Es ist wieder eine sehr erdrückende Geschichte, die wieder eine junge Frau, die 1986 geborene Elisabeth Klar, die ich von der Textwerkstatt des Semier Insaif, beziehungsweise den Abenden, die diese in der „Gesellschaft für Literatur“ veranstaltete, kenne, in ihrem bei „Residenz“ erschienenen Debutroman, der groß am Cover der Verlagsvorschau abgebildet war, erzählt.
Eigentlich hätte ich mir etwas, wie bei Elfriede Kern erwartet, es wurde aber psychologisch und geht tief hinein in das Innere der Familie, in die schwarzen Welten von Schuld und Lust und sexuellen Mißbrauch und es wird, wie bei Traumatisierungen üblich, auch immer wieder dasselbe in anderen Worten, Fakten und Wiederholungsschleifen, neu erzählt, so daß man ratlos zurückbleibt und über die Welt den Kopf schüttelt in der man und die jungen Frauen leben, die solche Debutromane schreiben.
Karin lebt mit ihrem Freund Alexander in einem Haus im Wald, steht im Klappentext, vorher hat sie dort mit ihren Eltern, ihrer Schwester, ihrem Bruder und dem Pflegekind der Familie, Lisa, mit der sie sehr verbunden war, gelebt. Dann ist etwas geschehen, der Vater tot, die Mutter ebenfalls gestorben, der Bruder Peter ist nach Salzburg gezogen, die Schwester Margarete nach London und wird dort schwanger. Karin hat in Wien studiert und lebt jetzt als Übersetzerin in dem Haus am Wald, wo sie Texte über Zentrifugen aus dem Französischen übersetzt.
Das Buch beginnt, als Karin sich entschließt, Lisa aus der WG, in der sie lebt in das Haus zurückzuholen. Ihr Freund ist einverstanden, die Geschwister und die Großeltern, die das Grab der toten Eltern betreuen, sind dagegen, schreiben Briefe und rufen an.
Auch der Betreuer der WG, Julian, bei dem Lisa auch in Therapie ist, rät ab. Er traut Lisa aber das selbständige Alleineleben zu. In dem Haus im Wald regrediert sie aber völlig, läßt sich von Karin an und ausziehen, macht sich an, spricht nicht, spielt nur seltsamen Kartenspiele nach Regeln, die keiner kennt, oder legt Puzzles mit Alexander und die Beziehung zwischen Karin und ihm wird so belastet, daß er schließlich geht und die beiden Frauen allein in dem Waldhaus zurückläßt.
In vier Teilen mit vielen Kapiteln, wo sich Lisa und Karin in der Ich-Perspektive abwechseln, wird diese Geschichte, die sicher gut recherchiert ist und den Unterschied zwischen einem Psychologen und einem Therapeuten kennt, erzählt. Von der Vergangenheit in die Gegenwart und von dort wieder zurück. Es gibt auch immer wieder schöne Wendungen, wie den Geruch von „getrockneten Marillen“ und es wird auch sehr metaphernreich erzählt.
Lisa und Karin waren als Kinder unzertrennlich, aber Lisa hat Karins Freund Martin geküßt und der Puppenspieler, das ist August, der Vater, der alles selber und alles unzerstörbar macht, das Haus, die Möbel, scheint Lisa vergewaltigt zu haben.
Sie ist dann weggelaufen und ein paar Tage später war er tot. Hat Lisa ihn oder hat er sich selbst erschossen? Es hat jedenfalls die Beziehung der beiden Freundinnen durcheinander gebracht.
Lisa ist auch ein Sozialfall, die Tochter Jennifers, einer Alkoholikerin oder psychisch gestörten Frau, die ihr Kind mit einer Pfanne erschlagen wollte.
Inge, Karins Mutter, hat sie dann statt der Tiere, die sie eigentlich aus dem Tierheim holen wollte, zu sich genommen, manchmal ist Elisabeth Klar sehr brutal in ihren Beschreibungen und der Vater hat der Mutter zuerst erzählt, Lisa sei zu ihrer Mutter zurückgegangen, als sie verschwunden ist.
Im vierten Teil vernachläßigt Karin ihre Übersetzungen immer mehr, kommt mit sich und Lisa nicht mehr zurecht, die alle Sachen aus den Regalen und die Puzzleteile aus dem Fenster wirft.
Es kommt auch zu einer Vergewaltigung, wenn ich es richtig verstanden habe und manchmal ist man sich nicht sicher, ob nicht vielleicht Karin die Mörderin des Vaters ist, werden doch soviele Möglichkeiten aneinandergereiht, einmal erleidet er auch einen Schlaganfall auf einer Leiter, bevor Karin am Grabe ihrer Eltern randaliert, dieses, wie es Lisa bei ihr immer tut, anzuscheißen versucht, es hat mir einmal ein Klient erzählt, daß er das am liebsten am Grabe seiner Mutter tun würde, bevor sie zurück in das Waldhaus fährt und Lisa, die nicht, wie eigentlich erwartet, in den See gesprungen ist, am Steg findet und „Liebst du mich jetzt oder nicht?“, gefragt wird oder fragt.
Die Seele ist ein weites Land, ich weiß und Mißbrauch etwas, das leider vielen jungen Frauen und Männern passiert, in aller Munde und Alltag einer Psychotherapeutin, aber manchmal wünscht man sich, daß das Leben einfacher ist und das in den Büchern auch so geschrieben steht….
2014-09-04
Wie im Wald
4 Kommentare »
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das einfache leben scheint der st.pöltner michael ziegelwagner im aufblasbaren kaiser zu beschreiben, zumindest bis 37% (der e-book leser outet sich) des longlistbuches.
Kommentar von ofips — 2014-09-05 @ 07:55 |
Wieso einfach, geht es da nicht um die Monarchie beziehungsweise monarchistische Wiederbelebungskreise? Von Michael Ziegelwagner habe ich übrigens gerade einen interessanten Kommentar zur Buchpreiskritik gelesen. Er sieht seine Nominierung gelassen und schlägt den zwanzig, bew. den dann vierzehn Ausgeschlossenen im Oktober ein Picknick vor dem „Römer“ vor, soetwas Ähnliches habe ich einmal Cornelia Travnicek vorgeschlagen, als sie bemerkte, daß nur neun für den Klagenfurter Literaturkurs eingeladen werde, obwohl damals zehn Plätze vorgesehen waren. Wie weit bist du mit dem LL-lesen? Ich habe gerade gefahren, daß ich da Charles Lewinskys „Kastelau“ gewonnen habe und bin gespannt!
Kommentar von jancak — 2014-09-05 @ 10:12 |
der ziegelwagner ist mein 13., vielleicht beginne ich heute noch mit 14. alle werde ich vor der shortlistveröffentlichung nicht schaffen, aber sicher bis zur verleihung.
Kommentar von ofips — 2014-09-05 @ 15:03 |
Dann alles Gute, toi, toi und wie ist deine Schätzung wer auf die Shortlist kommt und wer gewinnen wird?
Kommentar von jancak — 2014-09-05 @ 16:37 |