Literaturgefluester

2013-10-27

Gute Gründe

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:38

„Gute Gründe-Texte aus dem 44er Haus“, eine Anthologie mit Texten von neun Teilnehmern der Leondinger Akademie 2011/2012, dem einjährige Lehrgang für literarisches Schreiben, der von Gustav Ernst und Karin Fleischanderl geleitet wird.
„Zum zweiten Mal seit der siebenjährigen Akademiegeschichte“ ist eine solche Anthologie entstanden“, schreibt Gustav Ernst in seinem Vorwort, lektoriert wurde das hundertsechzig Seiten Buch, das bei digitaldruck.at entstanden ist, von Laura Freudenthaler, einer Teilnehmerin und Gustav Ernst erzählt in seinem Vorwort weiter von den acht dreitägigen Wochenendseminaren, in denen sich die Teilnehmer im „44er Haus“ trafen, um „unter Anleitung erfahrener Autoren wie Paulus Hochgatterer, Anna Migutsch, Kathrin Röggla, Robert Schindel, Sabine Scholl und Margit Schreiner Texte zu schreiben, sie in Feedbackrunden zu diskutieren, zu korrigieren und weiterzuentwickeln.“
Wenn man auf Homepage der Akademie geht erfährt man auch, welche Teilnehmer welche Preise gewonnen, welche Bücher wo veröffentlichten und wo sie zu etwas nominiert wurden und es gibt inzwischen sehr berühmte Teilnehmer, wie Judith Pfeifer 2007/08, Anna Weidenholzer, Phillip Weiss, Isabella Straub, Isabella Feimer, 2008/2009, Harald Darer und Marianne Jungmaier 2009/10 und 2011/2012 haben Manfred Donnerbauer, Laura Freudenthaler, Christine Mack, Franz Miklautz, Lydia Mittermayr, Harald Reschitzegger, Andreas Rockenbauer, Luis Stabauer und Maria Tiefenthaller am Lehrgang teilgenommen, bzw. sich an der Anthologie beteiligt.
Die 1984 geborene Laura Freudenthaler, die ich schon einmal in der „Gesellschaft für Literatur“ hörte, hat inzwischen auch ein Stipendium der Stadt Wien bekommen und den während des Lehrgangs entstandenen Texten, merkt man manchmal seine Themenstellung an und manchmal nicht.
So beginnt es mit einer „Vostellungsrunde“ „Ich bin“, wo acht Autoren etwas dazu schreiben und geht mit vielen kurzen Texten weiter.
In Heu“ schildert der 1950 geborene Luis Stabauer, von dem ich vor kurzem den Interviewband „Der Kopf meines Vaters“ gelesen habe, die Gefühle einer Magd, die ihr Kind anbinden muß, um ihrer Arbeit auf dem Feld nachzugehen. Sehr beeindruckend auch sein Text „Abendkakao“ über die Geschehnisse am Spiegelgrund. Dann gibt es einige Abschieds- und Trennungstexte. Der 1964 geborene Harald Reschitzegger schildert in „Mamaschnitzel“ sehr eindringlich die Ablösung eines etwas fünfzigjährigen dicken Sohnes von seiner siebzigjährigen noch dickeren Mama. Die Beiden fahren in der U-Bahn, der Sohn hat eine Freundin eingeladen und will ihr ein Schnitzel braten.
In Haarig“ schildert Christine Mack die Geburt eines Kindes und dann war einmal wohl auch der Dialog das Thema, wo eine Szene beschrieben werden sollte, wo sich zwei Stimmen über ein fremdes bei einer Tür stehendes Kind unterhalten sollten.
Das Thema Schule wird auch zweimal behandelt, da erinnert sich der 1967 geborene Andreas Rockenbauer, der schon einmal einen Drama-Slam gewonnen hat an seinen Schulkollegen Viktor Alexander Zdrachal, der in kackbraunen Opaschuhen zuspät in den Unterricht kommt, dabei eine Hunderer-Packung Taschentücher verliert, zwei Schihauben trägt und und Augenbrauen und Nasenflügeln zuckt und Lydia Mittermayr die 1980 in Volcklabruck geborene Lydia Mittermayr erzählt von „Schwester Ehrentraud“, der strengen Mathematiklehrerin, vor der alle auf das Klo flüchteten, während die Laura Freudenthaler, die seltsame Beziehung eines jungen Mannes zu einer „Großen Frau mit braunen Locken“ erzählt, zu der er offenbar als Kind gebracht wurde, später bei ihr schläft. Sie steht rauchend am Balkon, sagt, daß sie widerständige Kinder mag, geht mit ihm aus und als sie später einen Mann bei sich hat, erleidet er alle Qualen.
In „Sonntagnachmittag“ wird Andreas Rockenbauer sehr realistisch „Ich wäre ein glücklicher Mensch“, pflegt nämlich Alfred Dolatti oft zu sagen, denkt an seine verstorbene Frau, geht Kuchen kaufen, wenn die Tochter mit Mann und Kindern zur Jause kommen und wird langsam vom „Morbus Parkinson übernommen“.
Und in Franz Miklautz, 1971 in Klagenfurt geboren, „Regentropfen, die einander suchen“ wird es fast surrealistisch. Da fährt ein Arzt Zug und beobachtet seine Mitpassanten, ein anderer Motorrad, dann wird er von diesem, der einmal seine Tochter überfahren hat, angerufen „Es gibt keine Wiedergutmachung für Sie, Herr Dr. Ruckhofer“, sagt er und am Ende gibt es einen lauten Knall.
Dann geht es um die Gesundheit.Was macht man wenn man nur mehr ein paar Stunden zum Leben hat oder in der „Röhre“ liegt und nur mehr das „Siemens-Logo“ anstarren kann und nicht weiß ob der Assistent jetzt draußen auf ihn wartet oder schon längst Kaffeetrinken gegangen ist?
In Palliativmediziners Harald Retschitzeggers „Letzte Entscheidung“, wird es noch viel konkreter beziehungsweise spiegeln sie wahrscheinlich seine Erfahrungen in einem Hospitzzentrum ab. Die Frau verlangt von dem Mann zu kämpfen, der will nicht weitere Chemotherapien etc machen.
Und die 1953 in Linz geborene Maria Tiefenthaller Ärztin für allgemein und Psychotherapeutische Medizin erzählt in „Eine irre Fahrt“, einen Ausstieg nach einer Krebsdiagnose einer Frau, die bisher an der Seite ihres Mannes, eines für sie arbeitenden Arztes, funktioniert hat. Jetzt ist die letzte Tochter ausgezogen, sie ist allein und nimmt das Buch, das ihr ihr Bruder ein paar Monate vor seinem Tod schenkte, will mit dem Zug und der besten Reizwäsche nach Wien fahren, landet in einem Schlafwagen nach Venedig und verlebt mit dem Schaffner einen ausgestiegenen Psychiater, weil man auch nicht immer helfen kann, eine „irre“ Liebesnacht.
Sparprogramme und andere Sichtweisen gibt es auch. So verlangt die bestausgebildete Coacherin plötzlich nur mehr vierzig Euro für zwei Beratungsstunden in Christine Macks Minidrama „Beratungshonorar und Harald Retschitzegger nimmt die „Schönheitsoperationen“ satirisch aufs Korn.
Und Lydia Mittermayr erzählt in „Der Mann auf dem Bild“ von einem solchen, der um in Frühpension gehen zu können, sein Bein abgeschnitten und in den Ofen geworfen hat.
In Franz Miklautz „Und sonst gar nichts“, veranstaltet eine Bank für eine Weihnachtsparty eine „drag Queen Show“ und sucht dafür einen Schwarzen, während der ein ehemaliger Schauspieler am Bau und auch sonst keine Arbeit findet. So singt er um seine Frau und seine Kinder auch mit dem Boot nach Europa zu holen, Marlene Dietrichs „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Ob die Familie ankommen wird ist nicht ganz klar.
Gar nicht so einfach sich durch die vielen kurzen und manchmal auch etwas längeren Texte durchzulesen, die das ganze Spektrums des Lebens umfangen, spannend neue interessante literarische Stimmen kennenzulernen und herauszubekommen, wer an einen solchen literarischen Lehrgang teilnimmt. Man kann sich, glaube ich, nach Lektüre des Buches einen plastischen Eindruck machen, was in den Workshops der Leondinger Akademie, wo der nächste Lehrgang im November beginnt, so passiert.
„Gute Gründe“ also dieseAnthologie zu lesen. Ich danke Luis Stabauer für das zur Verfügung stellen.

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