Literaturgefluester

2014-01-11

Wanda wartet

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:09

Jetzt kommt das nächste Buch von Karin Ivancsics, nämlich „Wanda wartet“, 1989 bei „Ritter“ erschienen, das auch schon lange in meinen Regalen wartete, denn „Ritter-Bücher“, nein, die, lese ich nicht, obwohl ich sie ebenfalls sammle, welch ein Vorurteil könnte man sagen, denn es ist das Beste was ich von Karin Invacsics gelesen habe, da war allerdings auch nur der „Tote Mann“ über die „Restplatzbörse“ habe ich in einigen Lesungen gehört.
„Wanda wartet- ein Tryptychon“, dazwischen gibt es immer wieder schwarz weiß Fotos, meist von Frauen mit sehnsuchtsvollen Blick und um das geht es auch, aber nicht nur um die Romantik, sondern auch um die Tristesse, die Gewalt, die Hemmungen, die Vorurteile, um den weiblichen Alltag halt, gezeichnet von dem scharfen Blick einer schreibenden Frau, die auch schon mal im „Frauenverlag“, den es inzwischen nicht mehr gibt, gearbeitet hat.
Der erste Teil der Trilogie nennt sich „Der Stadtsaal“ und da geht es um Wanda und die wartet nicht, sondern geht spazieren, macht die Stadt zu ihrem erweiterten Wohnzimmer und ist offenbar auch vor dem Stiefvater, der sie „Lolita“ und „raffiniertes kleines Luder“ nennt, davon gelaufen, jetzt flaniert sie, offenbar ein noch sehr junges Mädel, durch den städtischen Raum und sinniert dabei über das Leben, denkt an die Fortbewegungsmittel mit denen sie gerne und auch nicht so gerne fährt. Am liebsten mit dem Bus, weil sie das von ihren Schulfahrten kennt und am Land blieben die Schulbusse offenbar auch immer stehen, weil sie ihre Kundschaft schon kannten. Geht zu den Antiquariaten und zieht sich dort ein altes Buch heraus, in dem „Sweetheart my Darling, my Dear, oh komm doch zu mir!“, steht. Geht über die weiten Plätzen mit den Pizzerien und muß sich zum Überqueren zwingen, denn die Leute, vorwiegend Männer, die auch in den Straßencafes sitzen, starren einem an und wie schön die Erkenntnis, daß es nicht der Pickel an der Wange, sondern sie selbst und ihre eigene Unfehlbarkeit ist, die sie bemerken.
Ein schöner leiser Text über das Erwachen und die vielen kleinen und großen Beobachtungen, die man beim Stadtflanieren machen kann.
Karin Ivancsics ist offenbar eine scharfe Bebachterin, so läßt sie Wanda einen Kollegen sehen, der auch sehr gepflegt und mit geputzeten Schuhen durch den Bezirk streift, immer nur durch den Bezirk. Meistens steht er bei den Haltestellen und es ist ihr noch nie gelungen, so lange stehenzubleiben, um zu sehen, was er weitermacht und wie er sich fort bewegt.
Die zweite Abteilung heißt „Sieben“ und da begleitet Karin Ivancsics sieben Frauen oder Mädchen durch eine Abtreibung.
Carolyn, siebzehn, wird von ihrer Mutter begleitet und ist schon zum zweiten Mal hier. Christine zweiundzwanzig hat einen Freund, der sie begleitet und wieder abholen wird, weil er an einem anderen Freund, dem es passierte und der dann auch fremdging, sah, daß er kein Kind will und es bei Christine mit sanfteren Methoden, wie eine Gruppentherapie nicht geholfen hat. Daniela siebenundzwanzig, die von einer Freudin begleitet wird, ist nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung ist, das Kind ist von einem schwarzen Musiker, der ist verheiratet und will sich nicht von seiner Frau trennen, obwohl er nur Daniela liebt. Natascha ist dreiunddreißig und schon zum fünften Mal hier, weil sie eigentlich Kinder will, aber offenbar nie die richtigen Männer dazu findet. Dann gibt es noch Grudrun, eine Türkin mit Kopftuch und einer Schwester als Dolmetscherin und eine Mutter von zwei Kindern.
Sehr behutsam, immer wieder mit Einschüben von Stimmen und Erinnerungen, wird der Alltag in so einer Abtreibungsklinik erzählt.
Zuerst sitzen sie mit ihren Begleitpersonen im Zimmer, werden beraten, müßen unterschreiben, dann müßen die Begleiter hinaus, die Sozialarbeiterin bittet in ein anderes Stockwerk, teilt Waschkörbe für die Kleider und Krankenhausnachthemden aus und erklärt die Routine. Carolyn denkt dabei an ihre Mathematikschularbeit und rechnet aus, was die in der Klinik so an einem Tag an den Abtreibungen, die natürlich keine Verhütungsmittel sind, wie der Ärztin mahnend der Mutter sagt, verdienen.
Interviews mit den Frauen und Refelexionen in die Kindheit der Autorin mit Erinnerungen an ihre Großmutter, die sie zum Beispiel einmal fragte, wie Kinder Engel würden, gibt es auch, bevor es wieder mit Kaffee und Keksen in den Warteraum und zurück in den Alltag geht.
Im Teil III „Leere Kabine“ geht es wieder in das Stadtflanieren einer Frau, die im Ballkleid offenbar von einem Liebhaber kommt, jetzt in einer H u. M Kabine steht, zwei Kleider überanderzieht, sie bezahlt und anbehält, die Schuhe der Verkäuferin schenkt und dann sinnierend über die Straßen zieht, in einem Plattengeschäft verschwindet, früher war sie gut im Platten mitgehen lassen, jetzt verläßt sie das Geschäft ohne was gekauft oder gestohlen zu haben, sinniert über ihre Liebhaber nach, geht in ein Ramschgeschäft, wo es Duftkerzen und Osterhasen gibt, bevor sie in der Konditorei Aida landet, sich einen Cognac bestellt und sich immer wieder Notizen mit beispielsweise den Vorsätzen, nie wieder etwas bei H u. M zu kaufen macht.
Im Buch gibt es noch einen Hinweis auf die „Aufzeichnungen einer Blumendiebin“ ein weiteres bei Ritter erschienenes Ivancsics Buch. Ob sich das wohl noch finden läßt?

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