Literaturgefluester

2013-09-20

Salzflut

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:33

Das ist das wahrscheinlich, was von der Nordsee auf die Insel schwemmt und das Land überflutet und die Ich-Erzählerin, eine junge Pastorin, ist in Nikola Anne Mehlhorns, 2010 bei „Nachttischbuch“ erschienener Erzählung, auf Häwenseiland gestrandet.
Eine richtige Pechvögelin ist sie, die namenlose Protagonistin mit den aschblonden Haaren, von Todessehnsucht und sonstigen Unglücken heimgesucht und dann noch in ihrem Schwestermann verliebt, denn, so steht es schon im poetisch schönen Vorwort „Der Tod hat viele Gestalten:salznasse, mehrköpfige. Ich begegnete ihm auf dem Schulflur. Damals hatte er grünblaue Augen, zwei Nasen und vier Ohren.“
Scheint ein richtiges Monster gewesen sein, Schwestermann, der unglückseligen Zwillingsschwester, die als Pastorin auf der einsamen Insel gestrandet ist, wo, während des Gottesdienstes der Fenseher läuft und die Sprechstunden immer leer sind und nicht einmal Antonio, der Küster, anfangs in die Chefin noch verliebt, vermag sie zu trösten. So hört sie das Meer säuseln „Noch ein Jahr, noch drei Monate, noch vierundzwanzig Tage, bis zu deinem Tod“ und so weiter und so fort.
Der Küster Antonio erfahren wir am Anfang, soll ihren Tod mitverschulden, obwohl da noch alles, abgesehen vom Fernseher in der Kirche normal ist.
Die Pastorin wird zur Segnung eines Täuflings eingeladen, soll in der Seelsorger-Sprechstunde, der dreizehnjährigen Sörens-Tochter, die offenbar das zweite Mal von ihrem Papa schwanger war, erklären, warum Gott sowas zuläßt und einer Mutter, was zum Selbstmord ihrer Tochter sagen.
„Manchmal tut Selbstmord weniger weh, als Weiterleben!“, tröstet sie. Dann geht es aber schon mit ihr begab, von Kirchenwoche zu Kirchenwoche, die die kleinen Abschnitte, der drei Erzählteile einleiten. Bibelzitate gibt es immer auch und die Pastorin wird von der Schwester Annika und deren Gatten Amade, ihre unglückliche Liebe heimgesucht.
Der scheint wirklich ein Ekel zu sein, bestreitet er doch die Vaterschaft von Söhnchen Tobias und als Annika MS bekommt, läßt er sich von ihr scheiden. So schreibt ihm die Heldin, die inzwischen von ihrer Gemeinde gemobbt zu werden scheint, es kommt niemand in den Gottesdienst, die zweischwänzige Katze verschwindet und wird später abgemagert aufgefunden und sie bekommt auch die geringsten Werte bei den Gottesdienstkritiken,einen Liebesbrief und Amade, der nach der Scheidung die Wohnung verlassen muß, kommt wirklich zu ihr, allerdings verläßt er sie wieder, nachdem seine Freundin ihren Mann losgeworden ist, der Organist Bernd ist auch von ihr enttäuscht und als zuletzt noch der Vorsitzenden des Oberkirchenrats in die versäumte Sprechstunde kommt und sie entläßt, vom Tod der Schwester, die in ihrem Rollstuhl von einem LKW überfahren wurde „Eines muß ich dir sagen Gott: Wenn ich die Welt neu erschaffen könnte – ich würde sie anders machen, Gott!“, hat sie inzwischen auch erfahren, nimmt sie die selbstgebraute Flugsalbe und hebt zu Himmelsfahrt ab, das Foto von Amade und die Bibel hat sie schon vorher weggeworfen, denn es ist „Irrglaube, Götterdämmerung“….
„Salzflut ist ein poetisch und zugleich nüchternes Drama“, steht auf dem Rücken der dreiundsiebzig Seiten Erzählung. Man könnte es auch ein wenig kitschig nennen und zu dick aufgetragen, dann aber doch wieder eindrucksvoll und höchst poetisch in der Sprache, die mich irgendwie an die erinnerte, mit der Jochen Jung in seinem „Wolkenherz“ erzählt und das handelt ja auch auf einer Nordseeinsel.
Die 1967 in Hannover in eine Musikerfamilie hineingeborene Nikola Anne Mehlhorn, hat Musik in Hannover, Essen und Köln studiert und dann noch eine Ausbildung zur Kultur und Medienmanagerin gemacht. Außerdem gibt es viele literarische Veröffentlichungen und hat heuer mit einem Romanauszug, einer Frau, die auf Rache sinnt und ihrem Mann Würmer in die Spaghetti schneidet, der mir sehr gut gefallen hat, in Klagenfurt beim Bachmannpreis gelesen.
Eine Weihnachtsgeschichte von der Autorin wartet heuer auch noch auf mich.

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