„Wolfgang Fritz erzählt den beruflichen Werdegang des Buchhalters Taras Vanyocki und die Alltagsgeschichte der Kleinbürger in der zweiten österreichischen Republik ohne Abschweifungen und mit einem fast heiteren Blick auf diese „Zweifelsfälle für Fortgeschrittene“ – ganz in der besten Tradition der Wiener Volkskomödie“, steht am Buchrücken des 1981 in der Collection S. Fischer erschienenen Büchlein vom „Offenen Büchschrank“, das ich vor zwei Jahren fand und ich stellte mir etwas Experimentelles dabei vor, erschien doch in derselben Reihe Marianne Fritz „Die Schwerkraft der Verhältnisse“, das ich mir in den Achtzigerjahren kaufte und Marianne Fritz ist ja eine experimentelle nicht gerade leicht zu lesende Autorin.
Auf der Homepage des 1947 in Innsbruck geborenen Autors, der in Wien jahrelang im Finanzamt und dann im Finanzministerium tätig war, bzw. in „Wikipedia“ habe ich gefunden, daß er mit Marianne Fritz verheiratet war.
„Zweifelsfälle für Fortgeschrittene“ war sein erstes Buch, es gibt noch Weitere, denn die literarische Arbeit, steht auf der Homepage war für den Beamten immer sehr wichtig und seine Werke sind auch feinsäuberlich in wissenschaftliche und literarische Werke aufgeteilt.
Unter Wissenschaftliche fällt dann „Die Geschichte von Hans und Hedi – Chronik zweier Hinrichtungen“ und davon habe ich schon einmal im Literaturhaus gehört und die „Zweifelsfälle für Fortgeschrittene“ erinnerten mich ein bißchen an Canettis „Blendung“.
Ist der Taras Vanyocky ja ein bißchen, wie der Büchernarr Kien, vor allem aber ist er klein und dürr, hat ungepflegte Haare und trägt seit Jahren denselben Mantel, den ihm seine geschiedene Lintschi einmal zu Weihnachten schenkte und er hat eine Heidenangst vor Frauen, ist er mit seiner Lintschi, die schließlich das Bett mit ihrem Liebhaber teilte und ihn auf die Kautsch (wird so geschrieben) hinausexportierte, doch sehr eingefahren.
Jetzt lebt er im zweiten Bezirk in einem kleinen Zimmer, ist seit Jahren arbeitslos und geniert sich dafür, geht nur am Samstag ein Achterl zu seinen Stammwirten trinken und davor fürchtet er sich auch, gibt es in dem Haus doch eine Frau Lucie, fünfzig wie er und die hat ihm einmal auf einen Kaffee eingeladen.
Seither traut er sich nicht aus dem Haus, damit sie ihm nicht erwischt, denn er ist sehr schüchtern und sagt immer „Sehr wohl, Herr Chef!“
Als er sich aber einmal auf sein Achterl aufmachen will, gerät die Frau Lucie vor der Basena draußen mit einer Türkin in Streit und flüchtet vor ihr, die Türkin holt ihren Mann oder Bruder herbei, die zerreißen Taras Mäntelchen und die Lucie bringt ihm dann den von ihrem Seligen, aber der ist ihm viel zu groß und zu weit.
So weit so gut und auch ziemlich lustig, weil sich Wolfgang Fritz ein wenig über das Wiener Klischee und diese Beamtenmentalität lustig zu machen scheint und er dreht auch die Geschlechterverhältnisse um.
Der Buchhalter ist zwar sehr ordentlich und pedantisch und verlangt sogar vom Maronibrater eine Rechnung und er war auch im Jahr 1947 oder so, der beste in der Handelsschule, aber fleißig ist eigentlich die Frau Lucie, die putzt und wäscht und lädt den Herrn Taras immer ein, aber der macht eine Zeitlang nichts, als vor ihr zu flüchten.
Er wird auch ziemlich oft zusammengeschissen, von den Gästen im Wirtshaus, von seinen Chef, er findet schließlich doch eine Stellung in einem sehr windigen Betrieb, traut sich dort nicht zu essen und auch nicht aufs Klo zu gehen und wird dann von seinem Chef als Betrüger hingestellt, so daß sich Taras vor Angst fast anmacht und aus dem Fenster springt, als die Luzie ihn holen kommen will.
Er glaubt, sie ist die Vorhut der Polizei, die haben ihn aber schon als harmloses Würstl vergessen, der Taras muß aber ein Jahr ins Krankenhaus, dann wird er im Rollstuhl entlassen, heiratet die Lucie, die sich inzwischen in seinem Stammwirtshaus als tüchtige Kellnerin verdingt und die Lintschi, Taras Ex ist inzwischen auch zur Amtsrätin im Finanzamt aufgestiegen.
Eigentlich ein lustiges Buch und das Augenzwinkern, mit dem es beschrieben wird, ist auch zu spüren,da macht sich ein noch junger Mann über die die österreichische subalterne Kleinbürgerlichkeit lustig, übertreibt schamlos dabei und ist am Ende doch erstaunlich modern und gibt es nicht bei Ingrid Noll auch so ein Ende?
Aber so bösartig ist die Frau Lucie gar nicht, die ist eigentlich eine gute Seele, nur der Taras ist ein subalternes ängstliches Würstl, mit seinem „Jawohl, Herr Chef!“ und seine Angst vor Autoritäten, die ihm sogar das Sterbebett seiner Mutter versäumen läßt.
Ein gar nicht experimenteller Roman, sondern einer, der mit den Wiener Klischees spielt, sie übertreibt und ins Lächerliche kippt, dabei manchmal auch an Nestroy erinnert und dann gar nicht so unmodern damit ist.
Spannend einen mir bisher fast unbekannten Autor kennenzulernen, obwohl der, wie ich seiner Homepage weiter entnahm, in der Josefstadt lebt und auch GAV-Mitglied ist.
2014-04-27
Zweifelsfälle für Fortgeschrittene
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