht loslassen und sich einen neuen Mann suchen zu können, sondern läßt alles wie es ist, Jacks Schreibtisch bleibt unberührt, sie starrt aus dem Fenster, der Psychiater wird ungeduldig, das muß doch schneller gehen und schlägt Irene Medikamente vor. Da bringt sie ihm ein Brodsky-Gedicht als Metapher und schließlich, noch ein paar Jahre und hunderte Analysestunden später, stellt sie ihm einen Kevin vpor.
„Nimm dich in Acht“, denkt sich Dr. Yalom dann. „Pass ja gut auf sie auf. Und wehe dir, wenn du stirbst!“
„Doppelbelichtung“ gibt wieder augenzwinkernd Einblick in den Analysebetrieb. Diesmal ist ein Dr. Lash der Protagonist. Myrna kommt zu ihm, weil sie Beziehungsschwierigkeiten hat und ist mit der Therapie eigentlich unzufireden und der Anlytiker ist es auch ein bißchen. Er nimmt die Gespräche aber immer auf Tonband auf und gibt sie seiner Analysantin mit, damit sie sie sich nochmals anhören kann. Einmal passiert ein Lapsus. Der Analytiker dreht nicht ab, so daß Myrna seine Aufzeichnungen über den Fall „Myrna“ mitbekommt, die er sich für eine Gegenübertragungsgruppe macht. Da hört sie dann etwas, das sie ih langweilt und daß der Analytiker gerne auf ihre Titten starrt und das, was eigentlich ein Kunstfehler ist, rettet die Therapie. Myrna wird wütend, denkt sich „Na, den Kerl lass ich jetzt für mein Geld arbeiten!“ und ein paar Monate später, stellt sie Gedichte auf eine Internetplattform und eine neue Beziehung wird sie demnächst wahrscheinlich auch beginnen.
In der letzten Geschichte „Der ungarische Katzenfluch“, wird wieder, wie Yalom in seinem Nachwort meint, die Fiction mit den Therapieerlebnissen durcheinandergewürfelt. Der Protagonist erneut Ernest Lash macht Fehler um Fehler, um über sich hinauszuwachsen und therapiert am Ende eine Katze, um herauszufinden, was man mit langweiligen Patienten macht und wie man mit Therapiebeendigungen umzugehen hat.
Ein Schwarzer aus Trinidad, der in England auf Elitecolleges studierte, will das nach der vierten Stunde tun, begonnen hat er, nach einem Alptraum, als er in Panik in eine Notklinik gelaufen ist und Ernest bringt ihm durch seine Frage nach dem Frühstück vom Vortag dazu, vorläufig zu bleiben. Denn am Vortag hat er, der Langeweiler, in einem Cafe eine tolle Frau getroffen, die ihm am Abend in ihrem Haus Schwammerln gekocht hat, danach erwachte er von einer Katze gejagt, stand bis zu den Schenkeln in einer Säure und rannte von Artemis davon. Das erweckt wieder Ernests Gefühle, sowas kann man einer Frau nach einer tollen Liebesnacht nicht anzutun! So kauft er sich Thomas Mann „Erwählter“ und quält den armen Mister Halston so lang, bis der ihm den Namen des Cafes verrät. Das sich die vegane Artemis für deutsche Literatur interessiert, hat er schon vorher aus ihm herausgebracht. Das Spiel widerholt sich, Artemis kocht wieder Schwammerln, jetzt hat Lash den Alptraum und rennt davon. Er kommt aber wieder und Artemis ist gar nicht so erstaunt, wie er dachte, sondern liest ihm den Brief ihrer Großmutter vor. Die hat in Budapest anno 1931 einen Kater in die Donau versenkt und wurde von ihm verflucht, daß fortan sie und ihre Kindes-und Kindestöchter von der Liebe jejagt und von den Männern verlassen werden. Dr. Lash gibt nicht auf. Er bringt vietnamesisches Essen, statt der Schwammerln, therapiert den Kater, wünscht ihm ein gutes Leben und kann fortan ein solches bei Artemis haben. Mister Hash hat die Therapie inzwischen endgültig abgebrochen.
Ein spannendes Buch, das ich in einigen Tranchen gelesen habe und das auch einer Verhaltenstherapeutin gefallen kann. Ich würde mich auch dem Urteil der anderen Leser anschließen und es für das beste zu halten, das ich bisher von Irvin D. Yalom gelesen habe.

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