Literaturgefluester

2014-01-31

Gefährliche Geliebte

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:00

Seit Weihnachten kommt man in den Blogs, den literarischen Kalendern und den Buchhandlungen, nicht an Haruki Murakami vorbei, der am 12. Jänner seinen fünfundsechzigsten Geburtstag feierte und auch noch einen neuen Weltbestseller verlegte, den jetzt alle lesen und auf meiner Leseliste steht ganz zufällig die „Gefährliche Geliebte“, das ist das Buch, 1992 erschienen, das Sigrid Löffler aus dem literarischen Quartett aussteigen ließ, weil sie sich durch den Meister beleidigt fühlte, der ihre Einstellung zum Sex bemängelte.
Das hörte ich erst nach MMRs Tod letzten Herbst, da ich mir da ja eine Woche lang sehr intensiv alle Reich-Ranicki Videos ansah, die sich im Internet finden ließen und der Name Haruki Murakami hat sich bei mir, glaube ich, auch durch die Blogs eingeprägt. Waren 2012 doch alle sehr empört, daß er nicht den Nobelpreis bekommen hatte und im Schrank habe ich „Mister Aufziehvogel“ und „Nakos Lächeln“ gefunden.
Als ich aber 1991 nach Japan flog und mich da diesbezüglich nach japanischer Literatur erkundigte, ich bin im Flugzeug neben einem Botschaftsangehörigen gesessen, der über Ostern nach Hause flog, habe ich von ihm nichts mitbekommen oder den Namen schnell vergessen.
Jetzt leben wir aber im Murakami-Fieber, überall werden seine Romane sehr gelobt, obwohl die Meisten jetzt „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ zu lesen scheinen.
Die „Klappentexterin“, die ein besonderer Murakami-Fan zu sein scheint, hat einen eigenen Geburtstagsartikel verfaßt und manchmal kann man in den Blogs lesen, daß der japanische Surrealismus abschreckt, aber so habe ich das „Skandalbuch“ gar nicht empfunden.
Da geht es um ein Einzelkind, 1951 geboren, in einer japanischen Vorortesiedlung mit gepflegten Garten und einer nicht berufstätigen Mutter aufgewachsen und dessen Sozialisierung als Mann, der ein wenig darunter leidet ein Einzelkind zu sein.
In den japanischen Vorortesiedlungen der Fünfzigerjahre gab es offenbar keine solchen und da kommt die hinkende Shimamoto daher, mit der er nach Hause geht, um sie in den Unterricht einzuführen, mit ihr Platten hört und ihre Hand berührt. Mehr geschieht zwischen den Zwölfjährigen nicht.
Dann kommt er in eine andere Schule, hat mit Sechzehn seine erste Freundin, Izumi, Tochter eines tennisspielenden kommunistischen Zahnarztes, diese Beschreibungen finde ich sehr spannend, es kommt zum ersten Kuß und einer Annäherung im Bett, während die Eltern bei einem Familientreffen sind.
Leider taucht in diesem Moment eine Tante auf, die den Sechzehnjährigen ein Abendessen kochen will und dann gibt es noch eine ältere Cousine in Kyoto, mit der es der Siebzehnjährige ein paar Monate wild im Bett treibt, bis Izumi dahinter kommt und sich tief verletzt fühlt.
Nach dem Studium arbeitet er lustlos in einem Verlag, schläft mal mit einem Mädchen und denkt an seine Geliebten zurück. Einmal trifft er eine hinkende Frau, verfolgt sie durch die Stadt, sitzt mit ihr in einem Cafe ohne sie anzusprechen und als er es endlich tun will, hält ihn einer am Ärmel fest und steckt ihm ein Kuvert mit Geldscheinen zu, die er nicht anrührt.
Mit Dreißig heiratet er ein nettes Mädchen und bekommt von ihr zwei Töchter, der Schwiegervater ermöglicht ihm in Tokio zwei Jazzclubs zu eröffnen und da trifft er nach Jahren Shimamoto wieder.
Sie ist sehr elegant, hinkt nicht mehr und fordert ihn auf mit ihm an einen Fluß zu reisen, wo sie die Asche ihres nach der Geburt verstorbenen Kindes versenkt, damit sie ins Meer kommen und zu Regen werden kann.
Im Auto erlebt sie dann einen Schwächeanfall, so daß sie fast das Flugzeug versäumen. Nachher hält der Schwiegervater Hajime einen Vortrag, daß er seine Frau zwar betrügen, aber nie verlassen darf, weil sie schon mal einen Selbstmord versuchte und versucht ihn in schiefe Geschäfte zu verwickeln.
Shimamoto besucht ihn weiter unregelmäßig in seinen Bars, meistens kommt sie im Regen und erzählt nicht viel aus ihrem Leben. Dann verschwindet sie wieder, was Hajime in eine Krise bringt, so daß er, als sie mit einer Platte, die sie als Kinder hörten, wiederauftaucht, mit ihr in das Wochenendhäuschen fährt und seine Frau anruft, daß er nicht nach Hause kommt.
In dem Häuschen kommt es zum erotischen Liebesakt und dem Versprechen, daß ihm Shimamoto über deren Leben er nach wie vor nichts weiß, entweder ganz oder gar nicht gehören soll.
„Ganz natürlich!“, sagt er. Aber am nächsten Morgen ist sie verschwunden und kommt nie wieder. Die Frau fragt ihn, ob er sie verlassen will?
Er weiß es nicht und so zieht er nur aus dem Schlafzimmer auf die Wohnzimmercoach. Hat Alpträume, findet das Kuvert mit den hunderttausend Yen, das er doch aufbewahrte, nicht mehr, sieht auch das Gesicht von Izumi wieder, das seit dem er sie betrogen hat, so zerstört ist, daß sich die Kinder vor ihr fürchten, fällt auch einem Polizisten auf, weil er an falscher Stelle parkt, um sich mit seiner Frau, der er auch nicht viel erzählt, auszusöhnen, von seiner Schuldhaftigkeit spricht und davon, daß sie morgen ein neues Leben beginnen werden.
Ganz schön symbolhaft, das ist wahrscheinlich das Japanische am Stil, den ich gut ausgehalten und gern gelesen habe. Ein Maruakami-Fan, der dem Meister verfallen ist, so daß er zitternd mit dem Buch in der Schlange steht, um sich ein Autogramm zu holen, ist nicht aus mir geworden, was auch nicht zu erwarten war und von der Erotik, wegen der es beim Literarischen Quartett zum Streit kam, habe ich auch nicht sehr viel gespürt.
War die ja nur sehr zart angedeutet und hat sich eher in der Innenwelt der Helden abgespielt, was ich ganz spannend fand.
Vielleicht lag das an der Übersetzung. Steht bei Wikipedia ja etwas von einem Übersetzungsstreit, da das Buch, das ich gelesen habe, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurde, die neueren Ausgaben sind Direktübersetzungen.
Ich würde ja eher denken, daß das Japanische sehr indirekt und symbolhaft ist, aber was weiß man schon so genau?
Mir hat das Buch gefallen, es hat mich weniger aufgeregt, als das des anderen Murakami, obwohl es natürlich aus der Sicht eines Mannes geschrieben wurde. Aber das ist legitim.

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