Der 1937, bei Bad Eisenkappel geborene Kärntner-slowenische Dichter ist mir ein Begriff, wenn ich mich nicht irre, habe ich mir den Siebzigerjahren auch den „Zögling Tjaz“ gekauft und gelesen,ich kann das Buch nur jetzt nicht in meinem Bibliothekskatalog finden, es müßte aber in Harland sein.
Als es um das Jahr 2005 diese Diskussion mit dem „Österreich-Koffer“ gab, den eigentlich Günther Nenning herausgeben wollte und der schließlich unter Mithilfe von Robert Schindel bei „Residenz“ erschienen ist, war sein „Die Beseitigung meines Dorfes“ dabei. Ich habe das Buch ein paar Jahre später bei der „Buchlandung“ um einen Euro gekauft und noch nicht gelesen, obwohl ich es mir schon einmal diesbezüglich ins Badezimmer legte, jetzt gab es in der „Alten Schmiede“ die Präsentation des an sich schon 2005 bei „Wieser“ aber jetzt mit einem Nachwort von Peter Handke offenbar wiederaufgelegten Buches „Bostjans Flug“ und so habe ich den großen schlanken Dichter, den ich noch nie bei einer Lesung hörte, kennengelernt und auch Angelika Kaufmann, Lydia Mischkulnig und andere im Publikum gesehen.
„Die Verlage schreiben aus verkaufstechnischen Gründen Roman, es ist aber eher ein Prosastück in elf Teilen!“, erklärte Kurt Neumann in seiner Einleitung und sprach von einem jungen Mann, der in einer waldreichen Gegend aufwächst und den einige Schicksalsschläge treffen, die sich in Motivbögen durch das Buch ziehen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, dürfte der Bostjan eher ein Kind sein, zumindest habe ich das aus der vorgelesenen Passage so entnommen. Die Mutter wird von dem Gendarm plötzlich vom Brotbacken weggeholt und kommt nicht mehr zurück. Das Buch spielt im Krieg hat Kurt Neumann noch angefügt, die Großmutter stirbt, der Vater kommt aus dem Feld zurück, verheiratet sich nochmals und zieht ins Dorf, Bostjan lernt auch seine Liebe, die Mesnertochter Lina kennen und kommuniziert mit den Dämonen, beziehungsweise lebt er in dieser und auch in der dörflichen Welt, wo auch die Straßen sprechen, beziehungsweise Gegenstände eine Stimme bekommen. Eine Sprache von unten erklärte Kurt Neumann weiter und verglich Florjan Lipus mit Marianne Fritz, ein Vergleich, den ich nicht ganz nachvollziehen konnte, aber ich habe von beiden noch nicht viel gelesen und Florjan Lipus begann dann gleich auf Slowenisch, das ich trotz meines Namens nicht verstand und setzte mit den schon beschriebenen Stellen auf Deutsch fort, sprach bei der Begegnung mit Lina von einem „armen Hascherl“ und auch davon, daß die Großmutter den Buben von der Bildung beziehungsweise von dem harten langen Schulweg zu befrreien versuchte, was für mich auch nicht so nachvollziehbar ist, umsomehr da ich nachgelesen habe, daß Florjan Lipus bis zu seiner Pensionierung 1999, Lehrer an Kärntner Volksschulen war.
Dann gab es ein Gespräch mit Kurt Neumann, der den Motivbogen noch einmal erwähnte, offenbar scheint das Buch mit einer Begegnung mit Lina zu beginnen und auch zu enden. Dazwischen liegt die Verhaftung der Mutter, der Tod der Großmutter und das Überleben mit der Phantasiewelt und auch das Erwachsenwerden höchstwahrscheinlich. Kurt Neumann sprach auch von einem Entwicklungsroman und fragte Florjan Lipus dann nach dem Unterschied zu dem früher entstandenen „Zögling Tjas“, in dem es um das Internatsleben zu gehen scheint und ich fand es sehr spannend den Autor antworten zu hören, daß er eigentlich immer dasselbe, über sich und die Geschehnisse, die es zu verarbeiten gilt, schreibt.
Ju Sophie hat ja einmal mit mir darüber diskutiert, daß man so nicht schreiben dürfe. Ich denke ein Teil der großen Autoren tut das, die die Gebrauchsliteratur schreiben, die mit Plots und Spannungsbögen arbeitet nicht, aber dazu gehört Florjan Lipus nicht und er verneinte auch die Frage, ob das Buch eine Autobiografie wäre?
Er hat aber seine Mutter als Kind verloren, die, während sie Partisanen bewirtete, verhaftet und ins KZ gebracht wurde.
Florjan Lipus erklärte noch dazu, daß sich die Sichtweisen im Laufe des Lebens ändern, das eine Mal erscheint einem der eine Aspekt besonders wichtig, das andere Mal ein anderer.
Dem kann ich mich anschließen, habe ich ja auch schon geschrieben, daß man immer den selben Roman schreiben würde, ein Leben lang. Florjan Lipus brauchte zu diesem drei Jahre, solang hat er daran geschrieben, das Material war aber schon immer da, wurde vorbereitet und aufgearbeitet und es war wieder spannend die Diskussion mit Kurt Neumann zu verfolgen, der ihn mit seinen Theorien überschüttete und der Autor antwortete freundlich „Das weiß ich nicht!“ und sprach von dem Unterschied zwischen den Lesern, die sein Buch lesen müssen, wollen oder dürfen und ihm, der sich damit beschäftigt, weil er die Ereignisse seines Lebens aufarbeiten muß.
Peter Handke hat in seinem Nachwort von der Rebellion geschrieben, die er in dem Buch entdeckt hätte, Kurt Neumann hat die eher im „Zögling Tjas“ gesehen und der Autor beendete den Abend mit Peter Handke, der auch „Lesen Sie das Buch!“, gesagt hat, dem schloß sich Kurt Neumann mit dem Verweis auf den Büchertisch an und ich dachte mir „Was man nicht alles lesen soll!“, mit einem Seitenblick auf meine endlos lange Leseliste.
Ich lese jetzt Hans Falladas “ Bauern, Bonzen und Bomben“, ein Buch das treffend zum herannahenden ersten Mai passt. „Die Beseitigung meines Dorfes“ habe ich auf der Leseliste und werde in Harland nach dem „Zögling Tjas“ suchen, aber wahrscheinlich war es Janko Ferks „Der verurteilte Kläger“, das ich mir damals kaufte und etwas möchte ich noch flüstern, was wieder zu der Frage, was man lesen soll und was nicht?, passt.
Ich bin ja eine, die sich quer durch den Krautgarten bzw. durch die Gegenwartsliteratur liest und dabei Krimis, ChickLits, etc, nicht ausläßt und JuSophie hat sich auch einmal darüber gewundert, daß ich Sophie Kinsella lese. Die „Schnäppchenjägerin“ ist aber das beste Buch über die Kaufsucht, das ich je gelesen habe und wenn man öffentlich zugibt, daß man Krimis oder Frauenbücher liest, wird man leicht schief angesehen.
Das konnte ich unlängst auch im Radio im Zusammenhang mit Stefan Zweigs „Ungeduld des Herzens“ hören und im Literaturcafe gibt es dazu einen Artikel, hat da doch jetzt Sibylle Lewitscharoff, die auch nicht unumstritten ist, eine Art Krimi geschrieben und Iris Radisch hat davon gesprochen, daß man bei Krimis das Niveau hinunterschrauben müsse und die Krimiautoren beginnen sich im Literaturcafe darüber zu empören.
Da habe ich einen Kommentar geschrieben und denke, daß man sich einfach weiter durch den literarischen Krautgarten lesen und sich auch dazu bekennen soll.
Ich lese Florjan Lipus, Sophie Kinsella, Arno Schmidt, etc, alles durcheinander so, wie ich es Bücherschrank finde und es auf meiner Leseliste steht. Und weil ich das schon einige Jahrzehnte tue, habe ich mir schon ein ziemlich breites literarisches Wissen angelesen und bin diesbezüglich so selbstsicher geworden, daß ich auch öffentlich dazu stehen kann.
2014-04-29
Zweisprachige Lesung mit Florjan Lipus
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