Andrea Stift, die ich durch das Bloggen, beziehungsweise Otto Lambauers Zeitschriftenlektüre kennenlernte, hat einen Krimi geschrieben, was ihr, wie sie mir auf der „Buch-Wien“ erzählte, großen Spaß machte, ihr viele Lesungen, einen Preis und sogar schon eine zweite Auflage brachte.
Ja, ja, Regionalkrimis lohnen sich, weil die Leser Spannung haben wollen, wenn sie im Sommer auf dem Handtuch am Strand liegen oder unterm Christbaum ein Buch finden.
Dabei ist Andrea Stifts Krimi sehr literarisch, beginnt ganz langsam und bedächtig und macht sich dabei, wenn ich es richtig verstanden habe, über vieles lustig, übers Krimischreiben vielleicht und über die erfolglosen Schriftsteller, die das zu tun versuchen, um endlich was zu verdienen, es gibt aber auch Einblicke in die hautnahe Realistik des Lebens und war daher für eine, die das mag, ein äußerst spannendes Lesevergnügen, die mir auch die Südsteiermark, in die ich ja nicht sehr oft komme, näher gebracht hat.
Es beginnt, weil bei Andrea Stift alles anders ist, in Wien, in einer Gartensiedlung am Stadtrand, wo die Post oft später oder gar nicht ankommt, weil sich die Briefträger oder Zusteller, wie das heute heißt, mit dem Zustellen schwer tun und in so einem Gartenhäuschen mit Ausblick auf Weintrauben, wohnt Wilfert, das ist ein erfolgloser Schriftsteller, geschieden und Vater eines Zwillingspärchen, einem Buben und einem Mädchen, das das erfolglose „Chauvi“ aber beharrlich „meine Söhne“ nennt und weil sich Wilfert schon eineinhalb Jahre an einem Krimi versuchte, versucht er es jetzt als Priviatdetektiv, denn das kann man ja ohne Ausbildung, obwohl einem die entsprechenden Kurse im Internet angeboten werden, gibt also eine Annonce auf und besorgt sich das entsprechende Equipment aus China, was auch ein wenig schwierig ist, weil man dann die Anweisungen nicht lesen kann.
Es kommt aber schon die erste Klientin, die heißt Annegret, leidet unter Gesichtsblindheit, das heißt sie kann sich keine Gesichter merken und hat den Verdacht, daß sich ein anderer, als ihr Gatte zu ihr ins Bett schlecht und Sex von ihr haben will. Sie hat auch besondere Sexvorlieben und Wilfert hat seinen ersten Fall, dabei stellt er sich beim Observieren sehr tolpatschig hat, lernt seinen Nachbarn, einen schrulligen Taubenzüchter und Vogelliebhaber näher kennen und hat Schwierigkeiten mit seiner Exfrau Ilonka, die von ihm Kinderbetreuung fordert, aber Wilfert soll ja in die Südsteiermark, denn dort wurde, inzwischen Annegrets Gatte, ein Kellermeister ermordet oder ist er verunfallt? Jedenfalls ist er im Keller im Wein ertrunken.
Soweit so gut und da sind wir schon auf Seite hundert oder so. Wilfert ist nach Spielfeld gefahren, Andrea Stift kommt, glaube ich, von dort her und ist gleich beim Bahnhof in das Gasthaus der Gulaschwirtin gefallen und hat sich dort in die schöne Andrea verliebt. Einen Hans oder Karl der eigentlich Jochen heißt, gibt es auch und allmählich kommt Wilfert auch auf das Balleis-Weingut, wo der Unfall passierte und die resche Jutta, die Mutter des Weinbauern, alle gleich mit „Ja mei!“, begrüßt und Riesenbuchteln, Leberaufriche oder Schwammerlsuppen serviert, daß man sich nachher nicht mehr rühren kann.
Eine slowenische Köchin, die Mojca, die helfend eingreift, wenn Not am Mann ist und die Kerze im Keller fast ausgeht und das Herz am rechten Fleck zu haben scheint, gibt es auch und als Hauptprotagonistin, Amalie, das ist Herrn Fliegs, Wilferts Nachbarns, Brieftaube, die er darauf dressiert hat, Annegrets Haus mit einem Microsender am Bein zu beobachten, so daß Wilferts Detektiveinsatz eigentlich gar nicht nötig war.
„Köstlich, köstlich!“, könnte man sagen, so ein Superkrimi, der gar nicht so vordergründig spannend, die „fürchterlichsten, schrecklichsten oder vielleicht auch ganz normalsten Sachen dieser Welt“ erzählt. Lesen, würde ich raten, denn dann erfährt man viel über die Südsteiermark, das rauhe Leben, die guten Weine, was ein Genußregal ist, wo es das beste Gulasch gibt, und und und…
Was ein Klapotetz ist, glaube ich, nicht oder habe ich da nicht genau genug gelesen. Da ich aber bei der Lesung auf der „FM4 Bühne“ war, kann ich es verraten, ein Klapotetz ist eine Vogelscheuche und steht überall in den südsteirischen Weingärten und auf der Buch-Wien hat Andrea Stift auf Drängen des Moderators auch noch ein bißchen südsteirisch gesprochen, obwohl ihr das, glaube ich, nicht ganz geheuer war.
„Bei Andrea Stift sind alle Südsteirer verdächtig!“, hat Alfred Kolleritsch am Buchrücken, des 2013, in der „Edition Keiper“ erschienenen Buchs geschrieben und von der 1976 geborenen Andrea Stift, habe ich schon „Klimmen“ und „Reben“ gelesen, sie auf einigen Lesungen, wie den „Wilden Worten“ gehört, beim heurigen „Ohrenschmaus“ wird sie die Laudatio für den Prosa-Preisträger halten und ihren vor einem Jahr bei „Keiper“ erschienen Erzählband „Elfriede Jelinek spielt Gameboy“, den ich demnächst lesen werde, hat sie gemeinsam mit mir in der „Alten Schmiede“ vorgestellt.
2013-12-02
Wilfert und der Schatten des Klapotetz
Kommentar verfassen »
Du hast noch keine Kommentare.
Kommentar verfassen