Literaturgefluester

2014-10-13

Die zitternde Frau

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:34

Bei den Schnuppertagen im Writersstudio haben wir zweimal einen Personal Essay verfaßt.
Personal Essay was ist das schnell, Judith Wolfgruber, die eine überzeugte Anhängerin der amerikanischen Literaturvermittlung ist, erklärte das an zwei Texten, wo sie von ihrem Sohn im KG und Schule schrieb und dann etwas wissenschaftlich allgemein philosophisches daranhängte und erklärte, daß in Amerika der Personal Essay weit verbreitet sei.
Aha, interessant und gut zu wissen, aber nicht wirklich eine Ahnung, was ich mir darunter vorstellen kann, dann steht Siri Hustvedts „Die zitternde Frau“ auf meiner Leseliste, die Frau des amerikanischen Bestsellerautors Paul Austers von der ich schon zwei Bücher in den Regalen bzw. mindestens eines auch gelesen habe und freue mich darauf, denn von der „Zitternden Frau“, 2010 erschienen, kann ich mich erinnern, einiges im Radio gehört zu haben.
Es geht um ein Nervenleiden „Eine Geschichte meiner Nerven“ steht noch am Cover als Untertitel, die Rezensenten haben sicher auch was dazu gesagt, aber im Writersstudio trotzdem keine Ahnung davon gehabt, daß ich ein blendendes Beispiels eines Personal Essay schon längst im Badezimmer liegen habe.
Siri Hustvedt 1955 in Minnesota geboren, skandinavische Wurzeln, erzählt in ihrem Buch vom Tod ihres Vaters mit dem sie sehr verbunden war.
Zwei Jahre später soll sie ihm zu Ehren eine Rede halten und fängt zu zittern an, die Sprachleistung ist nicht gestört, nur ihre Glieder drehen durch, sie denkt zuerst an einen epileptischen Anfall, ich würde da wohl an Parkinson denken und mich entspannen und fängt zu forschen an und das alles schreibt sie in ein Buch, zitiert abwechselnd wissenschaftliche Werke von Freud bis Oliver Sacks, dem berühmten amerikanischen Psychiater, von dem ich auch ein Buch auf meiner Liste habe, erzählt aus ihrem Leben und geht sowohl zu einem Psychoanalytiker, ein Verhaltenstherapeut wäre ihr wohl nicht eingefallen, als auch zu einem Neurologen und wir erfahren sehr viel.
Einerseits aus Siri Hustvedts Leben, sie hatte schon als Kind Fieberkrämpfe und litt später an Migriäneanfälle, dann von der gesamten psychologisch neurologischen Literatur, von Sigmud Freund bzw. Messner,Charcot, erfahren was von Hysterie und Konversationsstörungen und vom DMS III und IV, den amerikanischen Diagnosekriterien.
Wir erfahren von der Macht der Träume, sämtlichen Konversationsstörungen und wie sie sich mit der Posttraumatischen Belastungsstörung vermischen können und auch, daß Siri Hustvedt, die schon mal wegen ihrer Migräne eine Analyse machte, wöchentlich ins psychiatrische Krankenhaus geht, um dort mit Patienten Schreibübungen zu machen und das, was die aufschreiben ist sehr interessant, denn in der Psychose öffnet sich das Unbewußte und man fängt zu dichten an, schreibt ohne äußere Logik von unheimlichen Themen, spricht mit Engeln, kommuniziert mit dem lieben Gott, etc.
Da sind wir dann schon bei dem Phänomen des Stimmenhörens, wo sich die Wissenschaft streitet, ob das jetzt ganz normale alltägliche Phänomene sind oder ob sie zu der Schizophrenie gehören?
Siri Hustvedt erwähnt, daß berühmte Dichter, wie Rilke, Paul Celan, etc davon betroffen waren und vor ein paar Jahren ist immer eine alte Frau in die klinischen Mittage ins AKH gekommen, hat Fragen gestellt und dann Material über die Stimmenhörer-Selbsthilfegruppe ausgeteilt.
Siri Hustvedt hält verschiedene Vorträge, fängt mal dabei zu zittern an, ein anderes Mal wieder nicht, sie geht mit ihrem Mann und einem Freund in den Pyrenäen auf einen Berg, überfordert sich dabei und zittert wieder, jetzt ist aber ihr Vater oder sein Grabstein nicht dabei, es kann also keine Konversationsneurose sein. Sie geht zu einer Analytikerin, die schüttelt den Kopf „Hysterisch sind Sie nicht!“, hört auf, als Siri Hustvedt ihr etwas von den Fieberkrämpfen als Kind erzählt und schickt sie in die Röhre.
Dort kommt auch nicht sehr viel heraus, aber wir, bzw. Siri Hustvedt haben gelernt, daß die Seele ein weites Land, wie glaube ich, schon Arthur Schnitzler, ganz ohne MRT um dessen Bezahlung man mit der Krankenkasse kämpfen muß, sagte, ist und, daß die Psyche und das Soma halt doch sehr zusammenhängen und man vielleicht nicht alles wissenschaftlich erklären und deuten kann.
Aber wenn man überfordert ist, fängt man vielleicht zu zittern an und wenn einem etwas zuviel wird, spaltet man ab und dissoziert und das alles kann man vielleicht im Gehirn oder sonstwo finden und nachweisen. Man kann auch Tabletten dageben nehmen, sich entspannen, versuchen seine Traumen zu bewältigen, etc.
Dafür gibt es ja inzwischen auch ein Psychiater, Psychotherapeuten, Neurologenheer, die Pharmafirmen forschen und Siri Hustvuedt führt noch einige Beispiele an, wo Leute ihre Stimmen, als sie dann behandelt waren, vermißten.
Oliver Sacks hat in dem Buch „Der Mann der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, das auch noch auf mich zukommen wird, glaube ich, von einem Tourette Patienten geschrieben, der manchmal seine Medikamente absetzt, damit er seine schöne Zustände weiter erleben kann.
Ja, die Seele ist ein weites Land und es ist und das praktiziere ich schon sehr lange, sehr interessant, die Literatur und mit der Wissenschaft zu verbinden und so kann der Leser alles in einem haben, ein Buch von einer berühmten amerikanischen Autorin und ein Lehrbuch der neuropsychiatrischen Phänomene und das alles noch in einem Anhang gut dokumentiert zum Weiterlesen.

2 Kommentare »

  1. ich habe das buch auch gelesen, also hustvedts! das von oliver sacks auch! alles liebe, ilse

    Kommentar von suzie — 2014-10-13 @ 20:56 | Antworten

  2. Hast du nicht gesagt, du liest keine Mainstreambücher?

    Kommentar von jancak — 2014-10-13 @ 22:43 | Antworten


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