Literaturgefluester

2014-09-28

Ich halte mir diesen Brief wie einen Hund

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:44

Ich weiß nicht genau wann und wo ich den 1961 in Graz geborenen Mike Markart kennengelernt habe, er hat jedenfalls bei der ersten von mir organisierten „Tag der Freiheit des Wortes-Veranstaltung“ 2001 im NIG gelesen und da hat Evelyne Haas mich auf sein Talent aufmerksam gemacht und die Elfi hat ihn auch einmal sehr gelobt. Seither hat er mehrere Romane geschrieben und jetzt ist in der „Edition Keiper“ der dritte Teil seiner, wie am Buchrücken steht „seltsamen autobiografischen Trilogie“ herausgekommen, die am 16. September in Graz vorgestellt wurde.
Dorthin zu fahren ist ein bißchen weit, deshalb habe ich das Buch in zwei Tranchen in der Badewanne gelesen, was passt, denn Wasser spielt in dem Roman ohnehin eine große Rolle, über dem es im Klappentext weiter heißt „Die Handlung ist genauso unberechenbar wie das Leben selbst. Das Resultat ist ein Text, der von schrägen Ideen, abgründigen Humor und feiner Poesie getragen wird und dadurch die Literatur radikal aufbricht“.
Ein bißchen Kafka und Thomas Bernhard ist dabei zu spüren, vom ersteren wahrscheinlich mehr als vom zweiten und was der Realistin in mir, am meisten gefällt ist die scheinbar leicht zu lesende Art, der scheinbare Gegenwartsbezug in den mehr oder weniger kurzen aneinandergereihten einundsiebzig Kapiteln, die manchmal nichts, manchmal wieder mehr miteinander zu tun zu haben scheinen.
Mehrere Erzählstränge scheint es zu geben und mehrere Personen, die erzählen, zwei „ichs“ ein „er“, etc, die ineinanderüber zu gehen scheinen und es beginnt mit einer kleinen Frau, die im Leben und in der Familie des Ich-Erzählers mehrmals gesehen worden ist.
Es gibt auch ein Kochbuch das damit in Verbindung steht, das von der Mutter des Erzählers zu dem Sohn gelangte mit seltsamen Rezepten und seltsamen Indigrenzien, davon ist später mehr zu lesen, aber dann stehen die Zutaten in einem handgeschriebenen Buch, der Freundin des Erzählers, auf die er eifersüchtig ist und ergeben eine sehr packende Erzählung.
Der Erzähler ist also Schriftsteller oder auch nicht, irgendwo später steht, er hätte das Schreiben aufgegeben, weil es sowieso sinnlos ist, schreibt aber mit roten Stiften, geht aus dem Haus, um eine Tintenpatrone einzukaufen und gerät dadurch in eine Zugsentführung oder war es anders?
Natürlich, denn er stand am Fenster und sah, daß seine Freundin Marina von seinem Rivalen Ludwig unterm Regenschirm nach Hause begleitet wird, das macht ihn so rabiat, daß er beschließt ihr einen Brief zu schreiben, obwohl sie ohnehin ständig anruft und sogar im Zimmer zu schlafen scheint, als er das Haus verläßt, um den Brief aufzugeben, aber wo?
Die Postämter vermeidet er, Briefkästen findet er nicht, so daß er einen Zug besteigt, um ihn an einer Haltestelle doch irgendwo einzuwerfen, was wieder sehr verwirrend ist, „denn“ und das ist wahrscheinlich ein Realitätsbezug „die Situation der Bahnhöfe hat sich wie die Situation der Briefkästen in den letzten Jahren verändert“
Aber schön der Reihe nach, es beginnt also mit der kleinen Frau, deren Spur sich später in dem Buch verliert und den Kochrezepten mit den seltsamen Zutaten, dann geht es in den Süden, an das Meer, denn der Ich-Erzähler hat ja einmal beschlossen, das Spazierengehen und das Meer zu seinem Beruf zu machen, dazu passt wahrscheinlich ganz gut, daß Mike Markart, wie ich einer Presseaussendung entnehme, ein Stipendium in Venedig hatte und jetzt einen Aufenthalt in Rom haben wird.
Aber auch in der Grazer Innenstadtwohnung des Erzählers geht es seltsam zu, wird der doch vom Schatten eines Baumes irritert, den er dann in der ganzen Stadt suchen geht, Sturm kommt auf und das Wasser tropft von den Decken und wird durchs Fenster wieder hinausgeweht, wie gut, da ein Schlauchboot zu haben, mit dem man sich retten kann.
Aber der Ich-Erzähler, der es sich auch zur Aufgabe macht, ins Innenleben zu verschwinden und ein wenig zwanghaft zu sein scheint, schließlich konnte er sich trotz hohen IQ die Wochentage nicht merken, hat eine Zeitlang alle Autos gezählt, bis er das, als genauso sinnlos, wie das Schreiben, aufgab, hat da wahrscheinlich schon längst auf der Suche nach einem Briefkasten das Haus verlassen und „Wie-„, werden meine Leser vielleicht fragen, „-hängt das mit dem titelgebenden Hund zusammen?“
Der liebe Leute, ist sterbensalt, gehört dem Nachbarn namens Berger, der Held trifft ihn, als er mit seinem Brief das Haus verläßt und weitere poetisch bedrückende Szenen, wie die wenn er ins Cafehaus geht, dort sich etwas bestellen muß, aber nichts trinken möchte und daher den Ristretto ganz ganz kurz haben will, gibt es auch.
Ein wahrhaft poetisches Buch und für eine, die ja ein wenig Schwierigkeiten mit den wohl ebensfalls als ein wenig sinnlos empfundenen Worträuschen hat, angenehm leicht und oberflächig realistisch zu lesen, obwohl ja nichts in dem Buch das wirklich ist, denn wer hat schon eine kleine Frau gesehen und fährt im Schlauchboot in seiner Wohnung herum und auch das Osterfeuer pflegt man sich wohl nicht auf einen Berg zu holen und Seegurken zum Osterschmaus zu essen, während die anderen von Eiern, Würsten und Schinken träumen….

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