Heute wieder Entscheidungsqual, beziehungsweise war die Entscheidung schon getroffen, als mir El Awadalla ein Kärtchen schickte, daß bei den Dialektautoren in der Gumpendorferstraße Peta Campa „Auf der Reise“ lesen wird, denn das ist ja auch so ein geheimer Untergrund- oder Genreautor, dessen „Zweite Reise“ ich ja vor circa einem Jahr gelesen habe, als ich mir aber das Kärtchen genauer ansah, war ich nicht so ganz sicher, ob ich etwas Aktuelles präsentiert bekäme, ist das Buch „Auf der Reise“ ja schon vor der „Zweiten Reise“ erschienen und Peter Campa lohnt es sich sicher ihn wieder zu entdecken oder aufzufrischen, aber ich kenne ihn ja schon und in der „Alten Schmiede“ gab es auch schon angestrichen, Ruth Klüger, die ein neues Buch präsentierte und Robert Schindel, der über das „Das Dichten und das Lesen von Gedichten“ mit ihr sprechen sollte und ich habe meine Wahl getroffen und bin um halb sieben in die „Alte Schmiede“ gegangen, denn wenn Robert Schindel und Ruth Klüger lesen ist es sicher voll.
Was auch so war, ein, zwei Schulklassen strömten in den Keller und dann wieder hinauf, der Herr, der sich neben mich setzte, hatte eine ganze Aktentasche voll Ruth Klüger Bücher, das Mädchen hinter mir erzählte einer Kunsthistorikerin offenbar vom Poetry Slam, der am Dienstag stattgefunden hat.
Christel Fallenstein winkte mir zu und unterhielt sich mit Herbert J. Wimmer und der Herr neben mir wurde ungeduldig, als es schon fünf nach sieben war und noch immer keine Ruth Klüger zu sehen.
„Vielleicht ist sie krank!“, witzelte ich vorlaut, was er prompt glaubte, Robert Neumann und August Bisinger trugen einen der Tische hinaus und ersetzten ihn durch ein Lesepult und ich überlegte, ob Ruth Klinger wieder von ihren „Kindle“ lesen würde und mein Nachbar, ob er seine Fahrkosten zurückbekommen würde?
Dann gab es ein großes Raunen und die Autorin erschien, gefolgt von Robert Schindel und Kurt Neumann erklärte, was es mit den kommentierten und bei Zsolnay erschienenen Gedichten „Zerreißproben“ auf sich hätte, beziehungsweise wies er darauf hin, daß Ruth Klüger,das Memorieren von Gedichten das „Weiterleben“ in den Lagern ermöglicht hätten und, daß einige der Gedichte, die in dem neuen Buch erschienen wären, schon in „Weiterleben“ enthalten wären.
Dann stellte sich die Autorin mit Buch und ohne „Kindle“ vor das Redepult und erklärte, daß das Kommentieren von Gedichten ein Tabubruch wäre, weil man das ja dem Leser überlassen müßte, was der in den Gedichten sieht. Die Literaturwissenschaftler wollte aber endlich mal das Eigene kommentieren und hat die Gedichte, die teilweise schon viel früher entstanden sind, in verschiedene Gruppen gebündelt.
Eines geht um „Kinder“, nicht um die eigenen, denn die haben von ihr offensichtlich nicht Deutsch gelernt, was im Zeitalter der Zweisprachigkeit auch sehr interessant ist, sie behandeln aber die Scheidung, die zu dieser Zeit erfolgt ist und die Schuldgefühle die die Autorin hatte, sich zuwenig um ihre Kinder zu kümmern, was in den Kommentaren erläutert wurde.
Dann gibt es Kriegs und Lagergedichte, darunter eines, daß in Reimen immer wieder die Beziehung zu dem nicht sehr gut gekannten Vater dokumentierte, den Ruth Klüger ja ab dem achten Lebensjahr nicht mehr sah. Dann Gedichte über das Judentum und Wien-Gedichte, wo die Professorin mit einer anderen nach Wien zurückkommt und sich fremd in ihren Schuhen fühlt.
Dann gabs das Gespräch mit Robert Schindel und die Frage, ob man Gedichte kommentieren kann, weil sie ja immer ein Geheimnis enthalten und sich auch immer etwas voraus bewegen und daher erst später verstanden werden können.
Kurt Neumann warf noch ein, daß die Kommentare oft Jahre später erfolgten und die die Frage wurde wieder aufgeworfen, wer Gedichte liest, beziehungsweise, daß mehr Leute solche schreiben.
Das Publikum offenbar schon, denn es stellten sich eine Menge, um ein Autogramm an und Kurt Neumann wies noch auf das neue Buch zur Grundbuchreihe hin und, daß „Weiterleben“ dort vor drei Jahren besprochen wurde und Ruth Klüger dankte ihrem Publikum für das Interesse und die standing ovation und es war wahrscheinlich eine gute Entscheidung, denn das „Eine Stadt ein Buch“ habe ich natürlich gelesen und Ruth Klüger auch bei der Kramer-Preisverleihung und im Literaturhaus erlebt und auch, wieviel Aufsehen ihre auf dem „Kindle“ vorgetragene Bachmannpreiseröffnungsrede machte, von ihren Gedichten habe ich aber noch nicht sehr viel mitbekommen und kommentierte Gedichte finde ich, die ich ja immer nach der Struktur und dem Inhalt suche, auch sehr erleichternd, so daß es ein sehr interessanter Abend war und ich nur hoffe, bei Peter Campa nicht allzuviel versäumt zu haben.
Ansonsten ist noch zu vermelden, daß am Nachmittag in Franfurt die Trauerfeier für Marcel Reich Ranicki stattgefunden hat.
2013-09-26
Kommentierte Gedichte
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