In dem Roman der in Hamburg geborenen und in München lebenden Journalistin Gabriele Droste „In einer Nacht“ geht es nicht nur um diese, denn das ist ein Theaterstück von Franz Werfel, das 1937 im Theater in der Josefstadt aufgeführt wurde und Gabriele Drostes Roman spielt in Wien 1937-1938 und dann noch einmal 1995 und in München beginnt und endet er.
Denn da stirbt 1995, die Großtante der Journalistin Sophie Kluge, sie geht mit ihrer Mutter in die Wohnung, um sie aufzulösen und erfährt, daß die Mutter Perdita, die Verlorene, von Tante Margarete aufgezogen wurde, weil ihre Mutter Clara, 1937 hochschwanger vom Balkon in ihrer Wohnung in der Wiener Kirchengasse stürzte. Sie starb, das Kind wurde geboren und Tante Margarete hinterläßt Sophie ein paar Fotos und Briefe und so fährt sie mit ihrem Freund Phillip nach Wien um zu recherchieren.
Sie quartiert sich in einer Pension in der Kirchengasse ein und hat an einem Tag gleich drei Begegnungen mit alten Menschen, die nichts von ihr wissen wollen, sie aber entsetzt anstarren und sie Clara nennen. Offenbar sieht Sophie der Großmutter sehr ähnlich. Beim Grab auf dem Zentralfriedhof trifft sie einen alten Sänger, der täglich dort steht und für die tote Clara singt und für die Grabkosten kommt er auch auf. Und in der Wohnung der Großeltern, die Großmutter war mit einem um zwanzig Jahre älteren jüdischen Arzt verheiratet, der noch vor ihrem Tod in Dachau umgekommen ist, wohnt eine alte Dame namens Nina Wolle. Die Großmutter stand in den Briefen, war in einer Künstlerclique und eine ihrer Freundinnen war eine Schauspielerin namens Nicoletta.
Dann gehts zurück ins Jahr 1937, die junge Clara sitzt schwermütig im ihren Zimmer und frisiert sich, ihr Mann ist zwar nett und gut, hat aber keine Zeit für sie und behandelt sie wie ein Kind, so schleudert sie ihre Bürste in den Spiegel, ein Hochzeitsgeschenk der Schwiegermutter, darauf schickt Dr. Freund, so heißt er, Clara zu Sigmund Freud in die Praxis und daraufhin lernt sie Nicoletta und ihre Freunde, die Sänger Gustav und Robert und auch noch einen jüdischen Journalisten kennen.
Robert und Gustav verdienen sich ihre Gagen auch am Zentralfriedhof beim Singen auf Begräbnissen und sehr starke Stellen in dem Buch sind die, wenn die unerfahrene Clara, der vor dem Sex mit Max ekelt, Freud ihre Träume erzählt. Die Schlange ist der Penis und Dr. Freud sitzt verständnisvoll hinter der Coutch und sagt „Hm!“
Claras neue Freunde sind dagegen viel aufgeschlossener, sie nehmen sie zu Landpartien und ins Theater mit und zwischen Clara und Gustav kommt es zu einer Liebesaffaire. Sie schaut sich auch „Faust“ im Theater an und ist von dem Gretchen hingerissen und außerdem kommen noch die Nazis und die Ereignisse überstürzen sich.
Dazwischen hat Sophie mit ihrem Phillip Schwierigkeiten, der sich als ziemmlicher Oarsch entpuupt und ihr auch dreinreden will, wie sie recherchieren soll. So trennt sie sich von ihm und lernt vor der St. Ullrichskirche einen Wolfgang Amadeus Franz Schubert kennen. Noch klischheehafter gehts wohl nicht mehr. Das ist vielleicht ein bißchen das Manko des Buches, das sich stellenweise liest, wie ein Reiseführer, nur werden manchmal die Routen falsch erklärt, denn um von der Kirchengasse in die Berggasse zu gelangen, braucht man nicht zur Währingerstraße und das Essen von Schnitzel wird als die Sensation angepriesen, das lockt wahrscheinlich die Touristen, nicht mehr nach Wien. Es werden aber auch Parties in den Katakomben gefeiert, ob das realistisch ist, weiß ich nicht und das „Orienthotel“, ein Wiener Nobelpuff wird auch frequentiert, sowohl von Clara und ihren Freunden, als auch von Sophie und Phillip.
Die Nazis machen aber der Idylle ein Ende und Clara ist schwanger geworden, weiß nicht von wem, verbirgt es solange es geht von beiden Männern, denn Gustav drängt sie mit Max zu sprechen und sich scheiden zu lassen. Das verlangen auch die Nazis von den arischen Ehefrauen und ein arischer Kollege übernimmt die Praxis im Erdgeschoß. Er will auch die Wohnung haben, da zieht aber Nicoletta mit Robert früher ein und weil Clara sich nicht entscheiden kann, denunziert Gustav Max und er wird ausgerechnet in dem Moment verhaftet, als Clara ihm alles erzählen will, so daß er mit dem Zweifel, daß das Kind vielleicht nicht von ihm ist, ins KZ geht. Clara bekommt bald die Asche zugesandt und als sie erfährt, daß Gustav, der Verräter war, stürzt sie aus dem Fenster.
Sophie, die sich mit einem Kleid aus den Neunzehnhundertdreißigerjahren, den alten Leuten angenähert hat, hat sich inzwischen mit Nicoletta angefreundet und bekommt von ihr 2005, da ist sie schon mit Wolfgang Amadeus Schubert verheiratet und selber Mutter, einen Brief. Sie soll nach Wien kommen, Gustav liegt im sterben und will ihr alles sagen und so endet der Roman, der sicher ein wenig kitschig und klischeehaft ist, aber Gabriele Droste hat sehr genau recherchiert und gibt und zeichnet sehr anschaulich, das Wien der Neunzehnhundertdreißigerjahre. So gibt sie Einblick in das Theaterprogramm. Hans Lothar war damals Direktor der Josefstadt und Franz Werfel offenbar in allen Cafehäusern gegenwärtig. Es wird in dem Wien von 1937 nur sehr oft Champagner getrunken, während meine Eltern in dieser Zeit wahrscheinlich zu den Arbeitslosen gehörten. Davon liest man in dem Buch nichts.
Aber natürlich hat Sigmund Freud in dieser Zeit die verklemmten bürgerlichen Mädchen und Ehefrauen behandelt und natürlich gab es Sekt in den großen Wohnungen, von denen ich inzwischen ja auch in einige gekommen bin. Ein interessantes Buch also für eine Wienerin, die sich auch an trivialeren Romanen nicht zurückschreckt und sich für das Wien von 1937 und 1938 sowieso sehr interessiert und das ist mir jetzt noch ein bißchen plastischer und vorstellbarer geworden.
2013-10-18
In einer Nacht
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