Die Buch-Wien ist ja mit einer sogenannten „Lesefestwoche“ gekoppelt, wo an bestimmten literarischen Orten, wie das Literaturhaus, die „Alte Schmiede“, die Hauptbücherei etc besondere Veranstaltungen stattfinden, die am Montag immer feierlich eröffnet wird.
2008 und 2009 war dort, dann hatte ich zwei Lesungen und einmal ist die Eröffnung, glaube ich, auch ausgefallen oder fand anders statt so daß ich nach drei Jahren Unterbrechung diesmal in den Stadtsenatsitzungssaal, das ist der mit den Bürgermeisterbildern, ins Rathaus marschierte, um mir Ferdinand von Schirachs Eröffnungsrede und Lesung anzuhören.
2007 als es noch die Buchwoche gegeben hat, war ich auch einmal bei der feierlichen Rathauseröffnung, da haben mir sowohl die Hilde Langthaler als auch die Ruth Aspöck eine Einladung zur Verfügung gestellt, die Ruth hat mich, glaube ich, als ich Verlagsvertreterin angemeldet, die Hilde Langthaler hatte eine vom Schriftstellerverband, am Eingang wurde streng kontrolliert, der Toleranzpreis wurde vergeben, dann gabs ein Buffet und die Buchwoche wurde eröffnet und ich habe, glaube ich, den Picus-Verleger mit dem Herrn Hintermayer verwechselt, was ein wenig peinlich war, vor allem, weil ich ihn nach seinen Eltern fragte, die schon verstorben waren.
Diesmal war es nicht ganz so festlich, zumindest gab es kein Buffet, aber einen Büchertisch und auch eine Anmeldung vor dem Saaleingang und weil ich vorher ein wenig getrödelt habe, bzw. mit meinen zwei Befunden nicht fertig geworden bin, habe ich auch keinen Sitzplatz mehr gefunden und bin bei der Türe gestanden. Neben mir die Feuerwehrleute, die den Zugang bewachten und die noch späteren nicht mehr hineinließen.
Den Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach, Enkel des NS-Reichsjugendführers Baldur von Schirach, kenne ich auch durch den Blog von Leselustfrust, die mich, als es ihn noch gegeben hat, auf einige Bücher aufmerksam machte, auf die ich sonst nicht gekommen wäre.
War es „Verbrechen“ oder „Schuld“, das weiß ich gar nicht mehr so genau, das sind jedenfalls brillante Kurzgeschichtbände, wo Schirach seine Fälle verarbeitet hat.
Gelesen habe ich die Bücher nicht und auch nicht den „Fall Collini“ einen 2011 erschienenen Roman, den Wolfgang Herles in seiner ersten Blauen Sofa Sendung für mich ziemlich unvergesslich sehr verissen hat.
Mich würde auch das Buch „Tabu“ nicht so sehr interessieren, aber, daß ich die Buch-Wien, wie einen Kurzurlaub ziemlich intensiv genieße, weiß man ja und diesmal kann ich es mir auch ziemlich unbeschränkt geben, weil ja der „Nanowrimo“ schon fertig ist und auch sonst keine Ablenkungen auftreten, das heißt das „Literaturgeflüstertextebuch-Dummie“, das inzwischen gekommen ist, muß ich noch durchschauen, aber erst einmal das Lesefest, das auch gleich von einer jungen Dame eröffnet wurde.
Es kam Gerald Schantin auf die Bühne, lobte die Buch-Wien und das Lesen und der 1964 in Münschen geborene Schirach scheint auch ein sehr charmanter Mann, der seine Eröffnungsrede mit Thomas Mann begann, dann zu Hemmingway und Hoelllebecq hinüberschwankte, der bei seinen Lesungen eine Raucherlaubnis und das Mitnehmen eines Hundes verlangte, dadurch das Theater, das die Lesung veranstaltete in feuerpolizeiliche Schwierigkeiten versetzte, danach nicht rauchte und nicht redete und wieder verschwand, während Schirach zu Kafkas Tagebücher schwenkte, die er vor kurzem gelesen hat und dann die Leser pries, fǘr die er schreiben würde, nicht für die Kritiker, die ihn zerreißen, nicht für den Literaturbetrieb, sondern für die Leser und die hören das natürlich gern. Dann forderte er die Leute, die in der Türe standen, zum Näherkommen auf, was sie wegen der feuerpolizeilichen Maßnahme nicht durften und sich auch nicht neben ihm auf das rote Sofa setzen, so las er am Stehpult die Geschichte des Jungen vor, der in einem verfallenen Schloß bzw. Internat aufwächst, der Vater trinkt, die Mutter reitet, offenbar ist auch ein bißchen Autobiografie dabei, zumindest was den adeligen Namen und das Internat betrifft, in das der Junge gegeben wird, der Farben sieht und dann seinen Vater findet, nachdem er Selbstmord begangen hat, das ist wohl kein Tabu, sondern eher ein Trauma. Der Junge wird dann Pornofotograf und begeht später einen Mord, bzw. wird er dessen verdächtigt, so daß ein Strafverteidiger, wohl das Alter Ego Schirachs auftaucht, auch da las Schirach eine Stelle vor, die mir sehr gut gefallen hat, wo der Burn Out Gefährdete, in einem Südtiroler Hotel Urlaub macht, sich dort langweilt und dann wahrscheinlich auch bald auskneift, um die Verteidgung zu übernehmen.
Dazwischen gab es ein Gespräch, Schirach forderte zum Fragenstellen auf, zuerst ging es um die Strafprozesse, dann fragte einer nach der literarischen Soiree, die heute in den „Passagen“ wiederholt wurde, wo Daniel Kehlmanns „F“ und Schirachs „Tabu“ besprochen wurde.
Der große Kehlmann sehr gelobt, was ich inzwischen, da ich das Buch schon lese, nicht mehr nachvollziehen kann, der Schirach wieder verrissen und ein Herr im Publikum wollte wissen, was Herr Schirach dazu sagt?
Der sagte „Nichts, denn ich bin während der Sendung im Flugzeug gesessen, was wurde denn da gesagt?“ und trat dabei wahrscheinlich dem Programmdirektor Kaindlsdorfer auf den Schlips, denn der saß ja in der ersten Reihe und war auch der, der gemeinsam mit Petra Hartlieb und zwei anderen Damen, verrissen hat. Also eine spannende Lesefesteröffnung, die auch gleich mit einer LesARt Sendung zur Buch-Wien im Phil weitergegangen wäre. Aber da war ich nicht angemeldet und hatte auch noch meine zwei Befunde fertigzuschreiben.
Also bin ich nach Hause gegangen und habe mir beim Schreiben die „Passagen“ angehört und es wieder einmal spannend gefunden, wie und was die Literaturkritiker alles besser wissen.
Herr Schirach war jedenfalls ein sehr charmanter und offenbar auch origineller Mann, der auf die Frage, ob er sich jetzt nur mehr dem Schreiben widmen würde, das Beispiel eines berühmten Berliner Strafrechtverteidigers zitierte, der ebenfalls schrieb, von den Nazis in die Schweiz vertrieben wurde und sich dort erschoß, weil er dort zwar schreiben, aber nicht mehr verteidigen konnte, was ja eine soziale Tätigkeit ist, während das Schreiben ein einsames Geschäft darstellt.
2013-11-18
Eröffnung der Lesefestwoche
2013-11-17
Gender tun und lassen
Nachdem wir schon um zwei zurückgekommen sind, um halb neun ausgecheckt, dann in Sopron im Tesco bis halb zwölf eingekauft und an der Grenze Mittag gegessen haben, ist es sich für den letzten Tag der „Literatur im Herbst“ im Odeon, um die ich mich bisher nicht gekümmert habe, noch ausgegangen.
„Gender tun und lassen – Mann und Frau, Normen, Macht und Liebe“, hieß das von Angelika Reitzer und Christine Lötscher kuratierte Thema.
In den früheren Veranstaltungen ist es eher um osteuropäische Länder und den Donauraum gegangen, aber Mann und Frau ist sicher interessant und so habe ich mich mit Trude Kloiber um vier Uhr im „Odeon“ getroffen, wo es gleich mit Sabine Scholls neuen Roman „Wir sind die Früchte des Zorns“, losging, ein Familienroman, der den Müttern gewidmet ist und darum geht, daß die Frauen die Mutterschaft immer an ihrer Töchter weitergeben, die dadurch stumm und unterdrückt werden, während die Männer Karriere machen. Sabine Scholl, von der ich noch nicht viel gelesen habe, sie aber einmal bei einer Lesung hörte und sie auch als Professorin für Sprachkunst kenne, outete sich in der Diskussion als leidenschaftliche Leserin und obwohl ich die 1959 geborene nicht unbedingt als Feministin einschätzen würde, war die Genderproblematik beim Thema Windelwechseln und Kinderschreien einsichtig. Bei Alois Hotschnig „Die Kinder beruhigte das nicht“, dagegen nicht so sehr und Brigitte Schwens-Harrant, die für die offenbar verhinderte Christine Lötscher moderierte, sprach in der Einleitung, daß der ebenfalls 1959 in Kärnten geborene, keiner sei, der jedes Jahr einen dicken Schmöker auf den Martk werfe, sondern nach dem Roman „Leonardos Hände“, sich eher auf Kurzgeschichten spezialisiere, die fein auskomponiert sind und mit dem Dialog spielen. Den 2006 erschienenen Band „Die Kinder beruhigte das nicht“, habe ich einmal im Zelt der Buchkultur bei „Rund um die Burg“ gewonnen, aber noch nicht gelesen, weil ich ja eher für die dicken Schmöker bin.
„Im Sitzen läuft es sich besser davon“ war auf einer „Buch-Wien“ zu hören, aus beiden Bänden las Alois Hotschnig eine Geschichte vor.
Die aus dem Band „Die Kinder beruhigte das nicht“ war seltsam surreal. Da geht einer zu einer Frau, die ein ganzes Zimmer voller Puppen hat, die sie als ihre Kinder bezeichnet, eine hat seinen Namen, er geht immer wieder hin und erlebt sich sozusagen selbst, verliert oder gewinnt seine Identität neu. Die aus dem anderen Band behandelte in Dialogform das „Älterwerden“, in der Diskussion meinte Hotschnigg, daß sich die Leser ihre Deutungen selber geben müßen und ich habe in der Pause mit Trude Kloiber bei einem Glas Wein über die verschiedenen Formen des weiblichen und des männlichen Schreibens diskutiert, dabei sind wir beim nächsten Veranstaltungspunkt, dem Kontrastprogramm zu Alois Hotschnig, nämlich Thomas Meineckes „Lookalikes“ ein bißchen zu spät gekommen, haben die Einleitung versäumt und wurden gleich in den Roman wo es um Josephine Baker, Greta Garbo, Elvis, Marlene Dietrich, Film, Musik etc, geht hineingeworfen und die „Lookalikes“ sind, habe ich mich inzwischen erkundigt, eine Art Doppelgänger, Personen, die den oben genannten ähnlich sehen und der Roman war, glaube ich, sehr dick, wie die anderen an diesem Abend vorgestellten, auch. Thomas Meinecke wurde 1955 in Hamburg geboren ist Musiker und Schriftsteller und meinte in der Diskussion, daß er, wenn bei seinen Romanen der Abgabetermin naht und er mit seinen Themen noch nicht zu Ende ist, mit dem nächsten beginnt und daß ihm die ersten Sätze und das Ende nicht so wichtig ist.
Dann ging es weiter mit der weiblichen Variante des Schreibens, nämlich der Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken und ihrem Buch „Angezogen Die Geheimnisse der Mode“, das sie schon in Frankfurt vorstellte, eine sehr freundliche blonde Frau, elegant im schwarzen Kleid und Stöckelschuhen mit großer Tasche angezogen, die in ihrem Buch von Rousseau, Nietzsche, der Antike und den Unterschied der weiblichen und der männlichen Mode, der Sexualität und der Unterdrückung höchst lehrreich mit vielen Anekdoten und Beispielen zu erzählen wußte und da wahrlich mit den Vokabeln und den Erkenntnissen um sich schmiss.
Mit den Geheimnissen ging des gleich weiter, nämlich mit Oksana Sabuschkos „Das Museum der vergessenen Geheimnissen“, die von Erich Klein moderiert wurde. Der sehr dicke, 2010 erschienene Roman, ist ebenfalls eine Familiengeschichte in drei Generationen und die Geheimnisse sind, wie Oksana Sabuschko auf Englisch erklärte, ein in der Ukraine übliches Kinderspiel. Erich Klein leitete mit einem Stück aus dem Essayband „Planet Wermuth“, nämlich mit der Stelle, daß am 26. April 1986, als in Tschernobyl der Reaktor in die Luft flog, seltsame Schneeflocken zu sehen waren und Oksana Sabuschko, die sehr viel und sehr lebhaft auf Englisch diskutierte, erklärte den weiblichen Anteil des Schreibens, glaube ich, damit, daß heuer nur Frauen die wichtigsten Literaturpreise gewonnen hätten, was vielleicht ein Zufall, aber sehr schön ist.
Zuletzt kam noch die 1979 geborene Dina Nayerl, die während der islamischen Revolution, als Zehnjährige nach Amerika emigrierte, dort kreatives Schreiben unterrichtet und deren 1913 erschienener Debutroman „Ein Teelöffel Land und Meer“, bereits in dreizehn Sprachen übersetzt wurde.
Das andere, es hat schon am Mittwoch und am Donnerstag in der „Alten Schmiede“ und am Freitag im „Odeon“ begonnen und auch Workshops gegeben, die unter anderen von Bärbl Danneberg, die ich ja vom Arbeitskreis schreibender Frauen kenne“, gehalten wurden, habe ich versäumt. Interessante Bücher über Macht und Liebe, Mode und Unterdrückung wurden aber vorgestellt, von denen ich nun auch einiges mitbekommen habe.
Bade-Impressionen
Die Bademäntel mit denen die meist älteren Leute, viele Deutsche und Österreicher, neben einigen Ungarn, heute habe ich beim Grillbuffet auch Englisch gehört, durch die langen Hotelgänge in das Heilbad schlapfen, sind weiß und manchmal gelb, je nachdem bei welchen Hotel man logiert, in den Badehallen riecht es nach Chlor und bei den Buffets zu Mittag kann man dicke Damen sehen, die in große fette Cremkuchenwürfel stechen. Das Langos gibts mit Rahm und sehr viel Käse bestreut und hat wahrscheinlich einige tausend Kalirien. Sonst wird die Gesundheit in Bük und wahrscheinlich auch anderswo groß geschrieben, gibt es doch Heil, Thai und auch chinesische Massgen, es gibt eine Sauna und ein Erlebnisbad und wie erwähnt, meist ältere Leute mit dicken Bäuchen, die die Kronenzeitung lesen oder sich unterhalten. Zum Rauchen muß man neurdings hinaus ins Freie und steht dann mit nackten Füßen im Bademantel und den Schlapfen draußen, die Liegen sind schon am frühen Morgen mit Handtüchern belegt und manchmal sieht man ein Kind, dem vielleicht langweilig ist, so klettert der kleine Junge in dem gestreiften Leiberl und der grauen Hose herum, die Kacheln hinauf, wo man sein Badetuch ausbreiten und sich hinlegen kann und spielt mit Alfreds Computerbuch. Ist doch eine große Maus am Titelbild zu sehen, schlägt es auf, trägt es herum und will es gar nicht mehr hergeben, später bekommt er dann etwas zum Essen und das Essen wird hier in Bük und wahrscheinlich auch anderswo, groß geschrieben. So gibt es in dem Hotel zwei Buffets. Morgens und abends ist das große Essen angesagt. Man kann sich Eier braten lassen und Palatschinken und da werden die Teller sehr voll gefüllt. Zwei, drei, vier Spiegeleier gleich auf einmal.
„Zu Hause täten wird das nicht!“, sagt ein Mann und eine Frau im Bademantel, mit der ich im Lift nach oben fahren, freut sich schon auf Donnerstag, wo sie wieder selber kochen kann. Man kann sich aussuchen, ob man die Eier mit Speck, Schinken, Käse, Champignonn und noch mit vielen anderen, haben will. Die Palatschinken gibts mit Nuß, mit Topfen und mit Marmeladefüllung. Schalen mit Mohn, Zimt und Kakaopulver stehen auch dabei und der Koch, ein junger Mann mit weißer Mütze, kommt gar nicht nach mit dem Schupfen, Füllen, Nachgießen und verbrennt sich auch manchmal die Finger dabei.
„Diese Palatschinke ist schon kalt! Das ist ein Skandal!“, schimpft ein älterer Deutscher zornig.
„Wollen Sie eine andere?“, bietet der Koch erschrocken an.
„Nein!“, sagt der Mann, schimpft aber weiter und die Teller türmen sich und der Cholesterinspiegel steigt wahrscheinlich, der dann am Morgen in dem Heilbad wieder abtrainiert werden soll. So sind die meisten Leute in den Becken, in den Liegehallen und am Abend und am Morgen im Hotelspeisesaal auch sehr dick. So viele dicke Leiber auf einem Fleck sieht man selten und die Haut ist im Winter auch nicht mehr sehr gebräunt. Ein paar Schlanke sind natürlich auch dabei und draußen vor dem Bad gibt es Stände, wo man Badeanzüge, Jacken, Taschen, Schals und auch noch vieles andere kaufen kann, in dem Geschäft vis a vis dem Restaurant werden schon dekorative Weihnachtssachen zu günstigen Preisen angeboten und dann gibt es natürlich Salami in vielen Sorten, viel Paprika in keinen dekroativen Säckchen, Pusztasalat in großen Gläsern und in dem kleinen Einkaufszentrum, in das wir nach dem Bad schlendern, liegt neben neben gratis Tintenpatronen auf einem Sessel auch ein einsames deutsches Buch.
„Gundelpalatschinken!“, sagt der ausgescholtene Koch zu mir freundlich und wünscht mir guten Apettit als ich meine Palatschinke mit Nuß und Schokosauce haben will, die meiner Meinung nach auch die beste ist. Der Renner sind aber die mit der Marillenmarmelade und ein Wellnessbuffet mit viel Obst und Salaten gibt es auch, bei dem nach den vielen Eiern und Palatschinken am Morgen und am Abend ebenfalls reichlich zugegriffen wird und noch vieles andere in Bük im Bad, wo man sich ein paar Ferientage herrlich ausspannen, erholen und wenn man nicht aufpasst, auch wahrscheinlich zunehmen kann.
2013-11-16
Die Pendragon-Legende
Die „Pendragon-Legende“ von Antal Szerb habe ich mir gleich zweimal gekauft, einmal die englische Version, ohne es zu merken, bei „Buchlandung“ auf der Landstraße, vor ein paar Jahren, als ich, glaube ich“ zu einem Vortrag oder Seminar zur Sigmund Freud Uni hinausging und dann in einem der zwei Buchgeschäfte auf der Wiedner Hauptstraße, von denen es nur mehr eines gibt, ebenfalls um einen Euro oder zwei, die deutsche Ausgabe.
Die englische Version habe ich inzwischen in den Schrank gestellt, weil es wenig Sinn macht, eine ungarische Übersetzung auf Englisch zu lesen und als ich meine ungarischen Anthologien und die Wespennest-Bücher vom Ungarn Schwerpunkt in Frankfurt zusammengesammelt hatte, um sie auf die Badereise mitzunehmen, ist mir der 1901 Geborene eingefallen, der ja auch vor kurzem widerentdeckt wurde und dessen „Reise im Mondlicht“ schon durch das auffallende Cover sich bei mir sehr eingeprägt hat.
Sonst hatte ich keine Ahnung von dem Szegeder Universitätsprofessor, dessen Leben, wie im Nachwort steht aus Büchern und Bibliotheken bestand und der eine Literaturgeschichte schrieb, die heute noch Geltung hat. Sehr jung, nämlich 1945 ist er in einem Internierungslager gestorben und die „Pendagron-Legende“, die ich jetzt in knapp vierundzwanzig Stunden im Bad und in der Badewanne ausgelesen habe, ist wirklich interessant und knüpft irgendwie an die beiden anderen ebenfalls schon längst verstorbenen Ungarn, die ich vorher gelesen habe, obwohl das Buch nicht in Budapest sondern in Wales bzw. in London spielt und wahrscheinlich, sowohl als Satire auf den englischen Snobismus zu verstehen ist, als auch eine Mischung zwischen einer Kriminalgeschichte und einem mysthischen Rätsel ist, die man heutzutage wohl Phantasy nennen würde.
Da ist Janos Batky, ein Philologe, wohlhabend und aus Passion in England lebend, wo er sich reichen Leuten zeitweise als Sekretär zur Verfügung stellt, dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt, obwohl er sonst eine Neigung für die Mystik des siebzehnten Jahrhunderts hat und der lernt auf einer Gesellschaft in London den Earl of Gwynedd kennen, der als seltsamer Mensch beschrieben wird, der auf seinen Besitzungen Experimente macht und auch unsterblich sein soll. Der ist von dem Wissenschaftler begeistert und lädt ihn auf sein Schloß ein, um dort seine Bibliothek zu benützen und die Ereignisse überstürzen sich.
Denn als Batky am nächsten Tag die britische Bibliothek benützt fällt ihm dort ein merkwürdiger Lügenbaron auf, der den Eindruck macht, als hätte er noch nie im Leben eine Bibliothek benützt, sich Batky aber anschließt, ihn nicht mehr aus den Augen läßt und ihn auch nach Wales zu den Besitzungen des Earls begleitet. Vorher lernt Batky noch dessen Neffen Osborne, einen ziemlichen Snob kennen und einen Ring von einer schönen Dame soll er dem Earl auch mibringen. Der empfängt die drei dann ziemlich ungnädig und in den ersten Nächten führt Szerb uns das vor, wie man sich die englischen Gespensterschlößer wohl vorstellen soll.
Das Zimmer hat keinen Schlüßel, draußen wachen die Hellebarden und die Gespenster in mittelalterlicher Kleidung rasen auch vorbei, das Gepäck wird durchsucht, das Päckchen das der seltsame Maloney Batky übergeben hat, verschwindet und der Pfarrer kommt auch, wirkt besorgt, erzählt Batky von den seltsamen Experimenten des Grafen, der die nächsten Tage verschwunden ist und den Ahnungen seiner Schwester. Dann taucht der Earl wieder auf und die Nicht Cynthia, eine seltsam ahnungslose Volkskundlerin, die Bela Bartok für einen Dichter hält, erzählt Batky von einigen Mordanschlägen an den Onkel.
Osborne, Maloney und Batky fahren dann auch zur Burg Pendragon, das ist das Mausoleum der Grafen, wo der erste, der vor einigen hundert Jahren gestorben ist, sich unversehrt befinden soll, wie Batky aus den alten Schriften herausbekam. Die Schwester des Pfarrers warnt davor, denn sie hat geträumt, Osborne wird dort umkommen, es gibt auch eine Falltür und Maloney wird zuerst vom Earl hinausgeschmissen, weil er gestohlen haben soll, später stürzt er aus dem Fenster und der Earl schickt Batky nach London zurück, um eine Schrift aus der Bibliothek zu holen, die will aber die Lady haben, die dem Earl schon den Ring schickte und es beginnt auch in London eine wahre Gespensterjagd. Am Schluß klären sich die Geheimnisse, es geht auch um eine seltsame Erbschaft, ein paar Mal werden dabei noch die Welten gewechselt, Sigmund Freuds Traumdeutung, die Geschichte handelt 1933, spielt dabei auch eine Rolle. Eine Verfolgungsjagd mit einer Verkleidungsszene wo Batky sich mit dem Arzt Morvin trifft, der von ihm die Bestätigung haben will, daß Maloney vom Balkon gestoßen wird, ihm dabei erpresst und dann von den harmlosen Indern am Nebentisch, die sich als Osborn und die Berlinerin Lene Kretzsch, ein in Oxford studierender Blaustrumpf, entpuppten, überwältigt wird, in einen Keller werden die drei auch noch gesperrt, bis sich die Sache aufklärt, die Bösen ihren gerechten Ton finden, der Earl seine Experimente einstellt und die Riesenaxolotls, die er gezüchtet hat, dem Zoo übergibt und Batky, der sich in die schöne Cynthia verliebte, bekommt diese natürlich nicht, da sich die in der Schweiz standesgemäß verlobt.
Spannend spannend, die ungarische Literatur der fast vergessenen und wiederentdeckten Dichter, die heutigen Phantasyromane sind wahrscheinlich mit mehr Bezugnahme auf den Lesergeschmack geplottet, soviel Gelehrsamkeit, Satire und schwarzer Humor ist aber nicht so schnell zu finden. Vielleicht hat es Antal Szerb Spaß gemacht, sich über die Engländer lustig zu machen und die Genres zu verwechseln und so schreibt auch Thomas Steinfeld am Buchrücken „Szerb nicht gekannt zu haben, ist ein Versäumnis“ und Gyorgy Dalos weiß über seinen Schriftstellerkollegen auch nur Lobendes zu sagen.
Jetzt wäre es wohl noch spannend Sandor Marais „Ein Hund mit Charakter“ zu lesen, das ich ebenfalls nach Ungarn mitgenommen habe, aber dafür ist der Aufenthalt wohl zu kurz
Die Jungen von der Paustraße
Jetzt geht es weiter mit der Ungarnlitertatur, nämlich dem berühmten Jugendbuch von Franz Molnar „Die Jungen von der Paulstraße“, 1910 zuerst erschienen, das ich einmal im Fernsehen gesehen habe. Auf der Ueberreuter-Ausgabe, von 2005, die ich im Schrank gefunden habe, sind auch die Filmgesichter, Mario Adorf, zum Beispiel, zu sehen und beim Zusehen, wie beim Lesen sind mir die Tränen, ob der Senitmentalität und Traurigkeit der Handlung heruntergerunnen, obwohl der Inhalt eigentlich arg ist, diese Geschichte von den aufrechten Jungens der Budapester Josefstadt, die wie die Großen Krieg spielen und dabei echte, wahre und anständige Charaktere sind, obwohl es wahrscheinlich auch satirisch zu verstehen ist.
Es beginnt in der Schule, da geht der Unterricht in fünf Minuten zu Ende, der strenge Professor unterrichtet aber tapfer weiter, obwohl die Jungen den Kopf schon woanders haben. Denn die Fahne der Jungens von der Paulstraße, die auf einem Lagerplatz ihr Hauptquartier haben, wurde von der den „Roten Hemden“ geraubt und nun sinnt der Präsident, der später zum General mutiert, der vierzehnjährige Boka, auf Rache, der ist ein besonders aufrechter Typ, der mit Ehre und Anständigkeit handelt, zwar seine Untergebenenen die Leutnants und die Hauptmänner und den einzigen Infanteristen den kleinen Nemecsek, die ständig saltuieren, streng reagiert, auf Rache. Zuerst wird er aber gewählt, nur ein paar Stimmen bekommt Gereb ab, der läuft daher zu den „Roten Hemden über“, die auch so einen aufrechten, ehrenhaften Anführer haben, wird aber von Boka und Nemecsek und noch einem anderen, die auspähen gehen, entdeckt und der kleine Nemecsek, der auch in die höheren Ränge aufsteigen will, versucht besonderen Mut zu beweisen und wird drei Mal ins kalte Wasser getaucht, so daß er sich erkältet, eine Lungenentzündung bekommt und schließlich stirbt.
Das wird von Molnar besonders dramatisch geschildert, so daß die Tränen fließen, die Jungen der Paulstraße haben die Rothemden inzwischen besiegt, die Fahne ist zurückgekommen, ebenso Grebe, der zuerst einfacher Soldat wird, dann doch wieder aufsteigt und der kleine Nemecsek wird Hauptmann und auch sonst rehabilitiert, da gibt es auch noch eine „Kittbande“, die vom Professor verboten wird, aber doch weiterbesteht, bei der er Sekreteär ist, aber keine Zeit für sie hat, weil er ja die Fahne zurückholen will, erlebt das aber nicht mehr richtig und auch nicht, daß das Gelände verkauft wird und Häuser darauf errichtet werden.
Ein sehr berühmtes Jugendbuch, aber auch wahrscheinlich eines, das viele aufrechte Jungen auf den Soldatenberuf vorbereitete, den sie dann später vielleicht auch zweimal ausüben mußten. Zwei kritische Stellen, sind auch zu finden, so wollen die Rothemden das Gelände der Paulstraßen-Jungen nicht aus Machtgier, sondern, weil sie keinen richtigen Spielplatz haben, die Großen, wie die Russen beispielsweise tun das aber auch, merkt Molnar an und zuerst sind die Soldaten mutlos, wenn sie dann ein Ziel sehen, dann rennen sie dafür auch in ihrem Tod und der Herr, der von dem Schneider Nemecsek seinen Anzug haben will, nimmt keine Rücksicht darauf, daß dessen Kind nebenan im Zimmer im Sterben liegt…
Heute wäre ein solch aufrechter Soldatengehorsam mit Freude, Ehre und Anständigkeit nicht mehr vorstellbar, obwohl, wenn man es recht bedenkt, spielen die Kinder vielleicht nicht mehr mit Zinssoldaten oder auf Lagerhalden Räuber und Gendarm, dafür schießen sie aber wahrscheinlich in Viedeospielen auch noch genug „Feinde“ ab.
Franz Molnar, oder Ferenc, wie in Wikipedia steht, wurde 1978 in Budapest geboren und starb 1952 in New York und ist der Autor von so berühmten Stücken wie den „Liliom“.
2013-11-15
Die Liebe am Nachmittag
Mihahy ist sechsundvierzig, Schriftsteller, Kritiker, Dandy und Lebenmann, flaniert durch das Zwischenkriegs-Budapest und erzählt in dreiundvierzig Nachtstücken von der Liebe, dem Leben, dem Älterwerden und noch einiges mehr.
Die Liebe am Nachmittag war in Ungarn der Neunzehnhundertzwanziger- oder dreißigerjahre wohl die des Lebemannes zu der verheiraten Frau, die nur zu diesen Tagesstunden Zeit für ihren Liebhaber hat und auch da nicht wirklich, denn da muß sie ja auch ihre Freundinnen treffen, Verwandte besuchen etc.
Mihahy hat zwei solcher Lieben, die eine zu der „Fünfblumenfrau“, die ihn mit Zigarettenspitzen und Brieföffnern beschenkt, die er eigentlich gar nicht haben will und zu Iboly, einer Schauspielelevin, die ist nicht verheiratet, kommt aus armen Verhältnissen, so daß er ihr die Pengös für die Strumpfrepassieren und das Telefonieren aufdrängen muß. Wir sind da in der Zeit, wo man noch die Strümpfe stopfen und die Mänteln neu besetzen ließ und die Liebhaber steckten dafür offenbar den jungen Mädchen, die diesbezüglichen Geldstücke zu und diese Liebe, von der ein großer Teil des Buches erzählt ist überhaupt recht merkwürdig, denn wenn ich es recht verstanden habe, platonisch, Mihaly will Iboly ständig loswerden und unternimmt diesbezüglich einige Anstrengungen und Verrenkungen. So geht er etwa zu dem jungen Fleischer Gyula, der ihm sein hygienisch schönes Geschäft zeigt und bietet sie ihm regelrecht an, auf der anderen Seite übt er aber auch die Rolle mit ihr, die sie für die Schlußaufführung der Schauspielschule bekommen hat, geht mit ihr diesbezüglich auf den Friedhof und auch zu dem Professor der Theaterschule, damit der genügend mit ihr studiert und besticht auch die Kritiker, damit sie für ihn die gewünschten Kritiken schreiben.
Auf der anderen Seite wird er von Kritikern besucht, die über ihn schreiben sollen und da beschreibt Ernö Szep der Autor, erstaunlich scharf und genau, wie damals die Lebensbedingungen der Eleven und Praktikanten waren, sie unterscheiden sich von den heutigen Verhältnissen, glaube ich nur, daß man die Strümpfe nicht mehr repassieren läßt und mit der Sexualität etwas offener ist, sonst gibt es Zeilenhonorar und kein Geld und Mihaly ist deshalb auch ständig verschuldet und verpfändet, obwohl er auf großen Fuß zu leben scheint und für seine Frauen und seine Mäderln auch hübsch die Pengö springen läßt. Dann hat er noch eine Mutter, die ihn „Papachen“ nennt, weil er der Familienernährer ist und eine Schwester, er schreibt an Theaterstücken und anderen Auftragsarbeiten, so zum Beispiel für die Weihnachts- und Osterhausgaben der Reklamehefte verschiedener Geschäfte Gedichte und Angst vor dem Alter scheint er auch zu haben, so berichtet er genau, wie das war, als er seine erste Brille brauchte, bzw. das erste graue Haar entdeckte. Das ist vielleicht auch der Grund Iboly, die ihn sehr zu lieben scheint und auch gerne immer mit aufs Zimmer kommt, loswerden will.
Das Buch ist ein Fund, denn ich habe von dem 1884 in Huszt, ehemals Österreich Ungarn, heute Ukraine, geborenen Ernö Szep, der als Zeitgenosse Marais und Szerb beschrieben wird, noch nie etwas gehört.
Kein Wunder wahrscheinlich, scheint er eben wiederentdeckt zu werden, bzw. wurde er das vor fünf Jahren schon, denn das Buch, das ich am Samstag im „Wortschatz“ fand, ist ein Leseexemplar mit Nachrichten an die lieben Buchhändler bzw. Rezensenten, nicht vor dem 15. 11 2008 beprechen, da es erst im Dezember 2008 erschienen zu sein scheint, es war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht fertig lektoriert, wenn man also Fehler gefunden hat, hätte man erst rückfragen sollen.
Es gibt auch am Beginn einen ausführlichen Lebenslauf des Dichters mit einigen Fotos und den Hinweis, daß der Roman in ein verlorengegangenes Budapest führt. Wie wahr.
Ernö Szep stammte als Sohn eines Lehrer aus ärmlichen Verhältnissen. Wurde in Budapest zu einem gefeierten Schriftsteller. Nach dem Sturz der Räterepublik 1919 emigrierte er nach Wien. 1944 kam er in ein Arbeitslager und wurde kurz vor der Deputation nach Auschwitz von Raoul Wallenberg gerettet, entkam nach Schweden, wo er 1953 starb.
2013-11-14
Fertig mit dem Nanowrimo
Die Reise nach Ungarn mit dem Hotelzimmer mit Internetanschluß hat meinem „Nanowrimo-Novel“ gut getan, denn wenn man sich meine Statistik anssieht, wird man bemerken, daß ich am vierzehnten Tag fertig geworden, bzw. 50 415 Worte hochgeladen habe, auf meinem anderen Zählwerk sind es sogar schon 50 887 und dieser Nanowrimo hat seine eigene Geschichte, war er ursprünglich ja gar nicht als solcher geplant. Habe ich mit der „Bruderschaft“ schon im September und bei mehreren Schreibgruppen angefangen. Dann habe ich ein paar Recherchetage gemacht und als man dann am ersten November hochladen konnte, habe ich schon siebzehntausend Worte gehabt, habe am verlängerten Wochenende geschrieben und geschrieben und am Tag fünf war ich eigentlich mit der Geschichte, für die ich wieder ein Jahr brauchen wollte, fertig. Es haben mir aber noch über zehntausend Worte gefehlt. Was mache ich da? Zuerst einmal alles durchkorrigieren und dann haben sich schon ein paar Handlungsstränge bzw.Idee gebildet, wo man mit den drei Brüdern, bzw. Barbara Haydn auf der Suche nach ihrer Mutter weitermachen könnte und das war diesmal wirklich interessant, sieht man sich die Statistik an, dann merkt man, daß es ab dem 6. 11. bis zum 12 11. stagniert, das heißt, das war die Zeit, wo auch viel los war, „Fried-Tage“ und Geburtsstagsfest beispielsweise, aber ich habe die über achtzig Seiten, die ich schon hatte, langsam durchkorrigiert und ab gestern im Hotelzimmer im Bük weitergeschrieben und das war sehr interessant, daß sich dann auf einmal doch Handlungsstränge ergeben haben. Denn eigentlich war es ja mit Tante Lillys Geburtstagsfest zu Ende. Jetzt löst sich die Handlung erst danach auf, denn Hanno bekommt einen schlechten Befund und Konrad, der des Amoklaufs verdächtigt wird, flüchtet nach Budapest.
In der urspünglichen Form wollte ich ihn nach Cambridge schicken, aber die dicken Damen in dem Bad, die sich die fettigen Kuchenstücke bestellen, haben mich zum Umdisponieren angeregt. Jetzt geht er nach Budapest, aber vorher in Sopron in eine Konditorei und kommt dann mit einem Kuchenpackerl zu Tante Lilly zurück.
„Nanrowrimo“ heißt für Kurzschreiber, wie ich offenbar einer bin, solange zu schreiben, bis die 50.000 Worte vorhanden ist
„Wurscht was!“, sagen die Initiatoren und wenn es seitenlang dasselbe ist. Das habe ich nicht gemacht, denn ich bin ja zumindestens, was die Quantität betrifft, eine Profischreiberin und habe bei meinem dritten „Nanowrimo“ auch sehr viel gelernt. Eigentlich wollte ich es am fünften lassen und mein Versagen eingestehen, ich kann es nicht, ich kann es nicht und eh schon wissen. Dann hat sich die Handlung von selber ergeben und heute habe ich sozusagen auf Bedarf produziert, immer wieder die Wortanzahl angesehen und entsprechend noch eine Szene angehängt. So geht das Schreiben also offensichtlich auch und ich bin mit dem Resultat eigentlich zufrieden, obwohl es noch nicht so ganz zusammenpasst. Das heißt, da muß ich noch sehr genau korrigieren und die Idee des Ausziehens, wie einen Srudelteig,gibt es offensichtlich auch. Mal sehen wie es weitergeht, den Rest des Ungarnurlaubs werde ich mich auf das Lesen der Ungarbücher bzw. auf das Bloggen der Reiseimpressionen beschränken. Nach der Buch-Wien kann ich dann korrigieren und sehen, was ich lasse, was bleibt, was wegkommt und was noch zu ergänzen ist, damit jetzt endlich doch der große Roman entsteht.
Interessant ist, daß die Anna sich als Badelektüre Daniel Kehlmanns „F“ mitgenommen hat und das ist ein Buch, das mich war nicht zu der „Brüderschaft“ inspirierte, das waren schon die Brüder Z. aber ziemlich zeitgleich erschien und da wäre das vergleichende Lesen, um zu schauen wie das der große Daniel Kehlmann, der ja viel jünger ist, als ich, macht, sicher interessant. Allerdings ist das Rohkonzept jetzt fertig und der „große Kehlmann“ ein ganz anderes Buch, das zufälligerweise auch von drei Brüdern handelt.
Und von den „Nanowrimoschreibern“ gibt es auch einiges zu berichten, denn das Interessante daran ist ja das Schreiben in der Gruppe. So könnte man ja auch an Foren teilnehmen oder sich mit anderen regionalen Schreibern verbinden. Ich schreibe allein, habe dieses November mich aber immer wieder bei Klaudia Zotzmann umgesehen, die ein schon vorhandenes Romankonzept überarbeitet, auch ein bißchen „geschummelt“ hat und jetzt, glaube ich, bei 40. OOO Worten liegt. Die hat einige Buddies und die sind interessanterweise Teilnehmerinnen von Anni Bürkls Seminaren, die ja diesmal eine Nanowrimostarthilfe gab, erklärte, wie das mit der Handlung, den Personen ist und wie man sich motivieren soll, sich dann auch als „Kummertante“ anbot, dann aber offensichtlich Mailprobleme hatte.
Am Nanowrimo ist ja besonders interessant, daß da ausgehend von Amerika inzwischen weltweit hunderttausende im November versuchen einen Roman zu schreiben und die haben auch unterschiedliche Voraussetzungen. Viele haben wahrscheinlich auch schon aufgegeben und als Genres wird auch oft Phantasy etc angegeben. Voriges Jahr habe ich wo gelesen, daß sich jemand aufregte, weil einige schon nach ein paar Tagen fertig waren, während sich viele mit den fünfzigtausend Worten, dem Plot und den Personen plagen.
Ja schreiben muß gelernt sein und es ist natürlich nicht ganz so leicht, so einfach fünfzigtausend Worte aus dem Ärmel zu schütteln, vor allem, wenn man nicht wirklich fünfzigtausend Mal „Mir fällt nichts ein“, hinschreiben will. Mein Problem ist ja heuer und auch das letzte Mal die Kürze, daß ich offenbar schon vor den fünfzigtausend Worten mit dem Text fertig bin und, daß ich es die letzten zwei Male nicht schaffte, pünktlich am ersten November um 0.00 anzufangen, sondern schon jeweils eine Woche vorher angefangen habe. Es ist aber auch so, daß auch „Profis“ und ich halte mich für einen, vom „Nanowrimo“ etwas lernen können. Ich habe gelernt, man kann den Text ausziehen, wenn man sich an die Vorgabe und die Struktur hält und das ist ja genau das Dröseln, das man dann eine Rohfassung verändert und aus hundert vielleicht dreihundert Seiten machen kann. Also nach der Buch Wien, wenn ich wieder Zeit habe, werde ich mich an das Korrigieren machen und es wird dann das 33. Indie werden und diesmal werde ich wohl auch nicht so viel auf das Schreibprojekt hinweisen, weil ich ja nicht wirklich oder auch nur nebenbei heuer beim Nanowrimo mitmachte. Ich bin aber fertig geworden, die fünzigtausend Worte sind schon da, Gratulation und Beifall und ab dem fünfundzwanzigsten kann man sich auch seine Urkunde herunterladen und ab Dezember werde ich schauen, ob es so bleibt oder ob ich nicht vielleicht doch nicht den großen Roman aus der Rohfassung machen kann.
Und hier noch die Schreibberichte zur Verbrüderung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011 12 13 14
Nach Bük ins Bad
Der Alfred, der ja ein reisefreudiger Typ ist und mehrmals im Jahr mit seinem Freund Karl große Reisen zu machen pflegt, konnte heuer wegen dem WU-Umzug in den Prater keinen Urlaub nehmen und kam so, nach dem jetzt das Ärgste ja vorbei ist und am Samstag mein sechzigster Geburtstag war auf die Idee, in der Woche danach mit mir, der Anna und seiner Mutter das ein bißchen nachzuholen. Es schwebte ihm ursprünglich eine Kreuzfahrt durch Portugal vor, die hat dann aber im November nicht stattgefunden und so schwenkte er auf Ungarn um, denn nach Bük ins Bad sind seine Eltern jahrelang regelmäßig gefahren und die Schwiegermutter mit einem Bus vor einem halben Jahr auch manchmal über die Grenze. Dann ist sie aber gestürzt und traut sich alleine nicht mehr und wir waren, als die Anna klein war, vor zwanzig bis dreißig Jahren im Sommer auch ein paarmal in Bük, obwohl ich ja keine Schwimmerin bin und auch die Heilbäder nicht so frequentiere, aber im Sommer kann man im Shirt und in Shorts auf der Wiese liegen, lesen und schreiben.
Und da kann ich mich auch an den Sommer 1989 war das, glaube ich, bevor wir nach Amerika fuhren, erinnern, wo ich Tom Wolfes „Fegefeuer der Eitelkeiten“ gelesen und an den „Hierarchien“ geschrieben habe und irgendeine deutsche Dame erzählte mir, daß die Leute aus der DDR jetzt nicht mehr nach Ungarn fahren dürfen. Es muß der frühe Sommer gewesen sein, dann als wir aus Amerika zurückkamen waren die Bortschaften in Budapest und Prag voll von DDRlern und die Ungarn haben irgendwann die Grenze nach Österreich geöffnet.
Seither bin ich nicht mehr sehr oft in Ungar gewesen, das heißt in BÜK nicht mehr, nach Sopron mit diesen Werbereisen bin ich ja noch ein paarmal gefahren, bevor mich Herr Mark von seiner Liste gestrichen hat, weil ich ihm zu aufmüpfig war.
So schließen wir diesen opulenten sechzigjährigen Geburtstag mit einer Kind und Kegel bzw. Schwiegermutterreise ab und sind am Dienstagmorgen nach Bük aufgebrochen, ursprünglich wollten wir ja schon gleich nach dem Fest fahren, aber da hätte ich sowohl den „Erich Fried“ als auch den „Alpha Preis“, zu dem ich diesmal eingeladen wurde, versäumt und das hätte mir sicherlich sehr leid getan, so haben wir es um zwei Tage verschoben und ich dachte mir, da ich ja keine Schwimmerin bin, keine Heilbäder frequentiere und bis vor kurzem nicht einmal einen Badeanzug hatte, daß ich diese Novemberwoche für einen Lesemarathon nützen werde, ist meine Leseliste ja sehr lang und einige dicke Schinken stehen noch auf dem Programm.
Im November ist zwar auch der „Nanowrimo“ bei dem ich mich bezüglich der „Brüderschaft“ zum Mitschreiben entschlossen habe und ursprünglich dachte, keinen Computer mitzunehmen, dann hat der Alfred ein Hotel mit Internetzugang gebucht und mir ist irgendwann eingefallen, daß ich meine Reisen ja seit ich blogge dazu nütze, die landesspezifische Literatur zu lesen und so habe ich meine Leselisten durchforsten und bin auf einiges von ungarischen Autoren gestoßen. Habe ich in den Schränken in den letzten Jahren ja einige Anthologien, wie beispielsweise „Nachts im Grase-Erzählungen aus Ungarn, eine DDR Ausgabe aus dem Jahr 1988 gefunden, dann gabs noch einiges vom Wespennest als Ungarn Gastland in Frankfurt war, das dann bei den Büchertürmen, der Literatur im März landete. Vor drei Wochen als ich meine Recherchetage und meinen „Kaufrausch“ hatte, bin ich ja wieder bei der „Buchlandung“ eingefallen und habe mir elf völlig unnötige ein Euro Bücher, ich kanns nicht lassen, gekauft, darunter „Ungarn von Montag- bis Freitag“, eine Suhrkamp Anthologie, herausgegeben von György Dalos und von demselben dann das Vorläuferbuch des „Fall des Ökonomen“ und als ich das alles und noch ein paar Gedichtbände herausgesucht hatte, ist mir noch eingefallen, daß ich auch noch ein Buch von Sandor Marai habe, von Antal Szerb „Die Pentagonlegende“ und von Franz Molnar „Die Jungen von der Paulstraße“, ein ziemlich beeindruckender Stoß, der in fünf Tagen gar nicht zu schaffen ist, noch dazu, wenn ich mit der „Brüderschaft“ zwar im Rohkonzept eigentlich schon ziemlich fertig bin, mir für den „Nanowrimo“ aber noch zehntausend Worte fehlen.
Und als ich am Wochenende ins Literaturhaus und dabei an einigen Bücherschränken vorbeigekommen bin, habe ich mir gedacht, jetzt hole ich mir ein „Geburtstagsbuch“ und bin mit einem weiteren Ungarn, Zeitgenosse von Szerb und Marai nämlich Ernö Szep „Die Liebe am Nachmittag“ nach Hause gekommen.
Sechs Bücher habe ich also am Dienstag eingepackt und dazu noch eine Karte von einer Lesung, die im Oktober zu Cornelius Hells „Lesereise Ungarn“ stattgefunden hat, als Lesezeichen mitgenommen, auf der das Bild einer Kleinstadt, ich glaube, Sopron, zu sehen ist, denn die Bücher die ich da eingepackt habe, spielen ja hauptsächlich in Budapest und passen vielleicht nicht gut in ein Thermalbad, wo sich hauptsächlich ältere Deutsche und Österreicher aufhalten.
Der Alfred hat aber ein schönes vier Sterne Hotel, das „Repce Gold“ gebucht, wo es nicht nur Internetanschluß und freien Zugang in das Bad, mit Bademantel und Handtuch gibt, sondern man auch Halbpension buchen muß, das heißt außer Frühstücksbuffet noch eins am Abend und das ist ein bißchen ein Problem für mich, weil ich am Abend eigentlich nichts mehr esse und auch nicht zunehmen will und in der letzten Woche bin ich ohnehin über ein paar sehr üppige Buffets gestolpert.
Aber trotz allem Krisengeschichten, die man derzeit in den Medien hören kann, geht es uns sehr gut und die Buffets sind üppig und so bin ich mit der Büchertasche und dem Laptop losgezogen. Habe den Dienstagnachmittag und den Mittwochvormittag im neuen Badeanzug und dem weißen Bademantel, den Szep lesend auf einer Liege verbracht und bezüglich „Nanowrimo“ korrigierte ich mich noch immer durch, schrieb mal ein paar hundert Worte hinzu, strich die dann wieder weg oder stagnierte überhaupt.
Am Mittwochnachmittag war ich damit durch und habe wieder weitergeschrieben, so hat der Hanno von seinem Arzt erfahren, daß seine Immunsystem nicht in Ordnung ist, dann Schwester Elfriede vor einem Autounfall gerettet und der Konrad, der einen Lehrstuhlin Budapest annimmt, könnte vielleicht doch zum Geburtstagsfest von Tante Lilly erscheinen und bin jetzt bei 43.700 Worte angelangt, habe am Mittwochnachmittag, als ich vom Bad zurückgekommen bin, drei Szenen und 3150 Worte geschrieben und Ideen für ca noch drei Szenen hab ich auch noch, zu einer davon haben mich die dicken fetten Kuchenstücke beim Mittagssbuffet inspiriert, wo sich die Anna dick mit Rahm und Käse bestrichenes Langos geben hat lassen es dann nicht es konnte.
Einfach die handelnden Personen hernehmen und solange Szenen schreiben, bis ich die fünfzigtausend Worte habe, war der Plan das scheint jetzt doch zu funktioneren, obwohls noch nicht so ganz passt. Im Dezember, wenn ich korrigiere, kann ich ja wieder etwas wegnehem, den Handlungsverlauf ergänzen, umändern etc.
Nächste Woche ist die Buch-Wien, da werde ich wieder beschäftigt sein, dann bleibt noch eine etwas ruhigere „Nano-Woche“, bevor der November zu Ende ist, am 2. 12. die Ohrenschmaus-Preisverleihung stattfindet, bei der ich diesmal keine Laudatio halte, das „Literaturgeflüster-Texte-Buch“, das sich zum Geburtstag doch nicht ausgegangen ist, erschienen ist und sich das Jahr zu Ende neigt.
Aber jetzt noch ein paar schöne Urlaubstage mit Mann, Tochter und Der Schwiegermutter in einem schönen Hotelzimmer, mit üppigen Buffets, wo nachher der Magen drückt, sehr viel Ungarn-Literatur und weiteren literarischen Impresssionen.
2013-11-13
Die VerkörperungEN
Die „VerkörperungEN“ – ein Bilderbuch von Valerie Fritsch ist kein weiterer Bildband mit Reisefotos der Autorin, sondern der erste, 2010 bei Leykam erschienene Roman, der 1989 in Graz geborenen Autorin, die ich das erste Mal in Angelikas Reitzers „Textvorstellungen“ hörte und von der jungen Frau, die die so unbekümmert von einer Ärztin las, die einmal Hure war und dazu selbstbewußt erzählte, daß sie selbstverständlich diesbezüglich in Bordellen recherchiert hätte, sehr beeindruckt war.
Dann kam der FM4-Preis und eine Zeitlang führte Valerie Fritsch die Suchanfragen des Literaurgeflüsters an. Bei der GAV-Aufnahme gab es Diskussionen, wahrscheinlich trauten die Juroren einer so jungen Frau einen solchen Sprachreichtum nicht zu, den ich irgendwo zwischen Andrea Winkler und Marjana Gaponeko ansiedeln würde und wenn man mit Zwanzig, Sätze, wie „In der Nacht stehen wir Modell für schlechte oder traurige Gedanken“ schreibt, kommt man vielleicht auch manchmal unter Kitschverdacht.
Valerie Fritsch kam jedenfalls mit ihrem zweiten Buch, dem wirklichen Bildband auf die „Alpha-Shortlist“ und letzte Woche habe ich sie mit dünner Stimme hastig ihre schönen Sätze, wie „Prinzessinnen sterben vor Traurigkeit, ihnen ist immer schwindlig, weil sie spüren, wie die Erde sich dreht“, bei den „Lockstoffen“ im Museumsquartier lesen gehört.
Meine Stammleser wissen es ja, ich, die unter Verdacht steht, nicht literarisch schreiben zu können, habe ein Problem mit den allzugroßen Worträuschen, wo es seitenlang, um eine Bank oder Bäume auf einer Wiese, aber um keinen Inhalt geht und habe mir immer gewünscht, daß einmal jemand kommt, der beides verbindet.
Es mag sein, daß Valerie Fritsch das kann oder in ihren späteren Büchern können wird, denn die Sprachräusche, der als sie das Buch schrieb, sicher noch nicht viel über Zwanzigjährigen, die ihre Sätze meist mit „…sind gewesen“ beginnt, sind wirklich sehr beeindruckend und einen Inhalt, einen Plot, eine Handlung gibt es, wenn man es so will, auch.
Da ist die namenlose Ich-Erzählerin, die, sie betont es immer wieder, „jetzt Ärztin ist und früher Hure war“, sie lebt in Paris, mit einem Du, ihrem Liebsten und erzählt und erzählt, schnell und hastig tut sie das und sprudelt ihre Erlebnisse, ihre Empfindungen, ihre Behauptungen über diese Welt in wahren Worträuschen aus sich heraus. Erzählt dabei von ihrem Schock über den Tod ihrer Mutter, der sie, wenn ich das recht verstanden habe, die Geschichte spielt sich natürlich nicht chronologisch ab, zu ihrem Austritt aus dem Bordell und auf die Palliativstation bzw. in die Altersheime zu den Sterbenden führt, denn sie ist Krebsspezialistin und die Mutter hat ihr vor ihrem Tod auch noch ein Stethoskop geschenkt und in das Bordell, das sinnigerweise „Fleurs du Mal“ heißt und wenn man sein Einstellungsgespräch als Prostituierte hat, wird man von dem Besitzer Monsieur Candisi in den Zoo geführt und nach Baudelaire gefragt, hat sie, wie ihr irgendwann vorgeworfen wird „den Krebs gebracht“.
Hat sie ja offensichtlich dort zwischen ihren Kunden, ihre Facharztausbildung, das scheint mir nicht ganz wirklichkeitsgetreu zu sein, durch Bücher absolviert, beziehungsweise den Mädchen dort ihren Körper erklärt und die haben dann genauso Krebsgeschwüre entwickelt, wie früher die Hamster, mit denen ihr Bruder spielte.
Später ging sie dann nach Paris, das „Fleurs du Mal“ befindet sich nicht dort, geht in die Altersheime und ärgert dort einmal, wenn sie traurig ist und an den Tod ihrer Mutter denkt, auch einen alten Mann, in dem sie ihn an sein Sterben erinnert.
In Paris ist auch Charime „die hat einen quadratischen Kopf und havannarote Lippen“ und ist die Besitzerin einer Geisterbahn, die ihr ihr Vater schenkte, dort spielt sie den Tod.
Man sieht Valerie Fritsch hat Phantasie und lebt sie ungeniert aus und viele viele Einfälle, die sie in die schönsten Worträusche zu verpacken weiß.
So liegen „in unserem Schlafzimmer die Pölster am Boden und all das Gewand, das wir besitzen, und die Bettwäsche waschen wir jeden fünften Sonntag im Monat, und wenn es keinen gibt, waschen wir sie nicht. Chaos ist bloß Revolution der Ordnung. Im Sommer: wird der Wein rot und das Vögeln ist Vogelschau und man deutet die Zukunft danach und die Trennungen voraus.“
Kanarienvögel in schönen Vogelkäfigen, wie sie schon am Umschlag zu sehen sind, spielen in dem Buch auch eine große Rolle und mit dem Liebsten gibt es auch Probleme, bekommt der doch irgendwann von einer anderen ein Kind, so daß sie mit ihm ein Restaurant besucht und ihm zu verlassen droht, aber „Seit dem Abendessen vor ein paar Wochen ist Zeit vergangen und die Zufälle haben uns eingeholt. Du hast eine andere Frau geschwängert und ich habe beschlossen zu gehen, aber ich habe beschlossen, dass es nicht weit weg sein muß. Ich schlafe in der Badewanne und die Nachtschichten haben nachdrückliche Farben.“
„Manche Geschichten erzählen sich gleichförmig und immer wieder von vorne, damit ihr Ende überraschend wird“, geht es dann weiter.
„Es ist Zufall: ich bin schwanger und jetzt: hast Du zwei Frauen, die ein Kind erwarten von Dir. Ich finde, es ist ein guter Gedanke. Es passieren komische Dinge und die Geschichten hören nicht auf.“
Wohl aber Valerie Fritsch erster Roman auf Seite 175 und eine solche Sprachvielfalt ist wahrlich nicht einfach zu lesen, wenn man sie festhalten und die Orientierung nicht verlieren will. So habe ich einige Tage in der Badewanne mit wahren Wortduschen verbracht und das Buch habe ich im Februar im Bücherschrank in der Zieglergasse gefunden.
Es war, glaube ich, ungelesen. War es ein Rezensionsexemplar, das einer, der im siebenten Bezirk lebenden Rezensenten weggab oder ein Geschenk über das man sich nicht darüber traute? Ich behaupte ja immer vorwitzig, daß sehr viele von den Büchern, die da erscheinen, weil so viele Leute schreiben, nicht gelesen werden.
Ich habe es getan und mich über den Fund sehr gefreut. Jetzt bin ich wieder sehr gespannt, wie es mit der literarischen Karriere Valerie Fritschs weitergeht und was ich von ihr noch hören oder finden werde.
2013-11-12
Krause Haare
„Krause Haare“ ist ein „Episodenroman“, der 1959 auf den Bermudas geborenen, in Kärnten aufgewachsenen und in Wien lebenden Anita C. Schaub, das ist die Frau, die mich, glaube ich, 2002 im Literaturhaus bei der von Rolf Schwendter organisierten „Freiheit des Wortes“ angesprochen hat, weil sie eine Frauengruppe des Lesetheaters bilden wollte.
Sie ist oder war Beratungslehrerin, hat ein Buch über das „Frauenschreiben“ geschrieben, in dem sie mich auch interviewte, bei Resistenz die Erzählungen „Tanzende Rose“ und bei Arovell „Fremdenzimmer“ und eben „Krause Haare“, herausgegeben, bei den „Poets-Nights“ habe ich daraus gehört, „Krause Haare“, hat sie vorigen Oktober bei den „Textvorstellungen“ vorgestellt, wo es um „Bedenkliche Beziehungen“ und auch um die Sevim Szenen aus der „Frau auf der Bank“ ging.
Anita C. Schaub, die ich manchmal als etwas „hart“ empfinde, erzählt in ihrem Episoden in kurzen Abschnitten, die immer ein Vorwort haben, in einer Passivform, die ich auch einmal verwendete, von einem Frauenleben, das wohl ihr eigenes ist, zumindestens könnte ich einige autobiografische Zuordnungen treffen.
Margit Hahn hat das Vorwort geschrieben und geht, da vor allem auf die Farben ein, die manchmal die Abschnitte beenden, „Welche Farben hat der Haß, die Liebe, die Scham, ecetera?“
Beginnen tut es vor der Geburt von Anna, wie die Protagonistin, um deren Leben es geht, heißt.
Die Frau hat Kopfschmerzen und Migräne, der Mann will ein Kind, dann kommt die kleine Anna mit den krausen Haaren auf die Welt, mag nicht Handarbeiten, der Vater vertschüßt sich bald, Anna hat viele Beziehungen. Den Mann, den sie am See des Fremdenverkehrsortes triff, wo sie als Kellnerin jobbt, sie verbringt mit ihm eine Liebesnacht, am nächsten Tag kommt er mit Frau und Kind ins Gasthaus und sie hat ihm „heiße Liebe“ zu servieren. Sie jobbt auch am Oktoberfest und einmal will sie ein Mann, weil es regnet mit ihrem Mofa in seinem großen Auto mitnehmen, der Mann nennt sich „Bankräuber“, Anna hat ihr Handtuch am Stand vergessen, als sie zurückkommt, sind Auto, Mann und Mofa weg.
Man merkt es schnell, es klappt nicht mit der Liebe, für Anna sind immer nur die verheiraten Männer da, die nicht wirklich Verantwortung übernehmen wollen. So geht sie nach Wien, macht verschiedene Ausbildungen und in dem Buch gibt es verschiedene scharfe Alltagsbeschreibungen.
Köstlich, die Szene, wo die literaturinteressierte Anna in eine Lesetheateraufführung geht, da sieht sie einen „Sandler“ sitzen, denkt sich, dem armen Mann muß ich ein bißchen Geld geben, „Danke!“, sagt der, kündigt dann die Veranstaltung an, am Büchertisch liegen die Bücher des dreifachen Doktors und Universitätsprofessors, er geht mit dem Körberl herum „Sie haben ja schon gespendet!“, sagt er zu Anna.
„Welche Farbe hat die Scham?“
Was sich Rolf Schwendter wohl dazu gedacht haben könnte, der aus dem Buch vielleicht bei einer der Veranstaltungen hörte.
Köstlich aber auch die Fallbeschreibungen aus der Psychiatrie, wo Anna ihr Praktikum macht. Da trifft sie eine Kollegin, die einen Verfolgungswahn bekommen hat, weil sie sich nicht abgrenzen kann und Anna überlegt, welche ihrer Verwandten vielleicht auch „eingeliefert“ werden können und denkt an eine hysterische Person. Wenn die kommt, wird sie das Krankenhaus verlassen und geht dann gerne auf ihre „depressive“ Abteilung zurück. Weil die Patienten dort unaufälliger und stiller sind. Das meine ich mit „hart“, aber vielleicht ist es nur ehrlich und dient zur Abgrenzung.
Köstlich auch die Geschichte von der dicken Direktorin, die dem Klo gegenübersitzt, keine andere Arbeit machen kann, als intrigieren, heimlich ißt und am Ende an Kehlkopfkrebs erkrankt.
Weniger tragisch, sondern sehr originell ist die, wo der Einbrecher sich durch Annas Wohnhaus schleicht. Er ist ein gebildeter Einbrecher und abgebrochener Geschichtsstudent und macht sich genaue Gedanken über die Wohnungen, in die er kommt, passt auf, daß niemand drinnen ist, etc. Annas Wohnung ist leer und sehr funktionell, viele Bücher, nur gesundes Essen im Kühlschrank, er verliebt sich fast in die Wohnung, läßt ein Kleeblatt zurück und trifft Anna beim Verlassen des Hauses am Gang.
Anita C. Schaub beschreibt auch eine Psychoanalytkerin, die von ihren Klienten dreißig Euro pro Stunde verlangt, obwohl sie siezigtausend für ihre Ausbildung zahlte, aber sonst kommen die Leute nicht viermal in der Woche, die von ihren Klienten Kuchen bekommt und sich auf die Steiermark und ihre Frühpension freut.
Anna macht dann auch eine Therapie, hat viele Süchte und fängt irgendwann zu schreiben an. Dazu setzt sie sich in ein Kaffee, ein Mann setzt sich zu ihr, ignoriert ihr Schreiben, fragt sie aus und wundert sich, daß sie nur Alltagssituationen beschreibt, weil das ja unwichtig ist und niemanden interessiert. Schließlich flüchtet er vor der schreibenden Anna und läßt ihr ihren roten Schal zurück.
Ein wenig abgehackt würde ich die Episoden finden, aber ich habe manchmal auch Schwierigkeiten flüßiger zu werden, sonst erinnert der klare realistische Stil, der mir sehr sympathisch ist und den ich ja auch selbst verwende, an Annas Weidenholzers „Fische“, die ja mit der „Realistik“ großen Erfolg zu haben beginnt.
Mann kann also auch die kleinen leisen Alltagsbeobachtungen beschreiben, die ja eigentlich sehr wichtig sind, um das Leben kennenzulernen und schade, daß es Anita C. Schaub, wie, sie einmal bedauerte, mit ihren Büchern keine Aufmerksamkeit in größeren Verlagen bekommt.