Literaturgefluester

2014-04-07

NS-Karrieren

Filed under: Uncategorized — jancak @ 21:24

Ludwig Laher, den ich von der GAV beziehungsweise den Sitzungen der IG-Autoren kenne, bei verschiedenen seiner Lesungen war und auch „Einleben“ und „Verfahren“ gelesen habe und den ich in die Jury des „Ohrenschmauses“ brachte, hat einen neuen Roman geschrieben.
„Bitter“, in diversen Blogs, die ich verfolge, bin ich schon darauf aufmerksam geworden, heute wurde das bei „Wallstein“ erschienene Buch in der „Alten Schmiede“ vorgestellt und ich war eigentlich ganz sicher, daß ich nicht hingehen kann, da um sechs Uhr eine Stunde, dann war die früher zu Ende und ich bin noch während Kurt Neumanns Einleitung, der gerade den Moderator und Gesprächsleiter Günter Kaindlsdorfer vorstellte, zurecht gekommen und erfuhr, was ich nicht wußte, daß es sich bei dem Buch, um eine Biografie in Romanform des Nazis und hochrangigen Gestapofunktionnär Friedrich Kranebitter handelte, der nach dem Krieg ein Jahr verurteilt wurde, sich sein Leben aber zurechtlog, so daß auf seiner Parte, als er 1957 an Krebs starb, stand „sein Leben war nur aufopfernde Liebe und Pflichterfüllung“, das habe ich aus Wikipedia und das Buch heißt auch, wie der Held, der darin beschrieben wird „Bitter“ und Ludwig Laher beantwortete als erstes Günter Kaindlsdorfer Frage, warum er sich dafür entschieden hat, die ersten Silben wegzulassen, obwohl man den richtigen Namen, wie ich es tat, ohnehin sehr leicht und schnell ergooglen kann und später wurde noch gefragt, warum er sich für die Romanform entschied und nicht eine Biografie über den Nazi geschrieben hat.
Ludwig Laher hat sich ja schon einmal mit den Nazis in OÖ beziehungsweise, einem Lager in St. Pantaleon, wo Ludwig Laher auch lebt, beschäftigt, da war ich, glaube ich, bei einer Lesung, beziehungsweise habe ich den Autor im Radio darüber sprechen gehört und auf Grund dieses Buch, hat ihm ein Historiker, die Unterlagen über Friedrich Kranebitter übergeben, die er eine Weile liegen ließ, weil er zuerst die Trilogie beschrieben hat, wovon ich die beiden letzten Bände gelesen habe.
Ludwig Laher las sich dann durch das Buch und kommentierte zwischendurch den Lebenslauf des 1903 als Sohn eines Gendarmen in OÖ Geborenen und in Schärding Aufgewachsenen, der sehr sportlich war und ein Tausendsassa, wie seine Schwester Annemarie meinte.
Er war dann im Stiftsgymnasium Wilhering und wurde dort wegen nationalistischer Umtriebe entlassen, hat 1924 in Ried im Innkreis Matura gemacht und war dort auch bei der Burschenschaft Germania, als die 2000 ein Jubiläum feierte, gab es eine Broschüre mit Kranebitters Bild und einem Vorwort vom Landeshauptmann. Friedrich Kranebitter ist dann nach Wien gegangen, wurde Polizist, hat Jus studiert, geheiratet, seine Frau betrogen und als die Nazis kamen, war er am Stephansplatz im Einsatz und hat sehr bald die Nazischleife über seinen Arm gezogen, weil er schon lange illegales Mitglied war. Sein Schwager war auch Polizist und hat die illegalen Nazis verfolgt, so daß er verhaftet und ermodert wurde, während noch seine Schwester und seine Mutter bei ihm für ihn intervenierten.
Er war lange am Morzinplatz tätig und kam dann nach Charkov, wo er für Massentötungen verantwortlich war, darüber hat Ludwig Laher, wie er erzählte, nicht sehr viel geschrieben, weil man das nachlesen, beziehungsweise sich in you Tube die Prozeßberichte ansehen kann, er wollte die kleinen alltäglichen Verbrechen und Folterungen beschreiben und auch den Wahnsinn, daß er den Wagen des jüdischen Rechtsanwaltes Michael Stern beschlagnahmen ließ und fuhr, der ihm dann nach dem Krieg verteidigte und die Freunde aus der Burschenschaft haben ihm auch weitergeholfen. Im Staatsdienst durfte er nicht mehr tätig sein, so hat er bei einer Brandtschutzversicherung gearbeitet und Ludwig Laher dürfte, bei seinen noch lebenden Verwandten, wie bei seiner Nichte Annemarie die inzwischen auch schon gestorben ist, recherchiert haben, die in der Bewähriungshilfe arbeitete und Ludwig Laher, als Grund dafür angab, das es bei jeden Verbrecher etwas Gutes gibt, das fällt bei den Nazi eher schwer zu begreifen.
Ludwig Laher hat mit Günter Kaindlsdorfer aber darüber diskutiert, daß es wohl der Ehrgeiz war, der den Tausendsassa angetrieben hat und daß er, wäre er fünzig Jahre später geboren, vielleicht erfolgreicher Banker geworden wäre. Das will ich mir auch nicht so ganz vorstellen, habe mich aber schon öfter über nette freundliche Damen gewundert, wenn die plötzlich über Ausländer und Türken schimpften und eine Dame hat sich aus dem Publikum, das gar nicht so besonders reichhaltig war, gemeldet und gesagt, daß sie 1938 in Schärding geboren sei und das Klima beschrieben, das sie dort erlebt hätte.
Ein sehr interessantes Buch, das mir fast entgangen wäre und noch etwas habe ich versäumt, nämlich Klaudia Zotzmanns Präsentation ihres Hildeheimers Schokoladekrimis „Mord und Schokolade“ im Cafe Alt Wien, das heißt, da bin ich ich vorbei, beziehungsweise am Rückweg hineingegangen und habe, glaube ich, Anni Bürkl gesehen.
Und Ludwig Laher, der einmal beim Bachmannpreis gelesen hat, wird heuer, wie ich gerade seiner Homepage entnahm, Tutor beim Klagenfurter Literaturkurs sein, was ich besonders spannend finde, da eine realistische dokumentarische Autorenstimme dabeizuhaben und ein Kritiker der Zentralmatura und engagiert bezüglich der Rechtschreibreform ist er auch.

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