„Krause Haare“ ist ein „Episodenroman“, der 1959 auf den Bermudas geborenen, in Kärnten aufgewachsenen und in Wien lebenden Anita C. Schaub, das ist die Frau, die mich, glaube ich, 2002 im Literaturhaus bei der von Rolf Schwendter organisierten „Freiheit des Wortes“ angesprochen hat, weil sie eine Frauengruppe des Lesetheaters bilden wollte.
Sie ist oder war Beratungslehrerin, hat ein Buch über das „Frauenschreiben“ geschrieben, in dem sie mich auch interviewte, bei Resistenz die Erzählungen „Tanzende Rose“ und bei Arovell „Fremdenzimmer“ und eben „Krause Haare“, herausgegeben, bei den „Poets-Nights“ habe ich daraus gehört, „Krause Haare“, hat sie vorigen Oktober bei den „Textvorstellungen“ vorgestellt, wo es um „Bedenkliche Beziehungen“ und auch um die Sevim Szenen aus der „Frau auf der Bank“ ging.
Anita C. Schaub, die ich manchmal als etwas „hart“ empfinde, erzählt in ihrem Episoden in kurzen Abschnitten, die immer ein Vorwort haben, in einer Passivform, die ich auch einmal verwendete, von einem Frauenleben, das wohl ihr eigenes ist, zumindestens könnte ich einige autobiografische Zuordnungen treffen.
Margit Hahn hat das Vorwort geschrieben und geht, da vor allem auf die Farben ein, die manchmal die Abschnitte beenden, „Welche Farben hat der Haß, die Liebe, die Scham, ecetera?“
Beginnen tut es vor der Geburt von Anna, wie die Protagonistin, um deren Leben es geht, heißt.
Die Frau hat Kopfschmerzen und Migräne, der Mann will ein Kind, dann kommt die kleine Anna mit den krausen Haaren auf die Welt, mag nicht Handarbeiten, der Vater vertschüßt sich bald, Anna hat viele Beziehungen. Den Mann, den sie am See des Fremdenverkehrsortes triff, wo sie als Kellnerin jobbt, sie verbringt mit ihm eine Liebesnacht, am nächsten Tag kommt er mit Frau und Kind ins Gasthaus und sie hat ihm „heiße Liebe“ zu servieren. Sie jobbt auch am Oktoberfest und einmal will sie ein Mann, weil es regnet mit ihrem Mofa in seinem großen Auto mitnehmen, der Mann nennt sich „Bankräuber“, Anna hat ihr Handtuch am Stand vergessen, als sie zurückkommt, sind Auto, Mann und Mofa weg.
Man merkt es schnell, es klappt nicht mit der Liebe, für Anna sind immer nur die verheiraten Männer da, die nicht wirklich Verantwortung übernehmen wollen. So geht sie nach Wien, macht verschiedene Ausbildungen und in dem Buch gibt es verschiedene scharfe Alltagsbeschreibungen.
Köstlich, die Szene, wo die literaturinteressierte Anna in eine Lesetheateraufführung geht, da sieht sie einen „Sandler“ sitzen, denkt sich, dem armen Mann muß ich ein bißchen Geld geben, „Danke!“, sagt der, kündigt dann die Veranstaltung an, am Büchertisch liegen die Bücher des dreifachen Doktors und Universitätsprofessors, er geht mit dem Körberl herum „Sie haben ja schon gespendet!“, sagt er zu Anna.
„Welche Farbe hat die Scham?“
Was sich Rolf Schwendter wohl dazu gedacht haben könnte, der aus dem Buch vielleicht bei einer der Veranstaltungen hörte.
Köstlich aber auch die Fallbeschreibungen aus der Psychiatrie, wo Anna ihr Praktikum macht. Da trifft sie eine Kollegin, die einen Verfolgungswahn bekommen hat, weil sie sich nicht abgrenzen kann und Anna überlegt, welche ihrer Verwandten vielleicht auch „eingeliefert“ werden können und denkt an eine hysterische Person. Wenn die kommt, wird sie das Krankenhaus verlassen und geht dann gerne auf ihre „depressive“ Abteilung zurück. Weil die Patienten dort unaufälliger und stiller sind. Das meine ich mit „hart“, aber vielleicht ist es nur ehrlich und dient zur Abgrenzung.
Köstlich auch die Geschichte von der dicken Direktorin, die dem Klo gegenübersitzt, keine andere Arbeit machen kann, als intrigieren, heimlich ißt und am Ende an Kehlkopfkrebs erkrankt.
Weniger tragisch, sondern sehr originell ist die, wo der Einbrecher sich durch Annas Wohnhaus schleicht. Er ist ein gebildeter Einbrecher und abgebrochener Geschichtsstudent und macht sich genaue Gedanken über die Wohnungen, in die er kommt, passt auf, daß niemand drinnen ist, etc. Annas Wohnung ist leer und sehr funktionell, viele Bücher, nur gesundes Essen im Kühlschrank, er verliebt sich fast in die Wohnung, läßt ein Kleeblatt zurück und trifft Anna beim Verlassen des Hauses am Gang.
Anita C. Schaub beschreibt auch eine Psychoanalytkerin, die von ihren Klienten dreißig Euro pro Stunde verlangt, obwohl sie siezigtausend für ihre Ausbildung zahlte, aber sonst kommen die Leute nicht viermal in der Woche, die von ihren Klienten Kuchen bekommt und sich auf die Steiermark und ihre Frühpension freut.
Anna macht dann auch eine Therapie, hat viele Süchte und fängt irgendwann zu schreiben an. Dazu setzt sie sich in ein Kaffee, ein Mann setzt sich zu ihr, ignoriert ihr Schreiben, fragt sie aus und wundert sich, daß sie nur Alltagssituationen beschreibt, weil das ja unwichtig ist und niemanden interessiert. Schließlich flüchtet er vor der schreibenden Anna und läßt ihr ihren roten Schal zurück.
Ein wenig abgehackt würde ich die Episoden finden, aber ich habe manchmal auch Schwierigkeiten flüßiger zu werden, sonst erinnert der klare realistische Stil, der mir sehr sympathisch ist und den ich ja auch selbst verwende, an Annas Weidenholzers „Fische“, die ja mit der „Realistik“ großen Erfolg zu haben beginnt.
Mann kann also auch die kleinen leisen Alltagsbeobachtungen beschreiben, die ja eigentlich sehr wichtig sind, um das Leben kennenzulernen und schade, daß es Anita C. Schaub, wie, sie einmal bedauerte, mit ihren Büchern keine Aufmerksamkeit in größeren Verlagen bekommt.
2013-11-12
Krause Haare
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