Literaturgefluester

2014-10-11

Besetzer, Toren, Biedermänner

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:28

Wieder ein Fund aus dem Bücherschrank, ein antiquarisch, wahrscheinlich längst vergriffenes Büchlein von dem Verleger, Diplomat, Zeitungsherausgeber Fritz Molden, im Jänner fast Neunzigjährig verstorben und eine wahrscheinlich starke, einflußreiche und auch konservative Stimme der Nachkriegsjahre und einer, der aus einer großen Familie stammt.
Paula von Preradovic, die Schöpferin der Bundeshymne, wo man sich jetzt ja gerade streitet, ob man Töchter Söhne oder nur Söhne singen darf und von der Familie Molden vielleicht verklagt wird, wenn man ersteres tut, war seine Mutter, der Pressechefredaktuer Ernst Molden, sein Vater, Otto Molden, der Gründer vom Forum Alpbach sein Bruder, den Schriftsteller und Sänger Ernst Moden, sein Sohn, gibt es auch und mir war Fritz Moden als Verleger des „Molden-Verlags“ ein Begriff.
Er war natürlich auch Schriftsteller und als solches hat er „Besetzer, Toren, Biedermänner – Ein Bericht aus Österreich 1945 -1962“ herausgebracht, in der Reihe „Austriaca des Wilhelm Goldmanns Verlags“, 1980 erschienen, ein Buch das schon länger auf meiner Leseliste steht und ich, als ich im Jänner vom Tod des Autors hörte, dachte, ich sollte es jetzt endlich lesen und es passt auch thematisch sehr gut zu Karin Peschkas „Watschenmann“, nur, das ist ein Roman mit sehr kunstvollen Figuren, Moldens-Buchs ein Bericht aus dieser Zeit und ein sehr persönlicher noch dazu, erzählt es doch, wie der junge Molden, 1945 in Tirol sitzt, das Forum Alpach, dieses jährlich stattfindende Symposium, wo über politische Fragen der Zeit diskutiert wird und das es noch heute gibt, war gerade gegründet und mit „Joseph Frankenstein, Leutnant dim 2677. Regiment, OSS, United States Forces in Austria“ diskutiert“.
Ein ein- oder zweiundzwanzigjähriger junger Mann, der bald Sekretär des damaligen Außenministers Gruber wird und am Ballhausplatz aus und ein geht.
Österreich und Wien war aber damals besetzt, es herrschte Hunger und Schwarzhandel, aber auch großer Aufbauwille und mit den Toren des Titels, sind die Widerstandskämpfer, Fritz Moden war auch ein solcher, gemeint, die Biedermänner, die Anpassler, die die vielleicht noch vor einem Jahr im Burgtheater unterm Hakenkreuz spielten und jetzt, wie es, glaube ich, Paul Hörbiger tat, ein bißchen Schutt wegräumten, um sich zu rehabiliteren, die Herrn Karls sind auch damit gemeint und die Besetzer, wissen wir eh, die Amis, Franzosen, Engländer und Russen oder wissen es wahrscheinlich nicht, weil wahrscheinlich viel viel später geborden und ich war auch erst eineinhalb, als die letzten Besatzer das Land verließen und kann mich an die Vier im Jeep nicht erinnern, an das Carepaket der Amis aber schon, denn im Gartenhäuschen am Almweg, steht noch eine solche Holzkiste, wo Kluppen aufbewahrt wurden und die Mutter hat mir von den wurmigen Fischkonserven drinnen erzählt. Hernals, wo ich aufgewachsen bin, lag in der amerikanischen Zone, der vierte Bezirk mit der „Ravag“ war die russische und die war sehr gefährlich, weil die die Uhren stahlen, Frauen vergewaltigten und auch den Kommunismus wollten.
Nun erzählt Molden das alles sicher aus einer sehr konservativen großbürgerlichen Sicht, meine Eltern, bzw. mein Vater war Sozialist und wohnte in einem der schönen alten Gemeindebauten in der Wattgasse, weil die elterliche Wohnung vorher ausgebombt wurde und meine Mutter hat mir einmal erzählt, daß einmal ein kommunistischer Freund mit seiner Frau auf Besuch kam und sich die Wohnung sehr genau anschaute und auf die Frage, ob sie sie vielleicht haben wollten, mit „Ja“ antwortete.
Als aus dem kommunistischen Putsch nichts wurde, ist der Freund nie mehr gekommen und Otto Molden, der nach seiner politischen Tätigkeit, weil er doch nicht das Beamtensitzfleisch hatte und mit Bundeskanzler Figl seine tägliche „Beamtenforelle“, sprich Knackwurst essen wollte, in die „Redaktion der freien Presse“ seines Vaters übersiedelte, wurde dort von den Russen einmal sehr verfolgt, so daß er eine Zeitlang nach Amerika flüchten mußte und sich dort weiter politisch betätigte, denn der erste Bezirk, wo die Zeitungsredaktion lag, wurde abwechselnd von allen vier Besatzungsmächten kontrolliert und die Russen vergewaltigten nicht nur Frauen, sondern verschickten auch nach Sibirien.
Keine sehr lustige Zeit damals, in der ich aufgewachsen bin und mich nicht wirklich erinnern kann. Fritz Molden gründete dann gemeinsam mit Christian Broda, dem späteren Justizminister und Gerd Bacher, dem späteren ORF-Intendtanten, die Zeitschrift „Express“, die den Vorteil hatte, daß sie mehrmals am Tag erschien und an die kann ich mich erinnern, weil da, als ich schon in die Hauptschule ging, ein Artikel war, wo ein Bub aus der Bubenhauptschule, einen Einbrecher stellte, für den ich sehr schwärmte.
1956 kam es zu dem Ungarn Aufstand, Molden war in dieser Zeit in Budapest, weil er einen Hilfkonvoi nach Miskolcz organiseren wollte und erzählt sehr genau, was er da erlebte, von anderen Dinge, wie zum Beispiel der Sache mit Südtirol, erzählt er, weil persönlich nicht involviert, nicht soviel, wie er in der Einleitung schreibt.
Er erzählt vom tollen armseligen aber doch aufstiegsorientierten Nachkriegsleben und auch, wie die Biedermänner die Toren langsam aus der Politik verdrängten. Er erzählt auch und das ist sehr interessant, von seinen Freunden, einer davon war Kurt Waldheim, der Uno-Generalsekretär und spätere Bundespräsident über dessen Vergangenheit im dritten Reich es in der Zeit, wo er Präsident war, großen Widerstand gab, an dem ich mich auch beteiligte.
Das Buch ist vor dieser Zeit geschrieben, deshalb kein Wort davon, nur, daß er Waldheim zu seinen guten Freunden zählt, als der Widerstand dann da war, kann ich mich an ein Radiointerview erinnern, das mich sehr beeindruckte „Meine Mutter war kein Nazi, aber sie ist doch in die Reichschriftskammer eingetreten, weil sie sonst nicht…“, hat er, wie ich mich erinnern kann, in etwa zur Verteidgung seines Freundes gesagt.
Ja, so war es wohl gewesen, aber genau daraus, sind dann auch die Herrn und die Frauen Karl und Karlinen entstanden. Das man halt nicht anders konnte und deshalb mitmachte und deshalb alles so wurde, wie es war…
Sehr schwierig und nicht leicht zu entscheiden und gut, daß man selbst nicht in dieser Situation war, daß man halt doch im Burgtheater eine große Rolle spielte und sich, um das andere nicht kümmerte, weil politisch war man ja nicht. In der Pause kam dann halt der Herr Kulturminister Goebbels, küßte die Hand und schlug eine Rolle in einem üblen Propagandafilm vor, wie es, glaube ich der Paula Wessely passierte.
In dem Buch sind wir aber schon darüber, da gibt es die kommunistischen Jugendfestspiele in Wien, die der konservative Zukunftsgestalter sabotieren konnte und als nach der „Freien Presse“ auch der „Express“ ins Wanken kam, wird er Verleger und da endet das Buch, ob es eine Fortsetzung und seine Verlagsgeschichten gibt, weiß ich nicht. Es gibt aber einen Vorgänger „Felopolinsky und Waschlapsky“ eine Biografie seiner Kindheit, wahrscheinlich auch längst vergriffen und höchstens in den Bücherschränken zu finden und ich finde das Lesen solcher Bücher interessant, weil es Einblicke in eine längst vergangene Zeit gibt und deshalb bin ich froh, daß es die offenen Bücherschränke gibt.
Mit der Paula von Preradovic habe ich mich übrigens in meiner frühen Autorinnenzeit, also in den Siebziger- Anfang Achtzigerjahren beschäftigt, habe eine Erzählung, die glaube ich „Das Denken an Paula P.“ geheißen hat, geschrieben, unveröffentlicht, aber bei einigen Preisen und Stipendien eingereicht und nichts gewonnen, aber dafür mich mit dem Werk der Autorin beschäftigt und auch ihren Bericht über das Kriegs-Wien von 1945 gelesen und in der Osterleitengasse, dem Wohnort der Familie, spazierengegangen.
Mit der Koschka Hetzer, einer Journalistin, die glaube ich, mit dem Otto, dem „Forum Alpach-Gründer“ verheiratet war, habe ich einmal ein Gesprächstherapie-Ausbildungsseminar gemacht und als ich 1996 in der Jury des Nachwuchstipendieums war, habe ich die Einreichung von Ernst Molden bekommen, bei dem ich auch bei einigen seiner Lesungen war. Inzwischen hat er, glaube ich, das Schreiben aufgegeben und ist nur mehr als Sänger tätig.
Und Hans Weigel und Friedrich Torberg sind noch ein paar andere mächtige Männer in der österreichischen Nachkriegszeit, die viel bewegten oder auch verhinderten, aber wahrscheinlich mehr literarisch journalistisch, als politisch diplomatisch tätig waren und so hat das Buch auch einen sehr umfangreichen dokumentarischen Anhang, in man, wenn es interessiert, die Artikel des Staatsvertrages von 1955 und die zu den Zeitungskriegen nachlesen kann.

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