„Ein Reiseführer für faule Touristen“ des 1967 in Moskau geborenen Wladimir Kaminer, der mit seiner „Russendisko“, Fernsehauftritten, Beiträgen in Zeitschriften und Büchern, wie auf der Buchrückseite steht „zum Bekanntesten Berliner“ geworden ist.
Ich kenne den Namen, glaube ich, aus „Leipzig“, da gab es einmal eine Probe-CD, ob aus der „Russendisko“ oder aus einem anderen Buch, weiß ich nicht mehr, aber in den Bücherschränken findet man öfter seine Bücher, die offenbar auch nach Wien finden.
So haben sich auf meinen Leselisten schon einige angesammelt.
„Schönhauser Alle“ ist das nächste, das ich lesen werde. Jetzt einmal das 2007 erschienene „Ich bin kein Berliner“, das zwei Bären mit Bierkrügen am Titelbild zeigt und ich kann mich auch auf eine Diskussion im Literaturhaus anläßlich einer „Fried-Tagung“ erinnern, wo nach russischen Schriftstellern gefragt und lebhaft bestritten wurde, daß Kaminer, der ja auf Deutsch und über Berlin schreibt, ein solcher wäre.
Er scheint auch so zu sehen, denn im Kapitel „Zeitzonen“, schreibt er, daß er seit fünf Jahren den Job eines deutschen Schriftstellers macht und jedesmal bei Lesungen in der Provinz gefragt wird, warum er nicht auf Russisch schreibt?
„Weil hier niemand Russisch versteht!“, das Publikum würde das aber trotzdem anders sehen und ihm Wodka auf das Lesepult stellen.
Aber zurück zum Anfang, beziehungsweise zum Inhaltsverzeichnis der Berlintour, die man von zu Hause, in seinem Lesezimmer, in der Badewanne oder Bett machen kann.
Da beginnt es, wie kann es anders sein, bei der Ausländerbehörde, wo man seine Gründe angeben muß, warum man „Deutschland als Reiseziel“ gewählt hat.
„Wegen der deutschen Kultur und Sprache“, schreibt so ein Asylwerber, die anderen schreiben von ihm ab und bekommen ein Zweimonatsvisum und Wladimir Kaminer ist in dem Land, beziehungsweise in der einstmals geteilten Stadt geblieben, lebt hier mit Frau und Kinder, macht fürs ZDF Sendungen fürs Früchstückfernsehen, wo er sich vor die Kamera in den Tierpark stellt und sagt „Wir sind heute im Tiergarten, hinter mir sehen Sie die Elefanten!“
Da gab es aber auch einmal die Mauer und die wollen die Touristen sehen, obwohl es die schon längst nicht mehr gibt, bzw. man höchstens am ehemaligen Checkpoint Charly in einem Säckchen Stückchen davon mit der Aufschrift „Made in China“ kaufen kann.
Nicht Kaminer-Kennen merken jetzt, worauf das Buch hinaufläuft, trotzdem gibt es hinter jeden Kapitel, einen „Tipp“, beim ersten Kapitel beispielsweise, daß man sich den Alexanderplatz, das Polizeipräsidium und die „Besenkammer“ ansehen kann.
Einen Anhang mit Erläuterungen ohne Gewähr gibt es hinten auch und so geht es los und Kaminer erzählt auch viel von den Touristen, die in Berlin herumgekarrt werden, die Japaner haben es ihm besonders angetan, die gehen in die Kneipen, lassen sich ein Eisbein mit Sauerkraut bringen, sich damit fotografieren und schicken es dann wieder zurück.
Es gibt aber auch die Berliner Großereignisse, wie die „Berlinale“ und die „Grünen Wochen“, wohin er mit seiner Familie regelmäßig geht, im Russenpavillon nichts zu essen findet, das bei dem der Ukrainer nachholt und auch immer einen Whirlpool bestellen soll.
Das Berliner Literaturfestival, das sehr berühmt sein soll, wird auch kurz erwähnt.
Dann geht es weiter mit dem Berliner Dialekt und dem Shoppen.
Die Berliner wollen ständig was verkaufen, schreibt er einige Kapitel später und erzählt von zwei Mädchen, die ihm auf einer Parkbank fragten, ob er eine Freundin hätte und dann Nivea-Creme-Dosen aus einem Sack auspackten und meinten, er würde ihr sicher was mitbringen wollen?
Die Kneipen werden beschrieben, da gibt es den „Zwiebelfisch“, das „Kaffee Burger“, das „Cafe Silver“ und das „Yorckschlösschen“.
In „Berlin-eine Theaterhauptstadt“ schreibt er von seinen Erfahrungen als Off-Theaterspieler. Der Sport wird beschrieben und das „Feilschen in Berlin.“
Insgesamt dreiunddreißig Kapiteln in dem man im Schnelldurchgang, die ehemals geteilte Stadt aus der Sicht eines geborenen Moskauers erleben kann, der auch immer sehr viel von der russischen Seele und ihren Kleidungsgewohnheiten, zum Beispiel erzählt. Die Russinnen in Berlin erkennt man, meint er, gleich an ihren Pelzen und ihrem Make-up, während sich die Berliner Frauen und auch die Männer immer viele Schichten übereinander anziehen und gern bei H und M einkaufen würden.
Im Kapitel über „Dichter in Berlin“ zitiert er Majakowski und führt einige seiner Gedichte an, die seiner Meinung nach auf das Berliner Lebensgefühl hinweisen.
Als Tipp wird die „Bücherstadt in Wünsdorf bei Zossen“ angeführt, „wo man aus dem ehemaligen Hauptquartier erst der kaiserlichen, dann der nationalsozialistischen und dann der sowetischen Armee einen Antiquriats-Supermarkt gemacht hat.“
Die „Berliner Kinder“ haben auch ein eigenes Kapitel und Kaminer meint, daß es dort sehr viele und daher auch viele Kinderwägen in den Hausfluren geben würde und „Berliner Hochzeiten“ inzwischen, weil die Berliner selber nicht mehr soviel heiraten würden, vorwiegend Mischehen, „schwarze junge Männer mit älteren Berlinnerinnen oderpickelgesichtige Jungs mit Thailänderinnen“, beispielsweise, wo dann das „Ehefähigkeitszeignis“ gefordert wird, um die Scheinehen auszuschließen und sich der Kreis schließt und wir wieder bei den Einwanderungsbehörden angekommen sind.
Am Ende gibt es aber Wladimir Kaminer erste „Bürgermeisterkanditatsrede“.
Dann kann man sich, wenn man die Stadt bereisen will, im Anhang umsehen. Ich habe das ein paar Mal getan, zuerst 1985 noch zu DDR-Zeiten, dann 1990, als es die noch gab, aber die Mauer schon durchlässig war und das letzte Mal 1992, wo ich einen Psychologenkongreß besuchte und bei Kerstin Hensel, im Osten in der Linienstraße, wohnte.
Inzwischen wird sich viel geändert haben, so daß ein Auffrischkurs von Wladimir Kaminer gut tun kann, so freue ich mich schon auf die „Schönhauser Alle“ wenn ich mich durch das englischsprachige „Zoli“ durchgelesen haben werde, verweise auf Sven Regners „Herr Lehmann“ und natürlich auf die beiden „unwürdigen“ Wien–Reiseführer, die vielleicht vergleichbar sind und die ich im Vorjahr gelesen habe.
2014-01-24
Ich bin kein Berliner
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