„Portrait eines Selbstmörders in Spe und fünf Photografien“, lauten Titel und Untertitel eines kleinen vom „Büchner-Preisträger“ Arnold Stadler geschriebenen Büchlein, das 2005, zum zweihundertsten Geburtstag des oberösterreichischen Dichters erschienen ist und das ich vor eineinhalb Jahren in der „Thalia Abverkaufskiste“ fand.
Habe ich schon geschrieben, daß ich zu Adalbert Stifter ein besonderes Verhältnis habe, so daß ich vielleicht auch ein diesbezügliches Buch schreiben könnte?
Das ist jetzt ein wenig übertrieben. Aber in meiner Studentenzeit habe ich viel Stifter gelesen und in der Schule den „Bergkristall“.
Den „Nachsommer“ gabs im Bücherschrank meiner Eltern, ich habe ihn gelesen und wahrscheinlich ebensowenig verstanden, wie den „Mann ohne Eigenschaften.“
Und dann gab es ja die kleinen gelben „Goldmann-Taschenbücher“ mit den „bunten Steinen“ und all den anderen Stifter Erzählungen, die der Herr Hofrat nicht Romane nennen wollte. Die habe ich gelesen, im Sommer 1975, als ich mich von meiner Freundin Elfi verabschiedete und mit Sack und Pack und Stifterbüchern in das Haus am Almweg aufbrach, um dort den Sommer zu verbringen.
Nach ein paar Tagen habe ich das abgebrochen, den Stifter aber weiter gelesen und mir auch den „Witiko“ gekauft, wars noch in der legendären Buchhandlung „Herzog“ oder war es schon der Nachfolger oder ganz woanders?
Gelesen habe ich die Trilogie noch immer nicht, jetzt aber auf meiner Leseliste und weil ich, während meines Psychologiestudiums doch vereinzelt Germanistik-Vvorlesungen besuchte, war ich auch einmal in einer von einem alten Herrn, der sich als Stifter Fan outete.
Jetzt ist es um den großen Oberösterreicher ein wenig still geworden, denke ich, 2005 hatte er aber seinen Geburtstag und da gab es auch Kurt Palms Film „Der Schnitt durch die Kehle“ und jetzt das Buch des Büchner-Preisträgers, von dem ich „Eines Tages, vielleicht auch nachts“ und „Ein hinreißender Schrotthändler“ auf meiner Leseliste habe und es wirft einen sehr eigenwilligen ungewöhnlichen Blick, auf den beleibten Mann, dem Schulinspektor und den Erfinder des „sanften Gesetzes“, das mich noch heute bewegt und vielleicht auch Leitbild meines Schreibens ist:
„Weil wir schon einmal von dem Großen und dem Kleinen reden, so will ich meine Ansichten darlegen, die wahrscheinlich von denen vieler anderer Menschen abweichen: Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit, Einfachheit, Bezwingung seiner selbst.. verbunden mit einem heiteren gelassenen Sterben halte ich für groß, mächtige Bewegungen des Gemütes, die Begier nach Rache den entzündenden Geist der nach Tätigkeit ukmreißt änder zerstört.. halte ich für mich größer, sonder für kleiner , da diese Dinge so gut nur Hervorbringungen einzelner Kräfte sind, wie feuerspeiende Erdbeben.“
Zuerst beginnt es aber mit einem Gedicht des Autors.
„Als wäre das Leben eine Winterreise und ein Rasiermesser ein Schmerzmittel“
Dann gibts eine „Notiz“ und als „Einleitung „Die Photographien“, von denen das erste das ist, das glaube ich, auch das Cover eines der Bände meines Schuldeutschlesebuches zierte. Die Stifter, die dann folgen, werden immer dünner, am Schluß gibt es die Totenmaske und dazwischen Arnold Stadlers Betrachtungen, über die Freß- und Trinksucht des Meisters, die er immer wieder dem heutigen Fastfoodkult gegeüberstellt.
Ob Adalbert Stifter Chips gegessen hätte, während er an seinen „Witiko“ schrieb? Vielleicht kommt das schon im ersten Teil vor, wo Stadler „Seinen Stifter“ beschreibt, also eines Abriß seines Lebens gibt, Briefe oder Speisezetteln des Meisters, der gleich einmal zwei Tauben hintereinander gegegesen hat und ein paar Forellen, gibt es auch.
Am 23. Oktober 1805 ist Adalbert Stifter im südböhmischen Böhmen am Rande des Böhmer-sowie des bayrischen Waldes geboren. Er ging nach Wien studieren, schloß nie ab, vorher war er in einer Klosterschule und sollte vielleicht ein heiliger Herr werden, hatte in Wien Beziehungen zu zwei Frauen und heiratete seine Amalie erst, als die andere einen anderen genommen hat und daraufhin im Kindbett starb.
Diese Amalie soll sehr streng gewesen sein und die Ziehtochter ins Wasser, in die Donau, getrieben haben.
Stifter wurde Schulinspektor, schrieib seine Werke, wurde depressiv und krank und starb dann 1868 durch den berühmten Schnitt durch die Kehle.
Der zweite Teil ist dem „Nachsommer“ gewidmet, ein Buch an dessen Inhalt, ich habe es mit circa zwanzig gelesen, kaum mehr erinnern kann, das, wie ich nach der Stadler Lektüre daraufgekommen bin, mich aber sehr geprägt haben muß und es mir offenbar auch als Vorbild für meine eigenen Schreibvorstellungen diente.
Arnold Stadler gibt eine kurze Inhaltsangabe. Das Buch beginnt mit dem Satz „Mein Vater war ein Kaufmann“ und ein junger Mann kommt auf einer Wanderung, zum Rosenhof, wo ein alter Mann lebt, um ein Leben lang dort zu bleiben. Im Nachbarhaus wohnt die ehemalige Geliebte oder Jugendschwarm des alten Mannes, die er nicht heiratete, weil die Eltern dagegen waren, jetzt wahrscheinlich verwitwet, mit zwei Kindern, die der alte Mann erzieht.
Ein Entwicklungs-Bildungs-Erziehungsroman, der Hebel nicht gefallen hat, andere Größen waren von ihm, wie ich begeistert und Stadler meint, daß sich Stifter, dessen Leben nicht so harmonisch verlief, er war, als er das Buch sehr rasch schrieb, über Fünfzig, sehr dick, in Geldnöten und seine Ehe war auch nicht sehr gut, denn die gute Amalie offenbar sehr ungebildet und hat angeblich auch seine Bücher nicht gelesen, damit eine Wunschbiobgrafie erschrieb, ein Märchen vom schönen Leben, in dem Rosen und andere Idyllen eine Rolle spielen, was man mir auch schon vorgeworfen hat.
Es geht auch um den Käfermarkter Altar, der in dem Buch eine Rolle spielt und um Stifters Meeressehnsucht, die sich während des Schreibens offenbar auch erfüllt hat.
„Selbst den Nachsommer, so deutsch er ist, hätte ich anders gemacht, wenn ich ihn nach dieser Reise geschrieben hätte.
Ich müßte, könnte den „Nachsommer“ ein zweites Mal lesen, werde das angesichts meiner überlangen Leseliste aber höchstwahrscheinlich nicht tun, habe aber den „Witiko“ noch vor mir, den ich mir sehr schwer zu lesen vorstelle, langweilig, steht irgendwo geschrieben, ich bin also sehr gespannt.
Im dritten Teil geht es zuerst um Briefe, die dann zu Thomas Bernhard, auch ein Stifter Kritiker übergehen.
Der „Nachsommer“ wird mit den „Alten Meistern“ verglichen und Arnold Stadler erzählt, daß er sich das Buch gleich nach Erscheinen gekauft und dann viel gelacht hat, jetzt kann er das nicht mehr und ich habe das ja auch beim letzen Satz, als der Held endlich ins Burgtheater geht, nachdem er ein paar hundert Seiten darüber resumiert hat und die Vorstellung, die er zu sehen bekam, natürlich eine „Fürchterliche“ war, damals in der Bahnstation Hütteldorf, als ich mit der kleinen Anna auf den Zug nach St. Pölten wartete.
Was würde Thomas Bernhard zu den heutigen Burgtheaterskandalen sagen? Aber zurück zu Adalbert Stifter, denn, um dem geht es ja in dem Buch, der zweite Teil des dritten Kapitel ist dann noch einmal seinem Ende gewidmet und ich habe ein sehr interessantes Buch gelesen, das meine Stifter Kenntnisse wieder auffrischte.
„Das beste Stifter-Buch des Frühlings“ hat Volker Weidemann am Buchrücken entschieden, der ist ja nun dabei und ich habe vor kurzem auch von Stifter gelesen, als ich nämlich den „kurzen literarischen Sommer“ beziehungsweise den Nachruf auf Lutz Holtzinger las.
2014-06-04
Mein Stifter
Kommentar verfassen »
Du hast noch keine Kommentare.
Kommentar verfassen