Literaturgefluester

2014-02-26

In geheimer Mission

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:58

Vor einigen Wochen hat mir die Journalistin Judith Grohmamm ein Mail geschrieben und mich auf ihr, bei „riva“ erschienenes Buch, „In geheimer Mission“, in dem in „supercoolen Stil, also angenehm zu lesen, über den spekulären Einsatz von sechzehn weltweit arbeitenden Antiterroreinheiten berichtet wird und sie als erste Frau und erste Autorin, die Erlaubnis bekam über diese Männerdomain zu berichten“.
Nun interessieren mich als gewaltfreie Frau coole Bücher über den Kampf gegen Verbrechen und Terror ja nicht so sehr, aber das von Thomas Stompe über die Täterprofile bei forensischen Rechtbrechern habe ich im letzten Sommer auch gelesen und es ist sicher interessant und spannend zu erfahren, wie die Cobra-Einsatztruppen ausgebildet werden und, wie sie arbeiten.
Noch dazu, wo ich von dem Buch schon etwas gehört habe, wurde ja auch in der Sendung „Leporello“, im Dezember darüber berichtet und da habe ich den Bericht von den Cobra-Leuten, die mit ihren lautlosen Spezialsohlen hinter Judith Grohmann herhechtelten und sie erschreckten, sehr informativ gefunden.
Dem „Schweizer-Offiziers-Blog“, der das Buch schon besprochen hat, hat es zwar nicht so ganz gefallen und gemeint, daß Judith Grohmanns Berichte gar nicht so exclusiv wären und man das, was berichtet wird, schon woanderns nachlesen kann. Aber ich kenne mich in der Terrorabwehrarbeit nicht so aus, stehe den Polizeieinsätzen auch kritisch gegenüber und lese mich sowieso gerne quer über den Tellerrand.
Es beginnt also mit einem Vorwort von Ban-Ki-Moon, dem Generalsekretär der vereinten Nationen und einem von Judith Grohmann, in dem sie erzählt, daß sie inzwischen wahrscheinlich die weltweit überwachteste Journalistin wäre und die vierzig Kilo schwere Spezialrüstung beschreibt, mit der sie sich mit den Beamten auf den Einsatz macht. TSO-Helm, schutzsichere Weste, schwarze Einsatzstiefel.
Die Auswahl und das Training der Polizisten für diese Spezialeinsatzgruppe wird auch beschrieben. Nur die besten Männer und die noch viel viel viel besseren Frauen, dürfen dazu, sie müssen trainieren, psychologische Tests bestehen, ihr Gedächtnis trainieren, konzentriert arbeiten können und noch viel mehr und dann sprechen sie konzentriert von der „Lage“, wie sie ihren Einsatz nennen, sind mit Kopfhörern miteinander verbunden und geben sich in Codenamen ihre Anweisungen.
Dann gibts und das habe ich noch interessanter gefunden, Fallgeschichten und zwar solche, bei denen Judith Grohmann wahrscheinlich nicht dabei war, so den des zum „Tod Verdammten“ am 15. und 16. Mai 1994. Da soll nämlich Joseph Anton von Bundesminister Rudolf Scholten den österreichischen Staatspreis für europäische Literatur in Wien bekommen und der war damals der weltweit gefährdetste Mann.
Joseph Konrad werden meine Leser vielleicht fragen? Wer ist das, noch nie etwas gehört? Wir kennen nur Joseph Konrad und Anton Tschechow und natürlich auch Salman Rushdie und das sind dessen Lieblingsschriftsteller. Die Kobra benützte aber Decknamen, checkte alles aus und ab so und verlief die Preisverleihung vor dem staunenden Publikum und den hundert geladenen Gästen im Festsaal des Palais Starhemberg am Minoritenplatz auch perfekt.
Wendelin Schmid Dengler hielt die Laudatio und Salam Rushdie wurde wegen seiner „Satanischen Verse“ ja von Ayatollah Khomeini zum Tode verurteilt. Da könnte man natürlich sagen, daß soviel Aufwand wegen eines Staatspreises vielleicht nicht ganz verhältnismäßig ist und es billiger gewesen wäre, Salam Rushdie den Scheck und die Urkunde mit der Post zu übersenden, bei Thomas Bernhard hat man das ja einmal auch so gemacht und für das ersparte Geld hätte man mir oder einem anderen Autor ein Stipendium geben können. Ein Cobramann hätte die Urkunde aber auch überbringen können. Andererseits kamen die gutgeschulten Kobrakräfte damit in einen Kunstgenuß, der auch nicht zu verachten ist und das mit der Verhältnismäßigkeit habe ich mir auch beim Opernballeinsatz im Jahre 2004 gedacht. Da hat die damalige Außenministerin, Benita Ferrero-Waldner, einen Drohbrief bekommen.
„Gnädige Frau, hiermit habe ich die hoch geschätzte Aufgabe, Ihnen in aller Form mitzuteilen, daß Sie den Opernball in diesem Jahr nicht mehr lebend verlassen werden!“
Und die Cobra routierte, gab der Ministerin Personenschutz, riet ihr beim Ball unter ihrem Abendkleid eine Schutzweste anzulegen, was bei der „meerblau-dunkelgrünen Robe mit vielen Spitzen am Oberteil“ aber nicht möglich war.
So mußte der Personenschutz noch enger an das Ministerpaar heran, die natürlich Schutzwesten unter Frack und Abendkleider hatten und die Waffen und Mikrophone waren ebenfalls darunter versteckt. Vorher wurde die Oper, die ja dafür zwei Tage spielfrei hat, nach Waffen untersucht und die Kobra ist auch genau darauf trainiert, den Umstehenden, Journalisten durften kein Interview verlangen und Freunde kein Küßchen geben, auf verdächtigen Augenkontakt, Schwitzen, Nervosität, etcetera zu observieren. So wurde ein Herr unauffällig von vier Beamten abgeführt, der Ball fand aber problemlos statt, ein Attentatversuch wurde nicht unternommen und der Verkündungsbrief wird noch heute „aus Sicherheitsgründen an einem geheimen Ort im Innenministerium aufbewahrt.“
Auf einen kleinen Fehler, darf ich die Autorin auch noch aufmerksam machen. Der Opernball findet meines Wissen immer am Donnerstag vor und nicht nach dem Aschermittwoch statt, denn das ist ja schon Fastenzeit und da sollte wahrscheinlich auch die Kobra kein Fleisch mehr essen, aber sie ist höchstwahrscheinlich auch sonst auf einen gesunden Lebensstil trainiert.
Um einen kleinen Kind ein Trauma zu ersparen, können die Spezialisten auch einmal ganz „soft“ vorgehen. Der Verhandlungsführer gibt sich als Mitarbeiter vom Magistrat bezüglich des Sorgerechts, das der Vater haben will, aus, dann wird sanft und leise gestürmt und als alles vorbei ist, finden sie das Kind spielend im ersten Stock in seinem Zimmer. Es hat gar nichts von der Sache bemerkt.
Dann geht es ins Ausland. In der Slowakei ist die Spezialeinheit „Lynx“ aktiv und die war bei der Erpressung der Handelskette Tesco 2003 im Einsatz. Sechzehn Länder wie Frankreich, Litauen, Israel, Italien etc mit ihren jeweils speziellen Einsatzgruppen, „UPS“, „TEK“, „RAID“, etc, die mit Geiselnehmer verhandeln, Bankräuber fassen, mit geistig Verwirrten oder islamischen Selbstmordattentätern zu tun haben.
Das ist wohl das Supercoole, wie Judith Grohmann in ihrem Mail beschreibt, mir war das manchmal etwas zuviel, der Kopf rauchte, so daß nur spekulärsten Fälle haften blieben.
George Bush in Wien 2006, beispielsweise, als seintetwegen die Stadt zu einer Geisterstadt wurde, Hubschrauber in der Luft kreisten, das Hotel für ihn gesperrt wurde, in dem er, wie ich in der Zeitung, las, trotzdem lächelnd und winkend, wie eine Marionette herumgeirrt sein soll, was mich dann bei der „Sophie Hungers“ zu einer Szene inspirierte.
Judith Grohmann war dicht am Geschehen, hat die verschiedenen Einsatzgruppen bei ihren Einsätzen ein Jahr begleitet und denkt heute noch an die guten Jungs, die für Gerechtigkeit und Frieden ihr Leben einsetzen.
In Holland wurde Theo van Gogh ermordet, Leon der Winter hat ein Buch darüber geschrieben, in England sollte Victoria Beckham entführt werden, in Deutschland ist beim RAF-Einsatz sogar ein kleiner Fehler passiert und in Moskau stürmten die Tschetschenen ein Theater, als dort ein Musical lief.
Die Spezialtruppen leiteten Giftgas ein, an dem nicht nur die Entführer, sondern auch die Österreicherin im Publikum ihr Leben ließ.
So ganz geheim können die geheimen Einsätze also nicht sein, zumindestens die spekulären findet man in der Zeitung, obwohl Judith Grohmann in ihrem Nachwort erwähnt, daß sie jetzt versteht, warum das alles geheim bleiben muß. Soviel an Information würden wir nicht aushalten. Jetzt wissen die, die nach dem „coolen Buch“ greifen, davon. Einiges habe ich schon vorher gewußt.
Judith Grohmann, die sehr selbstbewußt für sich und ihr Werk Werbung zu machen versteht, scheint schon an einem zweiten Teil zu arbeiten, in der „Wiener Zeitung“ gab es auch ein Interview, das Michael Schmölzer, Hilde Schmölzers Sohn mit Judith Grohmann über die geheimen Terroreinsätze machte. Einen Fototeil, wo man Judith Grohmann im schwarzer Rüstung, blonden Haaren und dem Helm am Schoß im Einsatzwagen sitzen sieht, während die coolen Burschen mit angelegten Gewehren daneben stehen, gibt es auch.
Und wie die Geiselnahmen und die Verhandlungen in einem slowenischen Gefängnis passieren, habe ich erst unlängst woanders gelesen.
Interessant wäre auch, was Ilija Trojanow zu dem Buch sagen würde?

2 Kommentare »

  1. Guten Tag und Hallo! Ich sollte/wollte in meinem Blog auch über dieses Buch schreiben. Mir war nicht so danach, deshalb habe ich es sehr kurz gehalten und auf HIER verwiesen. Ich hoffe, es „passt“….Gruß von Sonja

    Kommentar von wildgans — 2014-03-02 @ 14:08 | Antworten

  2. Passt und ich finde Ihre Eindrücke auch sehr interessant, denn ich habe es schon Frau Grohmann bei ihren Besuch bei mir gesagt, daß ich durch diese Besprechung die Erfahrung machte, daß man auch eine „gelungene Rezension“ schreiben kann, wenn man von dem Cover nicht so begeistert ist und den Geheimhaltungsphilosophien der Spezialeinheiten und vielleicht auch der ganzen Terrorabwehr etwas kritisch gegenübersteht.
    Und es war ein durchaus spannend geschriebenes Buch mit auch sehr spannenden Fällen, wie die, bezüglich Salman Rushdie, Operball, George Bush, etc., das ich da gelesen habe.
    Daß gerade, die, nicht so geheim waren, sondern höchstwahrscheinlich in der Zeitung standen, macht das Buch vielleicht ein bißchen mißverständlich und widersprüchig. Auch war wahrscheinlich, die sehr selbstbewußte Art von Frau Grohmann und ihre Buchwerbungungsrunde, die sie offensichtlich bei den Bloggern machte, für manche ein bißchen befremdlich.
    Ich habe mich nicht abschrecken lassen, Frau Grohmann getroffen, eine interessante, freundliche, kontaktfreudige Journalistin kennengelernt und den Spezialeinsätzen und ihren Geheimhaltungstaktiken zu unserer aller Sicherheit stehe ich immer noch ein bißchen kritisch gegenüber. Es schadet aber sicherlich nicht zu wissen, wie man für die Cobra ausgebildet wird und das ist sicherlich ein harter Job, der, wie mir Frau Grohmann noch erklärte, gar nicht sonderlich honoriert wird.
    Das man das Buch auch ganz anders empfinden kann, ist hier zu lesen.

    Kommentar von Eva Jancak — 2014-03-02 @ 18:02 | Antworten


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