Literaturgefluester

2014-06-10

Apropos

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:38

In den frühen Achtzigerjahren hat der „Goldberg-Verlag“ zwei Bände mit Nachgelassenen von Friedrich Torberg, zusammengestellt von Herbert Eisenreich und Marietta Torberg herausgebracht.
„Apropos“. Texte, Artikel des Homme de lettres, wie er sich selber nannte, 1908-1979 in Wien geboren und gestorben.
Dazwischen lag eine nicht bestandene Matura in Prag, die zum ersten weltberühmten Roman führte, eine Emigration über Portugal nach Amerika, eine Rückkehr nach Wien in den Fünzigerjahren und ein äußerst vielseitiges literarisches und öffentliches Leben.
Die „Gefahren der Vielseitigkeit“ hieß eine Ausstellung, die es 2008 im jüdischen Museum gegeben hat und genau dieser Begriff taucht im ersten Band, den ich zusammen mit den „Erben der Tante Jolesch“ in einem der Schränke gefunden habe, wieder auf, in der ersten Abteilung des Buch „Apropos Heiteres vom Totenbett“ und da finden wir auch diese Grabinschrift wieder, von der Torberg auch in den „Erben“ schreibt.
Friedrich Torberg, der Vielseitige, der Homme de lettres, nicht der Dichter, wie er sich selber nannte, obwohl er schon als Kind Gedichte schrieb, der mindestens in fünf Genres tätig war, Sportmeister war er auch und Herausgeber des „Forums“. Als ihm ein Buchhändler dann erzählte, daß einer der Kunden ihn fragte, ob der Autor des „Schüler Gerbers“ der vom „Forum“ ist, hat er angeblich damit aufgehört. Briefe hat er auch viele geschrieben und hat die Menschen wieder angeblich in Brief- und Nichtbriefschreiber eingeteilt. Briefe von Nichtbriefschreiber hat er nicht beantwortet.
Der erste Teil ist also eine Einleitung, eine Art Biografie, im zweiten „Apropos Deutsch als Sprache, als Kauderwelsch und auch ortografi“, gibt es dann Artikel für und gegen eine gute Sprache, das österreichische Deutsch wird vom deutschen Deutsch unterschieden und ein „Fehlender Beistrich bei Kleist“ wird bemängelt und Heinrich Heines „Buch der Lieder“ ein wenig geringgeschätzt:
Heut weiß man, daß du der Dichter
des „Buchs der Lieder bist…
Im Zweifelsfalle entscheiden
Die Deutschen sich stes für den Mist.“
Bumm, das wird dann gleich ein bißchen zurückgenommen und einen Artikel über die „Schlager“ hat er 1978 auch geschrieben.
Teil drei heißt „Apropos Österreich, dieses selbst, und die lieben Nachbarn“ und beginnt mit der Frage „Gibt es eine österreichische Literatur?“, die er 1954, natürlich anders beantwortete, als ich es heute täte und von der „Innsbrucker-Jugend-Kulturwoche“ von 1953 berichtete, bei der an die hundert junge österreichische Autoren antraten, die er nicht namentlich nannte und an ihnen auch nicht viele guten Haare fand.
Ich weiß von „Jugend Kultur Wochen“, etwas später, bei der Elfriede Jelinek und andere auftraten und 1973 haben sich die damaligen jungen Autoren sehr kritisch vom damaligen PEN abgespaltet.
Diese Dichter werden vielleicht nicht zu Torberg Lieblingsautoren gezählt haben.
In dem Artikel von 1954 beruft er sich natürlich auf Grillparzer, Raimund, Nestroy, Schnitzler und bedauert, daß viele der altösterreichischen Dichter den Krieg nicht überlebten.
Stefan Zweig beging als 60jähriger in Brasilien Selbstmord, Robert Musil starb ungefähr gleichaltrig in der Schweiz, Franz Werfel war 54 Jahre, als er in Kalifornien buchstäblich an gebrochenen Herzen zugrunde ging, Joseph Roth hat sich mit 45 Jahren vorsätzlich zu Tode getrunken, im gleichen Pariser Exil, in dem Ödön von Horvarth von einem stürzenden Baum erschlagen wurde.“
Dann gibts Portraits von Peter Altenberg, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Heimito von Doderer, Franz Theodor Czokor und „Persönliche Erinnerungen an Karl Kraus“, den Friedrich Torberg sehr verehrte und der ihm das Telfonbuch empfohlen hat, als er nach einem „nützlichen Buch“ fragte. Das hat ein anderer deutscher Meister, nämlich MRR auch einmal getan.
Der 1954 verstorbene altösterreichische Dichter Fritz von Herzmanovsky-Orlando wird von Torberg auch ausführlich gepriesen und eine Kurzeinführung in seinen „Gaulschreck von Roseneck“, dem Theaterstück „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“, etc gegeben. Torberg der viel von dem eigenwilligen Dichter hält sieht im Jahre 1964 eine Hermanovsky-Orlando Renaissance, während er im vierten Teil „Apropos Witz, Satire, Parodie und tiefere Bedeutung, nebst einem Anhang mit eigenen fremden Federn“, Peter Hammerschlag 1972 für unbekannt hält. Beides hat sich glaube ich inzwischen ein bißchen geändert, was das Lesen des Buches interessant und spannend macht.
Eine ausführliche Analyse über „Fug und Unfug des politischen Witzes“ wird an Hand guter und nicht so gelungener Beispiele auch gegeben und dann gehts, wie schon im Titel angekündigt durch die literarische Parodie, mit der sich ja der mit Friedrich Torberg befreundete Robert Neumann besonders hervorgetan hat. Ein paar eigene Beispiele gibts natürlich auch, darunter eine Parodie genannte Besprechung von Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – „Jetzt Böllerts“ und am Schluß noch ein GedichT
„Einsichten
Seit ich
in einem literaturkritischen Aufsatz
ein Zitat von Peter Weiss gelesen habe—
schreibe ich nur noch Gedichte“
Ein interessantes Buch in dem man in die Ansichten des Vielseitigen eintauchen und sich ein Bild vom Literaturbetrieb des Wiener Literaturbetriebs der Neunzehnfünfziger bis Siebzigerjahre machen kann.

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