Literaturgefluester

2013-07-13

Der lange Gang über die Stationen

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:21

Es ist ein sehr bedächtiges Buch, das der 1982 in Kirchdorf an der Krems geborene Reihard Kaiser-Mühlecker da 2007 geschrieben hat. In einem altmodisch fast märchenhaften Ton erzählt da einer von seiner Frau. Er, der junge Bauer, der mit der Mutter und dem kranken, unsichtbaren Vater auf dem Hof lebt, heißt Theo oder Theodor und hat eine namenlose Frau, eine Städterin aus Linz dorthin gebracht.
So erzählt er uns von seiner Frau, mit der in arbeitsarmen Zeiten einen Ausflug durch die Gegend macht, von seiner ersten Autofahrt, auf die ihn ein Bekannter der Frau, sozusagen als Hochzeitsgeschenk nimmt. Die Frau, die Städterin ist schon mit dem Auto gefahren, er nur mit dem Zug und weil es an der Zeit ist, nimmt er sich auch ein halbes Jahr Auszeit und verschwindet irgendwohin Er kommt zurück und lebt weiter mit ihr auf den Hof, nimmt einen Knecht auf, der irgendwann mit einem Bündel erscheint und dann auch verschwindet.
„Irgendwann sehen wir uns wieder!“, sagt er zum jungen Bauern, der ihn vorher gefragt hat, ob er ihn nicht vielleicht zu hart halten würde? Es gibt Begegnungen mit einem alten Mann, mit dem Nachbarn, von der warmen Küche auf der immer irgendwelche Töpfe stehen, wird erzählt und von den toten Vögeln, die er, von den Katzen verfolgt, in die Erde gräbt.
Dann fährt er mit der Frau in die Stadt, nicht nach Linz, sondern nach Wien, wo er natürlich noch nie war und sich in den Weiten natürlich unwohl fühlt (von den großen Städten mit denen natürlich Innsbruck gemeint ist, hat Gerhard Kofler einmal in einem Gedicht geschrieben.)
Theo geht die Frau aber auf die Nerven, die ganz ungeniert in seinem Dialekt nach den Straßen fragt, die sie eigentlich kennen müßte, denn sie war schon einmal da. Er geniert sich für den Dialekt und eingeladen sind sie natürlich von dem Bekannten. Theo fällt nur ein nach dem Dach zu fragen und ist enttäuscht, daß man dieses ganz leicht reapieren kann.
Am Land zurück gibt es Sorgen und das Ehepaar entfremdet sich noch viel mehr mehr. Der Frau ist Theo zu ungepflegt, aber der muß sparen und will sich deshalb keine Rasierklingen leisten. Es gibt zwar einen Kredit für den Schafstall, den er bauen will, der Bankdirektor schüttelt aber besorgt den Kopf und wir lesen von einer Welt, wo es zwar Banken und Tanzlokale, aber keine Krankenkasse zu geben scheint. So kann sich die Mutter keine Brillen leisten und der Vater stirbt.
Der Freund und Nachbar mit dem und dessen toter Frau Theo in seiner Jugend tanzen war und der früher trank, als Theo ihn unbedarft zum Schnapstrinken auffordert, ist die Frau entsetzt, erhängt sich und Theo schafft es nicht, den Pfarrer zu einem christlichen Begräbnis zu überreden.
So begräbt er ihm am Hof. Darf man das überhaupt? Die Frau fährt immer öfter in die Stadt, ob zu ihren Bekannten oder zu einer Abteibung ist nicht ganz klar. Sie antwortet nur einmal nach der Rückkehr, als Theo sie fragt, ob ihr morgens noch schlecht sei „Jetzt nicht mehr!“
Am Ende verschwindet Theo, der für Schnaps und Zigaretten doch Geld zu haben scheint, mit beiden im Wald und wir haben ein beklemmendes Stück Literatur, eines sehr jungen Mannes gelesen, das die Literaturkritik glaube ich auch ein bißchen in Verlegenheit brachte, das Arnold Stadler, aber als „großes Glück“, am Buchrücken beschreibt.
Ein sehr bedächtiger, erster Roman, mit schönen, sehr genauen Beschreibungen, die immer wieder nicht in die Zeit zu passen scheinen, denn die Knechte, die gar nicht mehr so heißen, tragen, glaube ich, keine rotkarierten Bündeln mit sich herum und auch am Land ist man wahrscheinlich schon mit dem Auto gefahren, wenn die Städterin Sommerkleider mit schmalen Trägern und schöne Stiefeln trägt, der 2008, für einen jungen Autor ungewöhnlich, gleich bei Hoffmann und Campe erschienen ist.
Bei einer literarischen Soiree habe ich das erste Mal von ihm, der hoch gelobt und vielleicht auch ein bißchen berätselt wurde, gehört. Ich war auch bei einigen Lesungen.
„Wiedersehen in Fiumicino“, das dritte Buch, habe ich gelesen. Dazwischen erschien „Magdalenenberg“ und jetzt „Roter Flieder“.
Alle vier Bücher bei Hoffman und Campe. Das letzte Mal habe ich Reinhard Kaiser-Mühlecker, glaube ich, in der „Aten Schmiede“ bei einer Lesung, wo er Wolfgang Hermann moderierte, gesehen. Kurt Neuman fragte ihn da nach dem neuen Roman, der inzwischen erschienen sein dürfte.
Ein interessanter literarischer Erstling, den ich da bei „Thalia“ in der Abverkaufskiste gefunden habe und eine interessante literarische Karriere, die Reinhard Kaiser-Mühlecker da gelungen ist, der sein Schreiben inzwischen auch verändert hat und neuzeitlicher geworden ist.

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