Literaturgefluester

2014-02-20

Kleine Kassa

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:30

Jetzt kommt was Aktuelles, aus der „Residenz-Frühjahrsproduktion“, die mich immer so freundlich mit Rezensionsexemplaren versehen, nämlich der Debutroman, des 1974 geborenen, in Berlin lebenden Martin Lechners.
„Ein atemloses Debut, das Provinzkomödie mit literarischer Virtuosität verbindet“, steht in Klappentext und das machte mich ein wenig ratlos, war die Geschichte des Lehrlings Georg, der da mit einem Koffer durch die Gegend stolpert, teilweise sehr bedrückend und auch so turbulent, daß ich Mühe hatte mitzukommen, um das, was da an einem Wochenende geschah zu verstehen und dann noch nach den Sinn zu fragen oder danach, ob das wirklich realistisch ist?
Aber das soll und will Literatur gar nicht, das habe ich schon begriffen, sondern unterhalten, beziehungsweise mit schöner Sprache in eine andere Welt entführen, etcetera.
Der Lehrling Georg Röhrs also, der laut Klappentext nicht der Schlauste ist, soll einen Koffer in die „Kleine Kassa“ bringen, Schwarzgeld wahrscheinlich oder Sprengstoff, das weiß man nicht so genau, er sitzt damit im Bus, beziehungsweise, steigt er aus diesem aus, weil er ein Plakat entdeckt, auf dem ein Mädchen Werbung macht, das ihn an seine gewesene Freundin Marlies erinnert und dann beginnt das Laufen, Rennen, Stolpern, das ihn das ganze Wochenende in Atem halten und sein Leben durcheinander bringen wird. Denn er versäumt dadurch die Zeit, in der den Koffer abgeben soll, zieht ihn durch ein Feld, entdeckt dabei eine Leiche und wird von einem Feldhüter entdeckt, auf dessen Mofa er dann in ein Gasthaus flüchtet, wo er Abendessen will. Schnaps trinkt er auch, die Tochter des Wirtes verführt ihn in ein Zimmer, der Feldhüter erscheint, erzählt die Geschichte und fotografiert ihn, so daß Georg in ein anderes Dorf flüchtet, den Koffer läßt er vorerst, glaube ich, in dem Gasthaus stehen, sowie seine Schuhe. Er hebt aber vom Bankomaten seine Ersparnisse ab, geht zu einem Friseur, um sich Dreadlocks machen zu lassen, um nicht erkannt zu werden. Der nimmt ihn aus, und Georg hastet, flüchtet, stolpert weiter, gerät dabei in seine Vergangenheit, erzählt von seiner Mutter, seinem Vater, hat Pahantasien wann und wie er er seinem Chef den Koffer wieder zurückgeben wird, hält auch großschnauzige Reden, wird von einem Schulkollegen angegriffen, und so weiter und so fort.
Dann geht er mit dem Koffer in ein Hotelzimmer, wo er dieselben Schwierigkeiten hat. Jetzt wird er für den Mörder des Toten auf dem Feld, von dem man nur den Namen „Robert“ erfährt und nicht, wie er dorthingekommen ist, gehalten. Georg nennt sich in dem Hotel und bei Nore, der Wirtstochter so. Er flüchtet wieder, kauft sich Schuhe, trinkt Schnaps, landet im dritten Kapitel dann in einem Einkaufswagen, wo er von Obdachlosen geschoben wird. Er verkommt äußerlich auch immer mehr, führt aber ein Radio mit sich und natürlich auch den Koffer, besucht den Vater und einen Freund, der Zivildiener in einer psychiatrischen Klinik ist, kommt dann wieder zurück zu Nore, die ihm eine Schere gibt, mit der schneidet er sich den Zopf wieder ab, um sich seinen Traum zu erfüllen und aus der Enge der Provinz in ein Hotel am Meer zu fahren, wo er Liftboy werden will.
Das hat mich teilweise, wie erwähnt sehr bedrückt, habe ich doch Schwierigkeiten mit den „Hans in Glück- Geschichten“, wo die Helden von vornherein keine Chance haben.
An den „Hundertjährigen der aus dem Fenster stieg„, hat es mich erinnert, denn der fhrt ja auch mit einem Schwarzgeldkoffer durch die Gegend und an Thomas Klupp „Paradiso“.
Am Titelbild sieht man auch eine Landstraße, die an ein Roadmovie denken läßt, aber Georg hastet ja hauptsächlich durch Felder, beziehungsweise umkreist er die heimatlichen Dörfer und ist am Ende gar nicht der Verlierer, als der er scheint? Er kommt ja immer zurück, um den Koffer zu holen oder entkommt den ausweglos erscheinenden Situationen, mit den vielen Angreifern, die sich auf ihn stürzen.
An Evelyn Grills Provinzgeschichten erinnert es mich auch und an Thomas Bernhard, was in Tagen, wie diesen nicht sehr schwierig ist, so daß ich sehr gespannt bin, auf die Eindrücke der anderen, die es noch zu lesen gilt.
Im Netz ist derzeit nicht sehr viel über Martin Lechner zu finden, dessen Buch erst vor ein paar Tagen erschienen ist. Es gibt einen Trailer, der auch nicht viel weiterhilft und eine Lesuung vor ein paar Tagen in Berlin, die ich natürlich versäumte.
Georg Klein hat das Buch „einen abenteuerlichen schmerzensüßen Heimatroman“ genannt. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich ihm zustimmen soll, habe aber einen neuen, mir bisher unbekannten Autor kennengelernt.

2 Kommentare »

  1. Danke für die Rezension! Auf KLEINE KASSA bin ich erst durch die Nominierung für den Deutschen Buchpreis aufmerksam geworden, wie wahrscheinlich viele, meine Rezension habe ich soeben verfasst: http://www.leselink.de/buecher/thriller-buecher/kleine-kassa.html . Hat mir ausnahmslos gut gefallen und ich drücke die Daumen für die Shortlist!

    Kommentar von ivyesque — 2014-08-27 @ 14:29 | Antworten

  2. Ich stehe ja, wie schon beschrieben, dem Buch ein wenig skeptisch gegenüber, beziehungsweise habe ich meine Schwierigkeiten mit den atemlosen „Hans im Glück-Geschichten“.
    Da tun mir die Helden immer ein wenig leid. Über die Longpreisnominierung, war ich, wie bei der von Michael Ziegelwagner ein wenig erstaunt, wünsche dem Autor aber natürlich alles Gute und habe persönlich momentan noch keine Ahnung, wer da auf der Shortlist stehen wird. Köhlmeier, Streeruwitz, Nawrat, Sailer, Stanisic, Melle vielleicht oder wahrscheinlich ganz wer anderer.
    Viel Spaß beim Longlistenlesen und beim Schreiben Ihres Romans! Wenn man so, wie ich eine lange Leseliste mit teilweise schon sehr alten Büchern aber auch noch die Marion Poschmann vom Vorjahr hat, tut man sich damit ein wenig schwer. Aber vielleicht findet noch das eine oder andere Buch zu mir und „Koala“ steht ohnehin schon auf meiner Leseliste.

    Kommentar von jancak — 2014-08-27 @ 16:25 | Antworten


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