Literaturgefluester

2014-08-19

Die Waffen nieder

Filed under: Uncategorized — jancak @ 08:55

Es ist ein sehr alt aussehendes Buch, grünliches Leinencover mit dem Bild einer junger Frau im schwarzen Kleidansatz und hochgesteckten Haaren, das mir da Andrea Stift schickte, nachdem ich von der Streeruwitz Vorlesung im Rathaus berichtet habe, kein Wunder könnte man denken, ist die Autorin ja schon vor etwas mehr als hundert Jahren gestorben, dabei ist es erst 2006 erschienen, also ein Fake, das Buch selber ist aber sehr sehr interessant und ich muß gestehen, daß ich die Friedensnobelpreisträgerin von 1905, die auch auf einigen Geldscheinen zu sehen war, bisher für nicht besonders literarisch gehalten habe.
Da ist aber Anfang des Jahres mein Psychologiekollege Wolfram Huber auf mich zugekommen und hat mir erzählt, daß er sich nun mit der Suttner beschäftigt.
„Aha!“, habe ich gedacht und ihm einen Kaffee gekocht. Dann kamen aber die „Ersten Weltkrieg-Feiern“ und der hunderte Todestag, das „Radio-Augustin“ hat das Buch gelesen und das Lesetheater das Stück aufgeführt.
Nun ist also auch das Buch auf mich zugekommen, das ich angesichts meiner überlangen Leseliste, erst im nächsten Jahr lesen wollte, dann ist mir aber auch die Idee gekommen, in der „Inneren Stadt“ den ersten Weltkrieg mit der Ukraine-Krise zu verbinden, beziehungsweise die Magdalena Himmelbauer, 1914 bei der Geburt ihrer Tochter gestorben, nachdem die vom Heldentod ihres Gatten erfuhr, nach Donetz reisen zu lasen, wo ihr die Marija Marjatschuk erzählt, daß sie sich mit Berta von Suttner beschäftigt und da ist es vielleicht gut das Buch zu kennen und so habe ich es ins Elsaß mitgenommen und es ist ein sehr interessantes Buch, das seltsamerweise erstaunlich aktuell klingt, als hätte es die Autorin erst heute geschrieben, die Frauenfrage klingt an und die Martha, eine 1840 geborene Generalstochter, die am Ende ihres Lebens, im schwarzen Witwenkleid, nach der Taufe ihres Enkelsohns und der Verlobung ihrer Tochter vor ihren roten Tagebuchheften sitzt und ihre Memoiren schreibt, scheint eine durchaus moderne Person, obwohl sie streng adelig, mit den sechzehn Ahnen, die hoffähig machen, die ihrer Autorin verwehrt blieben, versehen, ganz andere Einblicke in das Leben hat, als wir Nachgeborenen oder ihre Diener und Kammerzofen, mit denen sie umgeben war, aber nicht standesgemäß reden durfte.
Der Roman ist in sechs Bücher, von denen vier von Kriegen, zwei von den dazwischenliegenden Friedenszeiten handeln, gegliedert und mit einem ausführlichen Nachwort versehen, wo man auch einiges vom Leben der Berta von Suttner erfahren kann, von dem ich aber schon in meinen vorigen Artikeln geschrieben habe.
So also gleich zum Inhalt, der sich ohne die Streeruwitze Färbung und Deutung vielleicht ein wenig anders liest, die Martha Althaus ist aber ohne jeden Zweifel eine emanzipierte und auch sehr gescheite Frau.
Ohne Mutter ist sie aufgewachsen, wie auch die Streeruwitz in ihrer Rede erwähnte, von der bigotten Tante Marie aufgezogen und von ihrem sehr kriegsbegeisterten Vater, der schon unter Radetzky diente, so erzählen die ersten Seiten auch von der Erziehung, die damals den Kindern zuteil wurden, die Söhne für den Krieg, die adeligen auf jeden Fall, die allgemeine Wehrpflicht gab es noch nicht und als die eingeführt werden sollte, regten sich die Leute auf, daß dann ja jeder Schneider…, wie heute die ÖVP darüber stöhnt, daß es ja nicht ginge, daß jeder Hausmeistersohn und jedes Immigrantenkind aufs Gymnasium gehen könne….
Die Mädchen wurden dagegen zum „Scharpie zupfen“, was das ist, konnte ich dem Anhang leider nicht entnehmen, ich vermute aber, daß es sowas wie ein Verbandszeug ist, daß den Verwundeten aufgelegt wurde, erzogen, was bei ihnen sowas, wie einen „Penisneid“ gegen die Knaben, die doch mit Soldaten spielten durften, etc. auslöste.
Martha emanzipiert sich bald davon oder auch nicht, denn als sie siebzehn ist, nimmt sie die Tante nach Marienbad mit und da verliebt sie sich sehr heftig in den schönen Husarenlieutnant Arno und wird schon mit Achtzehn getraut.
Der erste Sohn Ruru oder Rudolf wird geboren, der von seinen Eltern gleich zum Gefreiten oder Korporal ernannt wird, er wird auch mit dem Töchterlein von Marthas oberflächiger Freundin Lori, verlobt, das er dann später auch wirklich heiratet und der erste Krieg gegen Italien bricht an, zu dem sich Arno freiwillig meldet und auch fällt, so daß Martha schon sehr jung Witwe ist.
Mit dreiundzwanzig Jahren beschließt sie sich nochmals zu verheiraten und zwar den deutschen Friedrich von Tilling, der sich ihr bei einem Ball vorstellen läßt und ihr vom Tod ihres Gatten, bei dem er dabei war, berichtet.
Sie verliebt sich gleich in ihm, er ist zurückhaltender, bei einer Fußwaschung am Gründonnerstag, zu der sich die Aristrokratie Billets besorgen und zusehen konnte, wie der Kaiser und die Kaiserin am Boden rutschten und scheinbar mit einem Tuch über die Füße von armen Pfründnern und Pfrüdnerinnen fuhren, begegnen sie sich wieder. Er schreibt ihr auch einen Brief vom Tod seiner Mutter und ist vom Krieg nicht so begeistert, wie Marthas Vater, so daß der mit einer Trauung zuerst nicht einverstanden ist.
Sie heiraten aber doch, dann kommt der Krieg gegen die Dänen, Martha kommt gerade an dem Tag nieder, als er einberufen wird, das Kind stirbt und sie ist auch lange krank. Nach dem Krieg ist er bereit aus der Armee auszutreten, sie wollen sich ein Gut kaufen, das er bewirtschaften soll, leider aber fällt das Bankhaus, wo Martha ihr Geld liegen hat, so daß nichts daraus wird und Krieg drei, gegen die Preußen ist noch brisanter, da Friedrich ja selbst ein solcher ist und so sozusagen gegen seinen Cousin in das Feld ziehen muß und die arme liebe Tante desselben weint sich die Augen aus…
Martha reist auch an das Feld, um dort die Soldaten beziehungsweise ihren Mann zu pflegen und erlebt schreckliche Szene, der Mann kommt aber unverletzt nach Haus.In dem Ort Grumitz, wo der Sommersitz der Familie liegt und sie sich auch zurückgezogen hat, bricht der Typhus aus, so daß Marthas Vater, ihre zwei Schwestern, ihr Bruder Otto, der gerade mit der Militärakademie fertig wurde und noch einige Diener und Kammerzofen daran sterben.
Das Paar geht mit Marthas Sohn, der auch schon mal dabei ertappt wurde, daß er an zwei Hunden das Kriegsspiel erprobte, worauf er von seinem Stiefvater aber gezüchtigt wurde, zuerst nach Berlin zu Friedrichs Verwandten, dann nach Paris, um sich dort ein Haus zu bauen. Jetzt hat Friedrich die Armee verlassen, aber leider bricht wieder ein Krieg aus, weil die „Franzosen ja nicht zulassen können, daß ein Preuße spanischer König wird.
Es geht dabei auch um Elsaß Lothringen und was das Schlimmste ist, Friedrich wird der Spionage verdächtig und „am 1. Februar 1871—-standesrechtlich erschossen.“
Seither trägt Martha nur mehr schwarze Kleider, wollte sterben und hat sich erst wieder an das Leben erinnert, als der Sohn verzweifelt „Mutter!“, rief. Eine Sylvia gibt es inzwischen auch, der Sohn, dem Krieg vielleicht durchaus auch aufgeschlossen, verheiratet sich, wird Vater und Martha schreibt ihre Erinnerungen auf.
Bertha von Suttner ist damit ein Buch gelungen, das zum Bestseller wurde, obwohl es zuerst niemand drucken wollte, denn soetwas, nein das geht doch nicht!
Es gibt mehrere Fassungen, im Anhang kann man ganz genau die Unterschiede nachlesen und die Ironie der Geschichte ist wohl auch, daß Bertha von Suttner nur wenige Tage vor Ausbruch des ersten Weltkrieges gestorben ist, wo ja, trotz ihres Bestsellers, des Nobelpreises, des Roten Kreuzes und anderer Friedensinitiativen, die Waffen erst wieder hoch gehoben wurden, obwohl, wenn man die vielen Kriege bedenkt, mit denen Martha alt geworden ist, es vielleicht tröstlich ist, daß es bei uns fast siebzig Jahren, die Kriege immer nur nebenan und woanders gegeben hat.

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